Wieviel Politik verträgt die Kirche? Und wieviel Politik vertragen deren Gläubige? Die Kirche darf sich nicht nur, sie sollte sich sogar bei wichtigen politischen Themen klar positionieren. In der ehemaligen DDR haben die Kirchen im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit eine ganz entscheidende Rolle gespielt und auch bei Fragen des Lebensschutzes, gleich ob beim Schutz des ungeborenen Lebens oder beim Schutz der Menschen am Ende ihres irdischen Weges, haben sich die Kirchen schon immer in den politischen Debatten stark engagiert.
Bei den letztgenannten Themen haben ihnen die Medien allerdings, wenn überhaupt, bestenfalls mit einem halben Ohr zugehört. Das ist jetzt beim Thema Flüchtlingspolitik ganz anders. Da wird begierig jeder Satz aufgegriffen, liegt doch die Kirche mit ihrer Haltung ganz auf der Linie der meisten etablierten Medien. Da es an deren Berichterstattung und Kommentaren häufig Kritik gibt, freut man sich sogar über Verlautbarungen der Kirche, auch wenn man der ansonsten eher kritisch gegenübersteht. Aber! Wenn sich die Kirche in dieser Form engagiert, wenn sie sich bewusst in den politischen Meinungskampf begibt, dann muss sie auch Kritik aushalten. Dann muss sie auch unangenehme Fragen beantworten. Zum Beispiel warum sie – wenn überhaupt – allenfalls in homöopathischen Dosen auf die Risiken und Nebenwirkungen einer Politik der offenen Grenzen hinweist und warum Kritiker dieser Politik reflexartig in die inhumane Ecke gestellt werden, nur weil sie nicht bereit sind, die Sicherheitsrisiken dieser Politik zu verschweigen, auch wenn das politisch korrekt wäre.
Und es soll ja auch nicht wenige Gläubige geben, die nicht auch noch in einem Gottesdienst politisch bekehrt oder gar parteipolitisch beeinflusst werden wollen. So nach dem Motto: „Lieber Herr Pastor, welche Partei ich wählen soll oder nicht, das müssen Sie mir nicht erklären, das weiß ich selber.“ Für mich ganz persönlich gilt: In der Predigt einer Christmette möchte ich etwas über die Geburt Jesu Christi hören und nicht über die Torheiten eines Donald Trump, über den BREXIT oder die Ukraine-Krise.
Der Autor gehörte bis 2017 23 Jahre lang als direkt gewählter Abgeordneter für die CDU dem Deutschen Bundestag an.