Politik

Ist die AfD extremistisch?

Die Debatte hat eine politische und eine juristische Ebene – Eine Analyse. Von Sebastian Sasse
Junge Alternative
Foto: dpa | AfD-Mitglieder bei einer Demo in Dresden Mitte August: Ganz selbstverständlich verwendet die Partei Symbole des Staates wie die deutsche Fahne. Ihre Kritiker bezweifeln trotzdem ihre System-Treue.

In den letzten Tagen hat Peter Schallenberg viele Rückmeldungen bekommen – positive, aber auch viele kritische. Der Leiter der Katholischen Sozialwissenschaftlichen Zentralstelle in Mönchengladbach hatte sich in einem Interview mit dem Dom-Radio dafür ausgesprochen, dass die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet werden soll. Dieser Meinung ist er auch jetzt noch. Zwar sei er nicht der Auffassung, dass alle Mitglieder extremistisch seien, doch der Flügel um Björn Höcke werde immer dominanter. Schallenberg stört außerdem, dass die Partei immer noch nicht inhaltlich zu fassen sei, so existiere kein Grundsatzprogramm. Das ermögliche prominenten Vertretern zu argumentieren, bei radikalen Positionen handele es sich nur um Einzelmeinungen. Schallenberg erkennt darin eine Strategie, die er nicht durchgehen lassen will. Gleichzeitig merkt er an – das haben ihm auch die kritischen Rückmeldungen gezeigt –, dass es ja durchaus legitim sei, eine Alternative zur Flüchtlingspolitik der Kanzlerin zu fordern. Nur aus seiner Sicht sei eben die AfD so eine Alternative nicht.

Gefahr der Instrumentalisierung

Wieso ist die Debatte über die Beobachtung gerade jetzt wieder hochgekocht? Noch Anfang März hatten sich die Leiter der Verfassungsschutzbehörden der Länder in einer gemeinsamen Sitzung mit dem Bundesamt darauf geeinigt, dass die Partei nicht beobachtet werden solle. „Derzeit sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die eine Beobachtung der AfD als Partei durch den Verfassungsschutzverbund begründen würden“, hatte es damals geheißen. Was hat sich seither geändert? Die Befürworter der Beobachtung verweisen auf die Ereignisse in Chemnitz, wo die Partei ein Bündnis mit radikalen Gruppen eingegangen sei, und ein Interview mit Alexander Gauland. In der FAZ hatte sich der AfD-Vorsitzende für eine „friedliche Revolution“ gegen das „System Merkel“ ausgesprochen und mit Blick auf die Unterstützer der Politik der Kanzlerin, etwa in den Medien, angemerkt: „Die möchte ich aus der Verantwortung vertreiben.“ Kann das bereits als Zeichen dafür gedeutet werden, dass die Partei tatsächlich das politische System der Bundesrepublik überwinden will?

Die Debatte hat zwei Ebenen: Eine politische und eine juristische. Die juristische ist letztlich die entscheidende, die politische bestimmt aber die öffentliche Diskussion. Beispiel Zentralkomitee der deutschen Katholiken (Zdk): Thomas Sternberg, Präsident des ZdK, hat die AfD in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ als rechtsradikal bezeichnet und „zum übergreifenden Widerstand aller freiheitlich-demokratischen Kräfte“ aufgerufen. Solche Wortmeldungen haben vor allem Appellcharakter, letztlich aber kaum Einfluss auf die Prüfung der Verfassungsschutzbehörden, die nach strengen juristischen Kriterien durchgeführt werden muss. Nicht zuletzt auch deswegen, weil sonst leicht die betroffene Partei durch eine erfolgreiche Klage die Erwähnung im Verfassungsschutzbericht rückgängig machen kann. Mit der Folge: Ein positives Urteil wäre quasi ein staatliches Garantiesiegel der Verfassungsmäßigkeit. Entsprechend vorsichtig agieren die Behörden daher gemeinhin auf diesem Feld. Freilich wurde die Debatte um eine Beobachtung auch schon immer genutzt, um politische Gegner zu stigmatisieren – und zwar sowohl von links wie auch von rechts: Ein klassisches Beispiel dafür ist die Debatte um die konservative Zeitung „Junge Freiheit“ Ende der 90er Jahre. Diese wurde im Verfassungsschutzbericht in NRW als vermeintlich rechtsextreme Publikation erwähnt, die Zeitung klagte und 2006 stellte das Bundesverfassungsgericht schließlich fest, dass diese Erwähnung eine Einschränkung der Pressefreiheit dargestellt habe. Die Gefahr der politischen Instrumentalisierung des Verfassungsschutzberichtes hängt mit der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit zusammen, die ihm in der Regel zuteil wird. In keinem anderen europäischen Land werden in dieser Weise nachrichtendienstliche Erkenntnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Entsprechend groß ist die Wirkung, wenn dort Personen oder Organisationen aufgeführt werden. Dabei gibt es unterschiedliche Formen: Etwa den sogenannten „Prüffall“. Er liegt im Moment bei der „Identitären Bewegung“ vor. Es wird also geprüft, ob sie verfassungsfeindlich ist, ein endgültiges Ergebnis liegt noch nicht vor.

Was die AfD betrifft, kann sich Uwe Backes, Leiter des Hannah-Arendt-Institutes in Dresden, vorstellen, dass es zur Beobachtung sogenannter „Substrukturen“ kommen könnte. Also etwa des sogenannten „Höcke-Flügels“, der nach Schätzungen von Experten etwa ein Drittel der Parteimitglieder ausmache. Ähnlich werde, so Backes gegenüber dieser Zeitung, auch im Falle der Linkspartei verfahren, wo eben nicht die gesamte Partei, sondern nur bestimmte Gruppen beobachtet würden.

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