Während der Westen sich vor allem auf den Ukraine-Krieg konzentriert, nutzt Russlands Diktator Wladimir Putin dieses Momentum, um seine Strategie in Afrika zu verfolgen. Vor allem seit Beginn des Ukraine-Kriegs hat der Kontinent für Russland an strategischer Bedeutung gewonnen: Afrikas Reichtum an Bodenschätzen und Bedarf an Energie ermöglicht es dem Kreml, westliche Sanktionen zu umgehen. Waffenhandel und Söldnereinsätze werden dabei gezielt genutzt, um politischen und wirtschaftlichen Einfluss auszubauen.
Afrika lässt Russland nicht im Regen stehen
Putin hatte bereits beim Russland-Afrika Gipfel 2019 klar gemacht, die „Stärkung der Verbindung zu den afrikanischen Ländern“ sei eine der Prioritäten der russischen Außenpolitik. Für Juli ist ein weiterer Russland-Afrika-Gipfel in St. Petersburg geplant. Eine Charmeoffensive Moskaus, inspiriert durch ausgedehnte Afrika-Reisen des russischen Außenministers Sergej Lawrow, zeigt bereits Früchte: Viele Regierungen Afrikas stehen dem Kreml positiv oder neutral, nicht jedoch wirklich ablehnend gegenüber. Das zeigte sich bei der Abstimmung der UN-Vollversammlung zum Jahrestag des russischen Einmarsches in die Ukraine. Aus Afrika enthielten sich 14 Länder: Algerien, Angola, Zentralafrikanische Republik, Republik Kongo, Äthiopien, Gabun, Guinea, Mosambik, Namibia, Südafrika, Sudan, Togo, Uganda, Simbabwe. Die Staaten Burkina Faso, Kamerun, Eswatini, Äquatorial Guinea, Guinea-Bissau, Senegal und Togo nahmen an der Abstimmung nicht teil. Eritrea und Mali stimmten gegen die UN-Resolution, die Russlands Einmarsch in der Ukraine verurteilte. Aus Sicht mancher Länder ist der Krieg zwischen Russland und der Ukraine nicht ihr Konflikt, sondern zwischen Russland und dem Westen.
Seit den 2000er-Jahren stärkt Russland gerade in politisch instabilen Regionen Afrikas strategisch seinen Einfluss. Als außenpolitisches Instrument des Kreml in Afrika fungiert dabei die Söldner-Gruppe Wagner. Die angeblich nach dem deutschen Komponisten Richard Wagner benannte Truppe steht unter dem Kommando des Putin-treuen Unternehmers Jewgenij Prigoschin. Wie die Söldnerfirma den Einfluss des Kremls in Afrika stützt, geht aus einer Studie der Hanns-Seidel-Stiftung mit wichtigen Erkenntnissen über die kriminellen Machenschaften von Russlands Söldnern hervor; sie wurde auf der jüngsten Münchner Sicherheitskonferenz veröffentlicht. Die Studie zeigt die militärische, ökonomische und politische Rolle, die Russlands Söldnergruppe in Afrika spielt: In Ländern wie Mali, Libyen, Sudan, Zentralafrikanischer Republik oder Syrien.
Politischen und wirtschaftlichen Einfluss ausbauen
Das Geschäft mit Waffen wird von Moskau als Weg gesehen, den politischen und wirtschaftlichen Einfluss auszubauen, heißt es in der Studie. Wirtschaftliche Projekte und Kooperationen im Energie- und Bergbausektor sind dabei oft das Ziel. Dies ist besonders im Sudan und in der Zentralafrikanischen Republik klar zu sehen: Zunächst brachte Russland sich durch Waffenverkäufe, militärische Unterstützung und die Tätigkeiten der Wagner-Söldner ein, um schließlich in den Bergbausektor einzusteigen und Gold im Sudan und Diamanten in der Zentralafrikanischen Republik zu schürfen. Ähnliches ist derzeit in Mali zu beobachten. Das im Rahmen des Einsatzes von Wagner-Söldnern in Syrien erprobte „Geschäftsmodell Syrien“ kann als Blaupause für das russische Vorgehen in Ländern wie Mali und Burkina Faso angesehen werden. Russland verschafft sich und seinen Staats-Unternehmen mit Waffenlieferungen Zugang zu afrikanischer Energie, Schürfrechten im Bergbau und bevorzugten Handelsbedingungen. Dabei trifft Russland in Afrika vielfach auf alte Partner, die schon während des Kalten Kriegs enge Beziehungen zur damaligen Sowjetunion pflegten und diese Verbindungen auch nach dem Zerfall der Sowjetunion mit russischen Staatskonzernen aufrechterhalten haben, vor allem im Rohstoffbereich und der Rüstungsindustrie.

Die Studie der Hanns-Seidel-Stiftung zeigt deutlich, dass die Wagner-Gruppe weit mehr ist als nur eine reine Söldnerfirma: Sie ist im Grunde ein Konglomerat an Firmennetzwerken, das wirtschaftliche und politische Interessen auf dem afrikanischen Kontinent verfolgt, ebenso wie militärische, erläutert Markus Ferber, MdEP, Vorsitzender der Hanns-Seidel-Stiftung: „Dabei scheint der modus operandi immer ähnlich. Im Gegenzug für militärische Beratung oder die Entsendung von Söldnern sichern sich Wagner-Firmen den Zugang zu Bodenschätzen. Während die Gruppe bisher in fünf afrikanischen Ländern militärisch engagiert ist oder war, agiert die Gruppe in über zwölf Ländern durch gezielte Desinformationskampagnen und versucht politisch Einfluss zu nehmen, etwa indem bei Wahlen ganz bestimmte Kandidaten unterstützt werden. Oftmals agiert Wagner dabei als Proxy des russischen Staates, auch wenn die Beziehung zwischen Wagner und dem Kreml komplex ist.“ Der Kreml bestreitet zwar Verbindungen zur Wagner-Gruppe; aktuell zeigt sich Putin nicht mit Prigoschin in der Öffentlichkeit. Es gibt aber Indizien für Verbindungen zwischen dem russischen Staat und der Wagner-Gruppe: So soll auf einem Video ein Treffen zwischen Söldnerchef Jewgenij Prigoschin, dem russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu und dem libyschen General Chalifa Haftar dokumentiert sein. Haftar erhält aus Russland diplomatische und militärische Unterstützung im Kampf um die Zukunft des ölreichen nordafrikanischen Staates.
Die „Wagner“-Taktik: Militärhilfe gegen Bodenschätze
Wichtig ist es nach Ansicht von Markus Ferber zu erkennen, dass die Gruppe in einer Grauzone agiert: Sie sei ohne Zweifel in kriminelle Machenschaften involviert: „Bei dem Einsatz ihrer Söldnertruppen werden immer wieder schockierende Menschenrechtsverletzungen gegenüber der Zivilbevölkerung dokumentiert. Die Gruppe kann auch auf ein russisches Netzwerk der organisierten Kriminalität zurückgreifen, das sich über Jahrzehnte auf dem afrikanischen Kontinent ausgebreitet hat. Gleichzeitig agieren Firmen, die mit der Wagner-Gruppe in Zusammenhang stehen, aber auch ganz legal in vielen Ländern Afrikas. Das Ziel scheint immer dasselbe: Den Einflussbereich Russlands „auszuweiten, die Interessen Russlands durchzusetzen und westliche Werte und Interessen zurückzudrängen. Instabilität kommt dabei Russland entgegen.“ Ferber beobachtet daher mit großer Sorge, „wie Organisationen wie die Wagner-Gruppe rechtsstaatliche und demokratische Errungenschaften ebenso wie den Entwicklungspfad Afrikas sabotieren.“
Der politische Einfluss, den die Wagner-Gruppe durch ihr Dienstleistungsangebot für autokratische Führer ausübt, ist vor diesem Hintergrund ein wichtiges Instrument Russlands, die eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen auf dem Kontinent weiterzuverfolgen. Dass die Söldner-Truppe von der US-Regierung als eine Organisation der transnationalen organisierten Kriminalität bezeichnet wurde, zeigt nach Ansicht von Ferber deutlich die Berührungspunkte zwischen russischer Außenpolitik und organisierter Kriminalität – eine Verbindung, die mit Blick auf Russlands Agieren in der Welt nicht wirklich überrascht.