Kardinalspurpur für eine Märtyrerkirche: Mit Mar Louis Raphael I. Sako erhält das Oberhaupt der leidgeprüften chaldäischen Kirche den roten Hut. Die chaldäische Kirche, die mit Unterbrechungen seit dem 16. Jahrhundert in Gemeinschaft mit dem Papst steht, ging aus der Assyrischen Kirche des Ostens hervor. Diese Kirche, die immer außerhalb des Römischen Reichs lag und die man nach Auskunft mancher Konfessionskundler zu Unrecht der Irrlehre des Nestorianismus bezichtigte, erstreckte sich einst bis China, ehe der Islam sie im heutigen Irak zur Minderheit machte. Dennoch gab es im Zweistromland stets eine christliche Präsenz, die jetzt aber ums Überleben kämpft: Seit dem Irakkrieg 1991 und dem darauffolgenden Embargo, vor allem aber nach der amerikanisch-britischen Invasion 2003 gab es einen regelrechten christlichen Exodus. Lebten davor weit über eine Million Christen im Irak, waren es zuletzt wenige Hunderttausend. Der Vormarsch des IS seit 2014 schließlich, der auch die Niniveh-Ebene, das christliche Herzland, erreichte, hat dem irakischen Christentum vielerorts den Todesstoß versetzt. Nur langsam kehren Christen in ihre befreiten Orte zurück. Die chaldäische Kirche ist endgültig zur Diasporakirche geworden. In ihrem Heimatland wird sie weiter schrumpfen, zumal der Irak politisch zerrissen bleibt.
DER IRAKISCHE
PATRIOT
Der künftige Kardinal Sako verkörpert dabei exemplarisch, was nach Meinung vieler die eigentliche Rolle der Christen im Nahen Osten ist: Als Erzbischof der multi-ethnischen und -religiösen Stadt Kirkuk führte er nach 2003 ein offenes Haus und war Brückenbauer. Kurden und Araber, Sunniten und Schiiten trafen sich in seinem Hause, was in der zwischen den Volksgruppen umstrittenen Stadt sonst kaum irgendwo möglich war. Seit seiner Wahl zum Patriarchen 2013 – sein greiser Vorgänger Kardinal Emmanuel III. Delly wich unfreiwillig und nur nach römischer Intervention – betont er als irakischer Patriot die Einheit des Landes. Der Schlüssel für Zusammenleben sei der Begriff der Citizenship, der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung aller Iraker.
Innerkirchlich tritt Sako für eine Reform der chaldäischen Liturgie ein, deren altsprachliches Aramäisch er als Hürde für die Mitfeier des Volkes sieht. Er griff hart gegen Priester durch, die ohne Erlaubnis den Irak verließen, um in der sicheren Diaspora zu wirken. Mit dem Purpur für den Patriarchen ehrt der Papst die verfolgte Kirche des Orients, die Franziskus nur zu gerne besuchen würde, was aber an der unkontrollierbaren Sicherheitslage bisher stets scheiterte.