Fast scheint es, als hätten in Österreich die Koalitionsverhandlungen bereits vor den Neuwahlen begonnen. Die SPÖ hat sich einen Kriterienkatalog für künftige Koalitionen gegeben, der sich wie ein Forderungspapier für Regierungsverhandlungen liest – auf die eigene Wählerklientel achtend, aber zugleich pragmatisch. Wenn politische Beobachter diesen Katalog nun inhaltlich analysieren, tun sie genau, wozu die SPÖ sie animieren will. Sie verharmlosen den Tabubruch, den Österreichs Sozialisten soeben vollzogen. Die Kanzlerpartei entsorgte nämlich gerade ein 30-jähriges Dogma der SPÖ: die Vranitzky-Doktrin, der zufolge die FPÖ eine rechte Partei ist, mit der anständige Menschen keine Regierung bilden.
Kommentar: Roter Tabubruch in Österreich
Von Stephan Baier