Für Joe Biden geht es gerade Schlag auf Schlag: In diesen Tagen traf er am Rande des G20-Gipfels auf der indonesischen Ferieninsel Bali zum ersten Mal als US-Präsident mit Chinas Machthaber Xi Jingping zusammen. Zuvor war er bereits beim ASEAN-Wirtschaftsgipfel in Kambodscha aufgetreten. Und über allem schwebten für Biden, der am Sonntag seinen 80. Geburtstag feiert, sicher die Kongresswahlen, bei denen die Demokraten so unerwartet gut abgeschnitten hatten.
Ein etwas verfrühtes Geburtstagsgeschenk dürfte am Sonntag die Nachricht gewesen sein, dass die Präsidenten-Partei ihre hauchdünne Mehrheit im Senat, der zweiten Kammer im Kongress, entgegen aller Erwartungen behaupten wird. Die demokratische Kandidatin Catherine Cortez Masto konnte ihr Mandat auf den letzten Metern knapp gegen den republikanischen Herausforderer und Trump-Gefolgsmann Adam Laxalt verteidigen. Damit verfügen die Demokraten auch weiterhin über mindestens 50 der 100 Sitze. Sollten sie im Dezember auch noch die Stichwahl um den zweiten Senatssitz in Georgia für sich entscheiden, hätten sie ihre Mehrheit in der oberen Kongresskammer sogar ausgebaut.
Biden will 2024 wieder antreten
Zwar sind in den Abstimmungen um das Repräsentantenhaus noch immer nicht alle Stimmen ausgezählt – hier deutet alles auf eine knappe Mehrheit für die Republikaner hin. Dennoch kann Biden die Wahlen nur als Erfolg verbuchen. Er geht, anders als die meisten seiner Vorgänger, nicht als „lahme Ente“ in die letzten zwei Jahre seiner Amtszeit, der Kongress wird nicht völlig gegen ihn arbeiten. Denkt man an den erbitterten Widerstand aus der Legislative, mit dem Barack Obama oder auch Donald Trump zu kämpfen hatten, ist das durchaus bemerkenswert. Innenpolitisch, aber auch im Hinblick auf die Fülle weltpolitischer Konflikte und Bedrohungen wird Joe Biden nun gestärkt agieren können. Dementsprechend zuversichtlich reagierte der Amtsinhaber auch auf den Wahlausgang und sprach von einem „guten Tag für Amerika und die Demokratie“. Und er bekräftigte abermals: Es sei seine Absicht, 2024 noch einmal anzutreten.
Trotz der berichtigten Freude auf Seiten Bidens ist aber auch zu erkennen: Die Demokraten haben nicht zwangsläufig dank des Politik-Urgesteins im Oval Office derart gut abgeschnitten, sondern eher trotz Biden. Dieses Bild ergibt sich, wenn man die Wahlausgänge in den einzelnen Bundesstaaten genauer aufschlüsselt. Zwei Themen verhalfen den Demokraten dabei besonders zu Zugewinnen: Abtreibung sowie ganz grundsätzlich die Zukunft der Demokratie in Amerika. In Bundesstaaten, in denen die Republikaner planten, restriktivere Abtreibungsgesetze zu erlassen, schlugen sich die Demokraten überdurchschnittlich gut, etwa in Michigan. Ein anderes Beispiel ist der Staat Pennsylvania: Dort setzte sich der Demokrat Josh Shapiro im Kampf um das Amt des Gouverneurs gegen den Trump-Republikaner Doug Mastriano durch, der seinen Wahlkampf auf der Lüge der gestohlenen Präsidentschaftswahl aufgebaut hatte. In anderen Bundesstaaten hingegen, in denen weder ein „Recht“ auf Abtreibung eingeschränkt werden sollte noch ein Trump-Kandidat das demokratische System gefährdete, konnten die Demokraten oft nicht den schlechten Umfragewerte trotzen – etwa in New York.
Trump kündigt Kandidatur an
Die Republikaner wiederum müssen sich allmählich an die Tatsache gewöhnen, dass sie diese Wahl trotz aller gegenteiliger Vorhersagen verloren haben. Insbesondere die Kandidaten, die Trump unterstützt hatte, und die den Trumpismus quasi zu kopieren versuchten, schnitten dabei besonders schlecht ab. Ein Paradebeispiel ist der Staat Georgia. Dort sicherte sich der amtierende republikanische Gouverneur Brian Kemp die Wiederwahl. Kemp hatte sich bereits vor zwei Jahren entschieden gegen Trumps Versuche zur Wehr gesetzt, noch einige Tausend Stimmen zu „finden“ und Trump zum Wahlsieg zu verhelfen. Im Kampf um den Senatssitz konnte sich der Trump-Anhänger Herschel Walker dagegen nicht gegen den demokratischen Amtsinhaber Raphael Warnock durchsetzen – es geht in die Stichwahl. Blickt man auf weitere Bundesstaaten, bestätigt sich dieser Eindruck.
Der Anti-Trump-Trend lässt sich aber nicht nur in den Entscheidungen um Kongressmandate oder Gouverneursposten erkennen. Gewählt wurden darüber hinaus auch einige „Secretaries of State“ – so nennt man die Wahlleiter auf bundesstaatlicher Ebene, die unter anderem dafür verantwortlich sind, das amtliche Ergebnis zu zertifizieren. In zahlreichen Staaten standen von Trump gestützte Kandidaten auf der Liste, die sich mehr oder weniger offen dafür ausgesprochen hatten, künftige Siege der Demokraten nicht mehr anzuerkennen. Ob in Nevada, Georgia oder Arizona: Sie haben alle verloren.
Donald Trump, der eindeutig geschwächt aus dieser Wahl hervorgeht, kündigte am Dienstag dennoch seine dritte Kandidatur für das Präsidentenamt an. Unter anderem Umständen hätte dies für reichlich Aufregung gesorgt. Nach der republikanischen Niederlage hat die Furcht vor dem Ex-Präsidenten aber abgenommen. Es ist sogar vorstellbar, dass er in Ron DeSantis, dem wiedergewählten Gouverneur von Florida, einen ernst zu nehmenden Gegenkandidaten findet. Doch nicht nur DeSantis könnte ihm gefährlich werden: Auch Trumps einstiger Vizepräsident Mike Pence wagte sich in diesen Tagen aus der Deckung: In einem Fernsehinterview erklärte er, selbst eine Kandidatur um den Chefsessel im Weißen Haus in Erwägung zu ziehen. Es gebe bessere Alternativen als Trump, so Pence. Er könne sich vorstellen, auch direkt gegen seinen vormaligen Chef anzutreten. Den Republikaner drohen parteiinterne Machtkämpfe, von denen kurzfristig nur die Demokraten profitieren werden.
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