Leid der Tibeter

China will tibetische Kinder zwangsweise umerziehen

Es muss Bestandteil der deutschen China-Strategie sein, bedrohten Völkern zu helfen, meint der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch in einem Gastbeitrag.
Demo gegen chinesische Besetzung Tibets in Rom
Foto: IMAGO/Andrea Ronchini (www.imago-images.de) | Demo gegen chinesische Besetzung Tibets in Rom: Von einer Bundesregierung könne man erwarten, "dass sie klarmacht, dass es normale Beziehungen nur mit Regierungen gibt, die nicht ganze Völker aussterben lassen", so ...

Lange war die Frage der Menschenrechte in China für Europäer eng mit der Frage des Schicksals des tibetischen Volkes verbunden. Dieses Thema ist aktuell nicht mehr ganz oben im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Die verfolgte muslimische Minderheit der Uiguren-Region Xinjiang findet derzeit mehr Beachtung. Beide Völker stehen für das Leid von Unterdrückung und kultureller Vernichtung. Aber es gibt keinen Grund, das Schicksal der Tibeter aus den Augen zu verlieren. Auch wenn der Dalai Lama bedingt durch sein hohes Alter nicht mehr so öffentlichkeitswirksam in den Metropolen des Westens auftritt, sein Volk wird weiter planmäßig seiner kulturellen Identität beraubt.

800.000 Kinder zwangsweise von Eltern getrennt

In diesen Tagen haben UNO-Experten einen Bericht nach Peking und in die Welt gesandt, der die menschenverachtende Unerhörtheit des Vorgehens zeigt. Rund 800.000 tibetische Kinder (das sind ca. 80 Prozent aller Schüler) werden zwangsweise von ihren Eltern getrennt, in Internate gezwungen und sollen zu Chinesen umerzogen werden. „Infolgedessen verlieren die tibetischen Kinder den Umgang mit ihrer Muttersprache und die Fähigkeit, sich mit ihren Eltern und Großeltern in der tibetischen Sprache zu verständigen“, schreiben die UNO-Gutachter.

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Das ist nicht alles. Tibet darf in China nicht  mehr „Tibet“ genannt werden und heißt jetzt „Xizang“. Millionen Tibeter werden zu Gen-Tests und Iris-Scans gezwungen, das Volk katalogisiert. Einer der Gründe meines Engagements für die Rechte der Tibeter war immer deren Gewaltlosigkeit. Wir erleben gerade ganz hautnah die Rückkehr brutaler Kriege.

Es muss Bestandteil der deutschen China-Strategie sein, den bedrohten Völkern zu helfen. Am 6.Juli wird der Dalai Lama 88 Jahre alt. Auch wenn der Geburtstag sicher nicht mehr Schlagzeilen wie sein 70. oder 80. machen wird -  von einer Bundesregierung kann man erwarten, dass sie klarmacht, dass es normale Beziehungen nur mit Regierungen gibt, die nicht ganze Völker aussterben lassen.


Der Autor war von 1999 bis 2010 Ministerpräsident von Hessen

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