Bioethik

§ 218 StGB, Eizellspende, Leihmutterschaft

Die Regierung beruft 18 Experten in die Kommission „Reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ – Ende März sollen die ihre Arbeit aufnehmen.
Unterzeichnung Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP
Foto: Michael Kappeler (dpa) | Ein Blick auf die Unterschriften der Spitzenvertreter der Ampel-Parteien mit der Unterschrift von Olaf Scholz (oben, SPD), designierter Bundeskanzler, bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages von SPD, Grünen ...

Was lange währt, wird endlich gut“, weiß der Volksmund. Ob das auch für die Kommission gilt, auf deren Errichtung sich SPD, Bündnis 90 /Die Grünen und FDP bereits in ihrem Koalitionsantrag verständigt hatten, muss sich erst noch zeigen. Möglich ist auch, dass die Kommission, die auf den Namen „Reproduktive Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“ hört, unter jene Ausnahmen fällt, die die Regel bestätigen. Doch dazu später mehr. In Stein gemeißelt ist bislang nur: Die Mitglieder, die der Kommission angehören werden, stehen mittlerweile fest. 18 an der Zahl, sollen sie, so will es der Koalitionsvertrag, zwei Sachverhalte prüfen. Nämlich einmal, ob die Durchführung vorgeburtlicher Kindstötungen auch außerhalb des Strafgesetzbuchs geregelt werden kann. Zum anderen, ob Eizellspende und Leihmutterschaft, die in Deutschland bislang jeweils verboten sind, künftig erlaubt werden könnten, und falls ja, wie. Wie eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums dieser Zeitung auf Anfrage mitteilte, werde die „Kommission voraussichtlich Ende März ihre Arbeit aufnehmen“.

Was also qualifiziert die in die Kommission Berufenen?

Die beiden Prüfaufträge, mit denen die Ampelregierung, die wie ihre Vorgänger, durchgängig euphemistisch von Schwangerschaftsabbrüchen spricht, bereiten nicht wenigen Katholiken Sorgen. Betreffen sie doch Fragen, die ihnen unter den Nägeln brennen. Und da Selektion, wie Journalisten wissen, die erste Kommentierung ist, kann es auch nicht verwundern, wenn sie die Berufenen nun näher unter die Lupe nehmen. Da es sich auf beiden Themenfeldern erklärtermaßen um rechtliche Fragen handelt, wundert es keinesfalls, dass zehn der 18 Kommissionsmitglieder Juristen sind.

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Gleiches gilt für den auf dem Kurznachrichtendienst „Twitter“ geradezu postpubertär gefeierten Umstand, dass 15 der 18 Kommissionsmitglieder Frauen sind. Schade nur, dass die dort zur Schau gestellte Solidarität mit dem eigenen Geschlecht versagt, sobald es um die vorgeburtliche Kindstötung von Mädchen geht, die gut die Hälfte aller Abtreibungen ausmachen dürfte, die hierzulande vorgenommen werden. Was also qualifiziert die in die Kommission Berufenen? Die Frage lässt sich nicht für jeden gleichermaßen beantworten. Andere haben sich in den zur Rede stehenden Themen jedoch bereits hinreichend deutlich positioniert.

Vielfältige Maßnahmen zur Förderung von Abtreibungen

Die Fuldaer Gesundheitswissenschaftlerin Daphne Hahn etwa war viele Jahre auch Vorsitzende des Bundesverbands „Pro Familia“, der sich für die Streichung des § 218  aus dem Strafgesetzbuch stark macht und neben Schwangerenkonfliktberatungsstellungen auch Ambulanzen unterhält, in denen Abtreibungen vorgenommen werden, mitunter sogar unter demselben Dach. Ein Schelm, wer böse dabei denkt. Die Postdamer Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf verfasste im August 2020 im Auftrag des Instituts für Weltanschauungsfragen (iwf), das gewissermaßen eine Ausgründung der gut betuchten „Giordano Bruno-Stiftung“ (gbs) darstellt, ein Rechtsgutachten mit dem Titel „Der Fall Hänel“. In ihm kam sie zu dem Ergebnis, dass Werbeverbot für Abtreibungen (§ 219a StGB) sei verfassungswidrig.

Mit der hannoverschen Sozialrechtlerin Maria Wersig wurde zugleich die Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbunds e.V. in die Kommission berufen. Der hatte am 8. Dezember ein 19-seitiges Positionspapier mit dem Titel „Neues Regelungsmodell für den Schwangerschaftsabbruch“ veröffentlicht. Dessen Inhalt ist so umfangreich, wie schmutzig: Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch; Zulassung vorgeburtlicher Kindstötungen bis zur 25. Schwangerschaftswoche; Übernahme sämtlicher Kosten durch die Solidargemeinschaft der Krankenversicherten; Verpflichtung von Krankenhäusern und Kliniken, Abtreibungen anzubieten – andernfalls Ausschluss aus der Bedarfsplanung der Bundesländer; Bereitschaft zur Tötung unschuldiger und wehrloser Menschen im Mutterleib als Einstellungsvoraussetzung für medizinisches Personal; Aufnahme der Durchführung vorgeburtlicher Kindstötungen in die Studienpläne medizinischer Fakultäten.

Mitglied des Ehtikrats setzt sich für Selbsttötung ein

Ähnlich radikal sind auch die Positionen, die der Mannheimer Medizinrechtler Jochen Taupitz bislang öffentlich vertrat. Acht Jahre lang war der langjährige Geschäftsführende Direktor des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Medizinethik (IMGB) Mitglied des Deutschen Ethikrats. Vier davon als Stellvertretender Vorsitzender. In dem Expertengremium, das Regierung und Parlament in ethischen Fragen beraten soll, sind auch die Kirchen vertreten.

Wer Taupitz in den Kontroversen der Vergangenheit dort suchte, fand ihn zuverlässig auf der anderen Seite. Oft in führender Funktion. Dabei begnügte sich der so einflussreiche wie umtriebige Medizinrechtler nicht mit der Rolle des Experten, der aktuelle Entwicklungen einordnet und kommentiert und der Politik bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite steht. Immer öfter suchte er die Politik auch zum Jagen zu tragen. In der nun wieder aufgeflammten Debatte um die Beihilfe zur Selbsttötung etwa legte er 2014 zusammen mit drei anderen Hochschullehrern einen Gesetzentwurf vor, der Ärzten die Suizidassistenz gestattet sollte.

Nun soll das Embryonenschutzgesetz abgeschafft werden

Nach Ansicht des Geschäftsführenden Vorstands der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hätte der Gesetzentwurf die „Suizidhilfe zum Regelangebot des Arztes“ gemacht und Deutschland „den zertifizierten Mediziner für Selbsttötung“ beschert. Dass es am Ende anders kam, hat damals viele überrascht. Üblicherweise, so der Tenor, setze sich Taupitz durch. Inzwischen verfolgt der Jurist ein neues Projekt. Das Embryonenschutzgesetz muss weg.

2019 erarbeite eine Arbeitsgruppe eine Stellungnahme im Namen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaft. Ihr Sprecher: Taupitz. Das Gutachten trägt den Titel „Fortpflanzungsmedizin in Deutschland – für eine zeitgemäße Gesetzgebung“. Auf gut 120 Seiten erheben Taupitz und seine Co-Autoren darin zahlreiche Forderungen, die in Summe dazu angetan sind, den Embryonenschutz in Deutschland bis auf die Grundmauern zu schleifen.

Ein Drittel der Kommissionsmitglieder haben sich klar postiert - gegen das Leben

Für die Ermöglichung der Eizellspende macht sich zumindest auch die Göttinger Medizinethikerin Claudia Wiesemann stark. Die Direktorin des „Instituts für Ethik und Geschichte der Medizin an der Universitätsmedizin Göttingen“ gehörte ebenfalls acht Jahre lang dem Deutschen Ethikrat an. 2021 wurde sie zum Mitglied der Leopoldina gewählt. Für die Ermöglichung der Leihmutterschaft tritt, wenn auch unter Auflagen, die Mainzer Rechtsphilosophin Friederike Wapler ein. Damit hat sich immerhin ein Drittel der Kommissionsmitglieder in den zur Rede stehenden Fragen bereits klar postiert.

Berufen wurden ferner die Jura-Professorinnen Susanne Lilian Gössl (Bonn), Ute Sacksofsky (Frankfurt), Paulina Starski (Freiburg), Bettina Weißer (Köln), Liane Wörner (Konstanz) sowie der Familienrechtler Tobias Helms (Marburg). Mit von der Partie sind auch die Sexualwissenschaftlerin Maika Böhm (Merseburg), die Reproduktionsmedizinerin Katharina Hancke (Ulm), der Psychologe Bernhard Strauß (Jena) die Perinatalmedizinerin Stephanie Wallwiener (Heidelberg) sowie die Humangenetikerin Sigrid Graumann und die Medizinethikerin Christiane Woopen (Bonn). Wie sie sich positionieren werden, dürfte weniger vorhersehbar und insofern tatsächlich spannend werden.

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