Anwälte der christlichen Menschenrechtsorganisation ADF International haben im Namen des von der Diktatur in Nicaragua verurteilten Bischof Rolando Álvarez eine Petition bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) eingereicht.
In einer am Donnerstag veröffentlichten Pressemitteilung betont ADF, dass Bischof Álvarez „in Nicaragua keine effektive Berufung mehr einlegen kann. Aus diesem Grund bringt ADF International den Fall nun vor die IACHR.“ Als jüngstes Beispiel für die Verfolgung der Kirche in Nicaragua wird in der Pressemitteilung erwähnt, dass am 11. September 2023 erneut ein Priester verhaftet worden sei, „weil er für Bischof Álvarez gebetet hatte.“
Unrechtmäßig verurteilt
Kristina Hjelkrem, die den Fall im Auftrag von ADF leitet und als Rechtsberaterin für Lateinamerika tätig ist, erklärt: „Bischof Álvarez wurde unrechtmäßig zu 26 Jahren Gefängnis verurteilt, einfach weil er seine Pflichten als Bischof wahrgenommen hat. In seinen Predigten verkündete er die Botschaft Christi und der Katholischen Kirche.“ Diese Verurteilung stelle eine „klare Verletzung des Menschenrechts auf freie Meinungsäußerung und des Rechts, seinen Glauben zu bekennen und als Seelsorger tätig zu sein“ dar. Für ADF International sei es eine Ehre, diesen wichtigen Fall vor die Kommission zu bringen. Sie hoffe darauf, „gemeinsam ein Ende der Christenverfolgung in Nicaragua“ zu erreichen. Kristina Hjelkrem fügt hinzu: „Die Leiden der Gläubigen in Nicaragua sollten einen Aufschrei bei allen auslösen, denen Menschenrechte am Herzen liegen.“
Bereits am 18. August hatten die Interamerikanische Menschenrechtskommission IACHR und das „Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte für Zentralamerika und die englischsprachige Karibik (OHCHR)“ in einer gemeinsamen Presseerklärung auf die „fortgesetzten Verletzungen seiner Menschenrechte“ hingewiesen. Dazu zählten der fehlende Zugang zu medizinischer Versorgung und lebenswichtigen Medikamenten, die Isolationshaft seit seiner Inhaftierung im La Modelo-Gefängnis und die Einschränkung der Besuche durch seine Familienangehörigen. Nach „fünf Jahren systematischer Menschenrechtsverletzungen“ forderten beide Organisationen die Regierung Nicaraguas auf, „von Maßnahmen gegen die Religionsfreiheit abzusehen und ihren internationalen Verpflichtungen nachzukommen, indem sie Bischof Rolando Álvarez und alle anderen Personen, die willkürlich ihrer Freiheit beraubt wurden, unverzüglich freilässt.“
Von Ortega verfolgt
Ende Juni hatte der „Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte“ bereits die sofortige Freilassung des Bischofs gefordert. Am 28. Juni ordnete der Gerichtshof an, „Bischof Rolando José Álvarez Lagos von Matagalpa unverzüglich freizulassen und die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um sein Leben, seine Gesundheit und seine körperliche Unversehrtheit wirksam zu schützen“.
Anfang Juli gab es immer wieder Spekulationen darüber, dass der Bischof aus dem Gefängnis entlassen werden könnte. Nicht bestätigten Berichten zufolge wurde er für einige Stunden freigelassen, lehnte jedoch ab, das Land zu verlassen, und wurde daraufhin erneut inhaftiert.
Bischof Rolando Álvarez von Matagalpa, der gleichzeitig als Apostolischer Administrator des Bistums Estelí in Nicaragua fungiert, wurde im August 2022 von Truppen des Ortega-Regimes verhaftet. Zunächst befand er sich unter Hausarrest. Am 10. Februar 2023 verurteilte ihn ein Gericht wegen „Hochverrats“ zu 26 Jahren und 4 Monaten Gefängnis. Die Verurteilung erfolgte einen Tag, nachdem der Bischof sich geweigert hatte, ein Flugzeug zu besteigen, das ihn und 222 andere politische Gefangene in die Vereinigten Staaten bringen sollte.
In diesem Flugzeug befand sich auch Manuel Antonio Obando Cortedano, der ehemalige Leiter der Kommunikationsabteilung von Álvarez‘ Diözese Matagalpa. In einem Interview mit dem spanischen Magazin „Vida Nueva“ Ende Juli äußerte Obando die Überzeugung, dass Papst Franziskus und der Heilige Stuhl hinter den Kulissen daran arbeiten, den in Nicaragua inhaftierten Bischof freizulassen: „Die Kirche muss nicht immer bekanntgeben oder verkünden, was sie tut. Sie wirkt oft im Verborgenen“. Obando rief dazu auf, für die baldige Freilassung von Álvarez zu beten.
Immer mehr Verhaftungen
Laut der Nachrichtenagentur „EFE“ und unter Berufung auf den „Mecanismo para el Reconocimiento de Personas Presas Políticas“ („Mechanismus für die Anerkennung politischer Gefangener“) ist die Zahl der Gegner und Kritiker der Regierung von Daniel Ortega in den Gefängnissen Nicaraguas Anfang September auf 89 gestiegen, darunter 16 Frauen und 73 Männer (einschließlich 10 politischer Gefangener, die vor 2018 inhaftiert wurden). Dies entspricht einer Steigerung von 14,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. DT/jga
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