Politik

Gastkommentar: Sicherheit für jüdisches Leben

Nur wenige Objekte sind so unverkennbar jüdisch wie die traditionelle männliche Kopfbedeckung Kippa. Nicht erst seit Aktionen wie „Berlin trägt Kippa“ 2018 gilt sie als ein Symbol des Judentums. Dass die Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft jederzeit und überall in der Lage sein sollten, dieses Zeichen ihres Glaubens offen zeigen zu können, ist breiter Konsens.

Allein, die Wirklichkeit hält mit der gesellschaftlichen Übereinkunft nicht Schritt. Darauf hat am vergangenen Wochenende erneut der Beauftragte der Bundesregierung für den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, hingewiesen. In einem Zeitungsinterview erklärte er, er könne Juden „nicht empfehlen, jederzeit überall in Deutschland die Kippa zu tragen“, und steckte dafür viel Kritik ein; von „Offenbarungseid“ und „Kapitulation“ war die Rede. Auch wenn man von einem Beauftragten der Bundesregierung eine präzisere Äußerung erwarten darf: Ganz unrecht hatte Klein mit seiner Analyse nicht. Die Stimmung innerhalb der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland ist heute angespannt, die Zunahme des Antisemitismus, gefühlt wie belegt, ist aktenkundig. Wer als jüdischer Mensch hierzulande aufgewachsen ist, der weiß, dass man sich in manchen Situationen besser nicht als jüdisch zu erkennen gibt.

Das so zu benennen ist kein Fehler. Doch dürfen Staat und Gesellschaft nicht nur achselzuckend zusehen, wenn die Verunsicherung jüdischer Menschen immer weiter anwächst. Vielmehr gilt es, dem Judenhass in unserem Land die sozialen und gesetzlichen Rückzugsräume zu nehmen. Von den Staatsanwaltschaften über den eigenen Arbeitsplatz bis in die sozialen Medien muss Antisemitismus konsequent bekämpft werden, um Sicherheit für jüdisches Leben wiederherzustellen. Erst wenn jüdische Menschen nicht mehr abwägen müssen, ob sie ihr Jüdischsein besser verheimlichen sollten, können wir die Normalität erreichen, die eigentlich längst Realität sein sollte.

Die Autorin ist Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern.

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