Was wir in China gerade erleben, dass Menschen für ihre Rechte in mehreren Städten des Landes auf die Straße gehen, ist mehr als bemerkenswert. Ich hätte das so nicht für möglich gehalten.
Denn die Macht der Kommunistischen Partei basiert auf zwei zentralen Säulen: Dem Versprechen des wirtschaftlichen Aufstiegs und der totalen Überwachung der Gesellschaft. Mit der No-Covid-Politik der Regierung, die aufs engste mit dem Präsidenten Xi Jinping verbunden ist, hat die staatliche Kontrolle aller Lebensbereiche noch einmal zugenommen.
Die Chinesen sind in einer Endlosschleife gefangen
Während sich die restliche Welt nach Jahren der Corona-Entbehrungen öffnet, sehen sich die Chinesen in einer Endlosschleife gefangen. Darunter leider die Wirtschaft - zentrales Legitimationsfeld der Kommunistischen Partei. Ihrer wirtschaftlichen Unzufriedenheit macht die Mittelschicht nun in den Städten Luft. Aber das wirklich Erstaunliche dabei: Die Forderungen gehen noch weiter. Im Zentrum der Proteste steht der Ruf nach fundamentalen Freiheitsrechten. Die Menschen sind es offensichtlich leid, den Mund verboten zu bekommen und keine echte demokratische Wahl zu haben.
Jedem Chinesen ist völlig klar, was es in einem System wie China bedeutet, sich gegen den Präsidenten Xi Jinping aufzulehnen. Dass sie es trotzdem tun, zeugt von großem Mut und einer enormen Unzufriedenheit mit der Regierung. Wohin das führt, werden wir sehen. Aber allein, dass es solche nationalen Proteste gibt und die Menschen ihre Angst überwinden, ist ein freiheitliches Lebenszeichen der chinesischen Zivilgesellschaft.
Für Xi Jinping könnte dieses Lebenszeichen zur größten Herausforderung seiner Präsidentschaft werden, da die Proteste am Kern seiner Machtstrategie, der totalen Kontrolle der Gesellschaft, rütteln. Xi hat zwar seine Partei unterworfen, aber das Volk macht nicht mit. Es lehnt sich auf.
Der Autor ist CDU-Bundestagsabgeordneter; er gehört dem Auswärtigen Ausschuss an.
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