Beirut (DT/DPA/KAP/KNA) Der zurückgetretene libanesische Ministerpräsident Saad Hariri wird nach Worten des maronitischen Patriarchen Kardinal Bechara Boutros Rai schnellstmöglich in den Libanon zurückkehren. Nach einem Treffen mit Hariri in der saudischen Hauptstadt Riad äußerte sich der Kardinal überzeugt von dessen Rücktrittsgründen, wie die staatliche libanesische Nachrichtenagentur NNA berichtet hat. Bei seinem zweitägigen Saudi-Arabien-Besuch war Rai vor allem auch mit König Salman und Kronprinz Mohammed bin Salman zusammengetroffen.
Hariri sei bereit, seinen Rücktritt zu überdenken und dem Volk weiter zu dienen, so Rai laut NNA. Er müsse nun mit dem libanesischen Staatspräsidenten Aoun, dem Parlamentssprecher und der politischen Führung über die Gründe seines Rücktritts sprechen.
Kardinal Rai lobte ferner den herzlichen Empfang in Saudi-Arabien. „Nichts kann die libanesisch-saudischen Beziehungen schädigen, und das haben wir heute vom saudischen König, Kronprinz und Prinz Banddar gehört. Sie alle pflegen ihre Liebe und Unterstützung für den Libanon“, so Kardinal Rai.
Die von dem Ex-Premier Hariri geführte libanesische „Zukunftsbewegung“ begrüßte laut NNA Rais Besuch in Saudi-Arabien. Er zeige den Wunsch aller Libanesen, die engen Beziehungen zu den arabischen Staaten zu stärken.
Rai besuchte als erster christlicher Kirchenführer seit Jahrzehnten das wahhabitische Königreich. Die Einladung Riads an das Oberhaupt der mit Rom unierten maronitischen Kirche war offiziell bereits am 1. November, kurz vor dem Rücktritt von Ministerpräsident Hariri, ausgesprochen worden. Einer 2013 vom damaligen König Abdullah (1924–2015) ausgesprochenen Einladung nach Riad hatte Rai nach eigenen Angaben zunächst wegen seiner Teilnahme am Konklave zur Papstwahl nicht folgen können; später hätte die politische Lage im Libanon den Besuch verhindert.
Rai hat, bevor er zu dem vor dem Zusammentreffen mit dem Kronprinzen aufgebrochen ist, die besondere Bedeutung des Libanons für das Verhältnis zwischen Christen und Muslimenhervorgehoben. „In drei Jahren feiern wir den 100. Geburtstag des Libanon“, so Rai. Die lange Geschichte der Koexistenz beider Religionen sei auch eine Garantie für die Zukunft des Landes, sagte der Patriarch bei einem Empfang in der libanesischen Botschaft in der saudischen Hauptstadt Riad, wie die staatliche libanesische Nachrichtenagentur „NNA“ berichtete. Rai war am Montag zu einem mit Spannung erwarteten Besuch nach Riad gereist. Rai dankte Saudi-Arabien laut dem Bericht für seine Unterstützung in „den schwierigsten politischen, wirtschaftlichen und sicherheitsrelevanten Umständen“ und betonte, der Libanon werde die Freundschaft zwischen beiden Ländern aufrechterhalten. Saudi-Arabien habe den Libanesen „seine Türen, seine Arme und seine Herzen“ geöffnet, so Rai zu der libanesischen Diaspora in dem Königreich. Der Libanon sei „ein Mosaik“, in dem „jeder Mensch respektiert wird, unabhängig von seiner Kultur, Glauben oder Tradition“, betonte der Kardinal. Das Land pflege eine Kultur der Offenheit, Solidarität, Toleranz und der Integration.
Im Anschluss an den Besuch reiste der Kardinal laut Patriarchatsangaben am Dienstagabend weiter nach Rom. Dort will er an längerfristig anberaumten Sitzungen vatikanischer Kurienbehörden teilnehmen.
Derweil hat der libanesische Staatspräsident Michel Aoun mitgeteilt, dass seiner Ansicht nach der ehemalige Ministerpräsident Hariri gegen seinen Willen in Saudi-Arabien festgehalten wird. „Es gibt nichts, das Ministerpräsident Saad Hariris ausbleibende Rückkehr nach zwölf Tagen rechtfertigt, deshalb gehen wir davon aus, dass er festgenommen wurde und gefangen gehalten wird“, sagte Aoun laut der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur „NNA“ am Mittwoch. Dies verstoße gegen die Wiener Konvention und die Menschenrechtscharta. Es sei unmöglich, über einen vom Ausland aus angekündigten Rücktritt zu entscheiden, so Aoun laut NNA weiter. Hariri müsse in den Libanon zurückkehren, um entweder seinen Rücktritt einzureichen oder diesen zurückzuziehen und die Gründe zu besprechen.
In Deutschland wird vor dem Hintergrund des Konflikts neu über die Bündnisverpflichtungen gegenüber Saudi-Arabien diskutiert. Im Zuge einer Anfrage des Linken-Bundestagsabgeordneten Stefan Liebich hatte das Bundeswirtschaftsministerium mitgeteilt, dass für das dritte Quartal 2017 Waffenexporte im Wert von 148 Millionen Euro nach Saudi-Arabien genehmigt worden seien. 2016 sind insgesamt Ausfuhren in Höhe von 530 Millionen Euro genehmigt worden. Auch Russland exportiert Waffen in den Golf-Staat: Ein Flugabwehrsystem vom Typ S-400 ist nach Saudi-Arabien verkauft worden, wie gestern ein Sprecher der Moskauer Behörde für militärische Zusammenarbeit mitgeteilt hat.