Das Arbeitsverbot für Humanitäre Helferinnen in Afghanistan stellt die Grundprinzipien der Humanitären Hilfe massiv in Frage. Klar ist, wir als Caritas international können diesen gravierenden Einschnitt in unsere Arbeit in keiner Weise akzeptieren. Klar ist aber auch, 20 Millionen Menschen in Afghanistan sind dringend auf Hilfe angewiesen, so gut wie die gesamte Bevölkerung, um genau zu sein 97 Prozent, lebt in Armut.
Große Hilfsprojekte pausieren vorübergehend
Mit anderen Worten: Wir, wie die gesamte Humanitäre Hilfe, stecken in Afghanistan in einem Dilemma. Schweren Herzens haben wir uns entschieden, von unseren sieben großen Hilfsprojekten im Land vier vorübergehend pausieren zu lassen. Ohne die Mitarbeit unserer Kolleginnen können wir nicht sicherstellen, dass die Hilfe dort ankommt, wo sie benötigt wird. Lebensmittel an die männlich geprägten Ortschaftsräte zu übergeben und zu hoffen, dass sie die Rationen an Frauen und Kinder weitergeben, ist keine Option und birgt die Gefahr, damit die Taliban zu unterstützen. Medizinische Hilfen sind von dem Arbeitsverbot nicht betroffen, weshalb wir Menschen, die an Lepra und Tuberkulose erkrankt sind, weiterhin zur Seite stehen können.
Auch ein Mutter-Kind-Projekt läuft wie bisher weiter. Und natürlich: Unsere Kolleginnen erhalten nach wie vor ihren Lohn auf den sie und ihre Familien dringend angewiesen sind. Ein Hebel, über den die internationale Staatengemeinschaft auf die menschenverachtende Politik der Taliban Einfluss nehmen könnte, sind Devisen und der Import von wirtschaftlichen Gütern.
Dass ausgerechnet auf dem Rücken der Humanitären Hilfe und damit auf Kosten von Menschen in Not Politik betrieben wird, ist nicht hinnehmbar. Wir haben den Auftrag, Leben zu retten und menschliches Leid zu verhindern. Dem werden wir auch in Afghanistan, so gut es eben geht, noch immer gerecht.
Der Autor ist Leiter von Caritas international.
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