Am 23. März 2010 war der damals 18-jährige Salvatore Palumbo aus dem kalabrischen Ort Acri mit dem Quad unterwegs, als er auf einer abfallenden Straße die Kontrolle über das Gefährt verlor und gegen einen Telefonmast prallte. Mit einer schweren Schädelfraktur wurde er in das Krankenhaus von Cosenza eingeliefert, wo er ins Koma fiel. Im Schädel klaffte eine zwei Zentimeter große Lücke, das Kleinhirn war an mehreren Stellen geschädigt. Die Verletzung war inoperabel; die Ärzte rechneten mit dem sicheren Tod des jungen Mannes. Als letzte Hoffnung erbat Salvatores Mutter von den Kapuzinern ihrer Heimatstadt eine Reliquie des seligen Angelo, dessen Grab sich in Acri befindet. Sie bekam das Zingulum vom Gewand des Seligen und legte es unter das Kopfkissen ihres Sohnes. Kurz darauf geschah ein Wunder: Der junge Mann erwachte aus dem Koma und wurde ohne weitere Eingriffe und ohne Medikamente wieder völlig gesund. Später sagte er aus, dass der selige Angelo ihm noch im Koma erschienen sei und ihm prophezeit habe, dass alles gut würde. Auf der Grundlage dieses Heilungswunders sprach Papst Franziskus den Kapuziner am 15. Oktober 2017 heilig.
Holpriger Start ins Ordensleben
Luca Antonio Falcone, so der bürgerliche Name des Heiligen, wurde am 19. Oktober 1669 in Acri geboren. Er besuchte den Katechismus-Unterricht bei den Kapuzinern, in deren Orden er sich schon früh berufen fühlte. Der Start in das Ordensleben gestaltete sich jedoch sehr holprig. Ein mit 19 Jahren begonnenes Noviziat brach er nach kurzer Zeit ab, da er plötzlich den Wunsch verspürte, eine eigene Familie zu gründen. Ein zweiter Versuch endete ebenfalls mit dem Austritt, da er sich dem Ordensleben nicht gewachsen sah. Erst beim dritten Anlauf blieb er seiner Berufung als Kapuziner treu: Er bekam das Ordensgewand und den Namen „Angelo“, legte die Gelübde ab, absolvierte philosophische und theologische Studien und wurde am 10. April 1700, mit 31 Jahren, zum Priester geweiht. Schon bald wurden ihm verantwortungsvolle Ämter anvertraut. Aufgrund seiner konzilianten Form der Amtsführung bekam er den Beinamen „Angelo della pace“ (Friedensengel).
Einen weiteren Beinamen erhielt er im Laufe seiner langen Predigttätigkeit, die ihn in ganz Süditalien bekannt machte: „Apostel des Südens“. Auch hier endete der Einstieg zunächst in einem Fiasko: Unter dem Einfluss der damals üblichen Barockpredigten machte er sich daran, eine kunstvolle Predigt auszuarbeiten, schwülstig und voller rhetorischer Figuren, wie es dem Geschmack seiner Zeit entsprach. Er lernte sie auswendig und stieg voller Eifer auf die Kanzel, um sie der Gemeinde mit Inbrunst vorzutragen – als er plötzlich den Faden verlor und nicht mehr weiterwusste. Tief beschämt stieg er von der Kanzel herab und schwor sich, nie wieder einen solchen Versuch zu unternehmen.
Verständlicher Prediger
Er änderte von diesem Augenblick an radikal seinen Stil, hielt einfache Predigten und achtete darauf, dass sie vor allem für das Volk verständlich waren. Dies machte ihn zu einem sehr beliebten und gesuchten Prediger. Wenn er durch die süditalienischen Dörfer zog, um zu predigen, „blieben nicht einmal die Katzen zuhause“, wie es im Volksmund über Pater Angelo von Acri hieß. Dass er von Intellektuellen wegen seines schnörkellosen Stils verachtet wurde, kümmerte den Kapuziner wenig. Wichtig war ihm, das Herz der einfachen Menschen zu erreichen.
Ebenso legte er Wert darauf, seinen Zuhörern die Möglichkeit zur Beichte zu geben, und verbrachte auf seinen Missionsreisen zahllose Stunden im Beichtstuhl.
Kapuzinerinnen-Konvent in seiner Heimatstadt
Am 1. Juni 1726 eröffnete er einen von ihm geplanten Kapuzinerinnen-Konvent in seiner Heimatstadt Acri. Er diente in seinem Orden als Novizenmeister, Guardian verschiedener Klöster, Provinzoberer und zuletzt ab 1735 als General-Visitator. Nach fast 40-jähriger unermüdlicher Predigttätigkeit im Süden von Italien starb Angelo d´Acri am 30. Oktober 1739 im Alter von 70 Jahren. 1825 wurde er von Papst Leo XII. seliggesprochen. Die 1898 eingeweihte Basilika „Sant´Angelo d´Acri“, in der sich bis heute seine sterblichen Überreste befinden, gilt als eines der beeindruckendsten Beispiele franziskanischer Baukunst in Kalabrien.
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.