Odessa

Putins Hungerwaffe ist entschärft

Ein Zeichen der Hoffnung: Seit Anfang der Woche kann die Ukraine wieder Getreide exportieren.
Ukraine-Krieg - Odessa
Foto: - (Ukrainian Presidential Press Office/AP) | Ukrainisches Getreide wird in ein türkisches Frachtschiff in einem Hafen in der Region Odessa verladen.

Es ist eine gute Nachricht, sowohl für die Ukraine als auch für viele hungernde Menschen auf dem gesamten Erdball: Denn mit dem Abschluss des Istanbuler Getreideabkommens kann die "Kornkammer" Europas wieder dringend benötigtes Getreide in alle Welt exportieren. So stach am Montagmorgen im Hafen von Odessa mit der "Razoni" erstmals seit Russlands völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine wieder ein Schiff in See, das, beladen mit 26.000 Tonnen Mais, am Mittwochmorgen in Istanbul eintraf, wo es gemäß des am 22. Juli von der Ukraine und Russland unterzeichneten Abkommens von türkischen Beamten inspiziert worden ist.

Ein Lichtblick in finsteren Kriegszeiten

UN-Generalsekretär António Guterres, der das Getreideabkommen mit vermittelt hatte, begrüßte die Abfahrt der unter der Flagge Sierra Leones segelnde "Razoni" und äußerte die Hoffnung, dass zahlreiche weitere Schiffe der "Razoni" nun bald folgen würden. In Kürze werde auch ein Schiff im Auftrag des Welternährungsprogramms (WFP) 30.000 Tonnen Weizen in der Ukraine laden - es sei ein humanitäres Gebot, sicherzustellen, dass das Getreide auf den Weltmarkt gelange, betonte Guterres.

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Der Getreidedeal zwischen der Ukraine und Russland, vermittelt durch die Türkei und die Vereinten Nationen, ist in der Tat von nicht zu unterschätzender Bedeutung und ein Lichtblick in finsteren Kriegszeiten: Denn trotz des weiterhin erbittert geführten Krieges in der Ukraine war es erstmals seit Kriegsbeginn möglich, nicht nur dauerhaft an den Verhandlungstisch zurückzukehren, sondern zudem auch noch trotz aller äußeren Umstände zu Ergebnissen zu kommen. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schrieb auf Twitter, es sei ein "Tag der Erleichterung für die Welt, vor allem für unsere Freunde im Nahen Osten, in Asien und Afrika". Die Ukraine sei , so fügt er hinzu, "stets ein verlässlicher Partner" gewesen und werde es auch bleiben, "sofern Russland seinen Teil des Abkommens einhält"   insofern darf gehofft werden, dass das erfolgreich abgeschlossene Getreideabkommen zur Grundlage für weitere Verhandlungserfolge avanciert.

Zudem ist mit der Zusage Russlands, denjenigen Schiffen freies Geleit zuzusagen, die den Hafen von Odessa in der Absicht verlassen, Getreide und andere Lebensmittel zu exportieren sowie die ukrainischen Getreideterminals nicht anzugreifen, der Anfang vom Ende der russischen "Hungerwaffe" gekommen: Aufgrund der russischen Seeblockade steckten seit Kriegsbeginn mehr als 20 Millionen Tonnen Getreide in der Ukraine fest - mit gravierenden Folgen für die Nahrungsmittelversorgung gerade in der sogenannten Dritten Welt, da alternative Exportrouten über die Donauhäfen sowie mit Güterzügen nach Polen und Rumänien keinen echten Ersatz für den Hafen von Odessa boten. Gerade die stark vom ukrainischen Weizen abhängigen Länder Nordafrikas und des Nahen Ostens hoffen nun, dass sich mit der Wiederaufnahme der Exporte die Lage am Getreidemarkt entspannt - auch aufgrund der Aussicht auf die Wiederaufnahme der Exporte ist der Getreidepreis wieder fast auf Vorkriegsniveau gesunken.

Russische Versprechen sind mit Vorsicht zu genießen

Gewiss: Eine in See gestochene "Razoni" macht noch keinen globalen Getreidesommer. Es muss aufgrund der russischen Seeblockade hinsichtlich der Getreidelieferungen viel aufgeholt werden. Und sowohl Versprechungen als auch Zusagen von russischer Seite sind seit geraumer Zeit mit äußerster Vorsicht zu genießen: Bekanntermaßen beschoss die russische Armee nicht einmal 24 Stunden nach der Unterzeichnung der Vereinbarung von Istanbul den Hafen von Odessa mit Raketen. Doch mittlerweile wurde in Istanbul ein Zentrum eröffnet, in dem Vertreter der Ukraine, Russlands, der Türkei und der UNO die Operation zur Verschiffung des Getreides koordinieren   und somit die Weltgemeinschaft auch Russland bei dessen Agieren in Sachen Getreidelieferungen besser auf die Finger schauen kann.

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