Wenn sich Papst Franziskus einem einzigen Gast über mehrere Tage hinweg persönlich widmet und es sich hierbei weder um den amtierenden US-Präsidenten noch um das chinesische Staatsoberhaupt handelt – dann muss angesichts dieser bevorzugten Behandlung sowohl von einer Herzensangelegenheit des Pontifex als auch darüber hinaus von einer ganz besonderen Person ausgegangen werden, die sich kürzlich im Vatikan aufhielt.
Geistliches Oberhaupt, gewiefter Kirchendiplomat
So geschehen, als sich der Nachfolger Petri vom 10. bis zum 13. Mai mit einer Führungspersönlichkeit traf, deren „Reich“ ähnlich wie das des Bischofs von Rom sich nicht in Legionen und Divisionen, sondern nur in Glaube, Hoffnung und Liebe messen lässt. Auf den Punkt gebracht könnte man sagen: Vergangene Woche traf „Petrus“ auf „Markus“ – denn Papst Tawadros II., das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, darf vollkommen zurecht als Nachfolger des Evangelisten Markus, des Begründers des Bischofssitzes von Alexandria, betrachtet werden.
Tawadros, 1952 als Sohn eines Landschaftsarchitekten geboren und seit 2012 als 118. Nachfolger des heiligen Markus im Amt und damit ein nur unwesentlich länger Kirchenoberhaupt als Papst Franziskus, trat in Rom als Vertreter jener altorientalischen Kirche Ägyptens auf, die der gesamten Christenheit nicht nur bis auf den heutigen Tag unzählige Heilige, Mönche und Märtyrer geschenkt hat, sondern die sich seit Jahrhunderten als bestenfalls geduldete, oft jedoch auch verfolgte Minderheit auf ihrem Weg durch die Zeit befindet.
Gerade während der kurzen Herrschaft der Muslimbruderschaft 2012 bis 2013 gelang es dem noch jungen Papst, nicht nur als geistliches Oberhaupt, sondern auch als gewiefter Kirchendiplomat seine Glaubensgemeinschaft einigermaßen sicher durch die unruhigen Zeiten zu führen. Gleichwohl es noch theologische Hürden zwischen Rom und Alexandria zu überwinden gibt, sind die ökonomischen Beziehungen der beiden Kirchen auf einem guten Weg – bereits 1988 wurden die in Chalcedon manifestierten theologischen Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Kirchen nach über 1500 Jahren weitgehend ausräumt.
Sowohl der 2012 verstorbene Papst Schenuda III. als auch sein Nachfolger Tawadros haben sich große Verdienste um die Ökumene erworben – was Papst Franziskus vergangene Woche mit einer gemeinsamen Feier der mittwöchlichen Generalaudienz, einer heiligen Messe im koptischen Ritus in der Lateranbasilika sowie der Aufnahme der durch den IS ermordeten 21 Märtyrer von Sirte in das römische Martyrologium würdigte.
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