Der Mensch braucht ihn wie Luft zum Atmen, aber er vergiftet, versiegelt, behandelt den Boden wie Dreck. Die Vereinten Nationen schlagen Alarm: Immer mehr ökologisch wertvolle Flächen werden zerstört, so eine jüngst veröffentlichte Studie. Die Kosten und sozialen Folgen sind gewaltig: Fünfzig Millionen zusätzliche Flüchtlinge könnten ihre Heimat verlassen, weil der Boden sie dort nicht mehr ernähren kann.
Boden entsteht aus Gestein, das Sonne, Wind, Regen, Tiere und Pflanzen in Jahrhunderten zersetzen. Boden, der durch falschen Ackerbau oder Umweltgifte verloren geht, bleibt für viele Generationen verloren. Man sollte also annehmen, dass eine Weltbevölkerung, die fruchtbare Äcker für bald neun Milliarden Menschen ebenso dringend braucht wie sauberes Wasser und gesunde Wälder, ihre Böden so pfleglich behandelt wie möglich. Doch das Gegenteil ist der Fall:
Falsche Bewirtschaftung setzt Kohlenstoff frei und verschärft den Klimawandel mit extremen Wetterlagen, Hitze, Kälte, Dürren, Regenfällen und Stürmen. Dies setzt den Böden zu: Schon jetzt schrumpfen die Ernten in Afrika wegen sinkender Bodenqualität jährlich um ein Zehntel. Hinzu kommen umweltfeindliche Flurbereinigung in Industriestaaten, immer größere Staudämme in Schwellenländern, landgrabbing in Entwicklungsländern, Millionen Hektar fruchtbares Land wechseln die Besitzer. Der Preis: zerstörte Existenzen, entwurzelte Familien. Um zu überleben, zerstören die Ärmsten der Armen Wald, weil sie Land brauchen oder flüchten in die Städte: Wenn aber die Städte so weiterwachsen wie heute, werden bis 2030 zusätzlich 1,2 Millionen Quadratkilometer versiegelt sein: Boden, auf dem nichts mehr wächst.
,,Tragisch ist die Zunahme der Migranten, die vor dem Elend flüchten, das durch die Umweltzerstörung immer schlimmer wird“, beschreibt Papst Franziskus in seiner Sozialenzyklika „Laudato si“ den Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung und Flucht. Tatsächlich: Während reiche Staaten Dürren und Versorgungsengpässe leicht schultern, droht armen Staaten der Kollaps: Vor dem Bürgerkrieg in Syrien stand in den Jahren 2007 bis 2010 eine schwere Dürre: Ernten blieben aus, Vieh verendete. Anderthalb Millionen Menschen flohen aus Not vom Land in die Peripherie großer Städte. Dort gab es Arbeitslosigkeit, Überfüllung, unzureichende Infrastruktur und Kriminalität – und massive Unzufriedenheit. Auch dies löste, neben anderen Ursachen, die syrische Revolte aus.
Wenn Bürgerkrieg, Not und Elend auch Folge von Umweltkatastrophen sind, die ihre Wurzel wiederum im Klimawandel haben, den die reichen Staaten ausgelöst haben, stehen diese in der Verantwortung. Das Flüchtlingselend hält den reichen Staaten den Spiegel vor. Und sie erkennen darin auch ihren bedenkenlosen, verantwortungslosen Raubbau mit der Natur. Nachhaltiges Wirtschaften, das ist klar, wird zu mehr globaler Gerechtigkeit beitragen. Es ist keine Zeit zu verlieren: Fruchtbares Land ist begrenzt. Unser Überleben hängt davon ab. Wenn wir weiterhin nehmen, ohne nachhaltig zu wirtschaften, werden wir in absehbarer Zeit den Boden unter den Füßen verlieren.