„Enhancement“ – ein neues Zauberwort geht durch die Medien, aber nicht nur durch diese. Das Thema beschäftigt Mediziner genauso wie Ökonomen, die sich davon Profit und rentable Geschäfte erhoffen. Der Markt boomt. Anti-Aging Produkte florieren ebenso wie Schönheitsoperationen oder die Abgabe von Medikamenten, die die Hirnleistung zum Beispiel für Examensabsolventinnen und -absolventen fördern sollen. Es wird „enhanced“! To enhance heißt: steigern, aufwerten, erhöhen. Den menschlichen Schwächen und Unzulänglichkeiten muss nachgeholfen werden.
Die Menschen in der heutigen beschleunigten Gesellschaft stehen unter enormen Druck. Sie müssen immer schneller, effizienter und leistungsfähiger werden. Der Mensch muss in der modernen Arbeitsgesellschaft funktionieren und dabei auch noch eine gute Figur machen. Älter werden ist nur hinderlich und sollte solange wie möglich verzögert werden. Leistungsschwächen haben keinen Platz.
„Ist Menschsein nur
noch ein Funktionieren müssen in der
Leistungsgesellschaft?“
Die Möglichkeiten wachsen, medizinische Interventionen nicht nur zur Vermeidung und Behandlung von Krankheiten einzusetzen, sondern auch zur Steigerung und Verbesserung normal ausgeprägter Eigenschaften und Fähigkeiten. Das heißt, es werden nicht nur kranke Menschen behandelt, sondern mehr und mehr auch Gesunde. Unter „Human Enhancement“ versteht man eine medizinische Tätigkeit, die das Ziel hat, den gesunden Menschen zu perfektionieren, die Funktion seines normalen gesunden Körpers und seiner Organe zu verbessern und zu steigern. Dabei ändern sich auch die ärztliche Tätigkeit und das ärztliche Selbstverständnis. Bis dato sollte der Arzt menschliches Leben schützen, Gesundheit fördern und erhalten und vor allem Krankheiten behandeln und Leiden lindern. Durch „Enhancement“ entsteht eine Medizin der persönlichen Wunschvorstellungen. Wünsche, wie bessere Examensnoten, glatte Haut bis ins hohe Alter oder auch ein größeres Kind durch Steigerung der Wachstumshormone, können vermeintlich erfüllt werden.
Diese Möglichkeiten führen zu äußerst schwierigen anthropologischen, ethischen, politischen und ökonomischen Debatten. Die Grundsatzfragen lauten: Welche Vorstellungen vom Menschsein leiten diese Debatte? Ist Menschsein nur noch ein Funktionieren müssen in der Leistungsgesellschaft? Müssen alle Menschen „perfekt“ und „vollkommen“ sein? Müssen wir immer schneller, effizienter und besser werden? – was man auch immer damit verbindet.
Ist der Mensch nicht mehr als seine Leistung, als eine funktionierende Maschine, die man verbessern kann, deren Einzelteile optimiert werden müssen? Gerade die Vorstellung, dass der menschliche Körper einer Maschine ähnelt, dominiert in der modernen Medizin und legitimiert durchaus die Möglichkeit des „Enhancements“, denn die Maschine sollte nicht nur funktionieren, sondern verbessert werden.
Ist der Mensch nicht viel mehr als das Funktionieren seines Körpers und die Leistung seines Gehirns? Hat er nicht eine Würde? Eine Menschenwürde, die gerade nicht vom Gesundheitszustand oder Behinderungsgrad abhängt, eine Würde, die ihm zukommt, auch wenn er nicht funktioniert, wenn er nicht „perfekt“ ist, wenn er nicht kreativ und leistungsfähig ist? Eine Würde – auch wenn er keinen Nutzen für die Leistungsgesellschaft bringt?
Der Diskurs um die Menschenwürde muss meines Erachtens gerade in diesem Zusammenhang geführt werden. Gehört es nicht zur Menschenwürde, in „Würde“ zu altern und nicht allen Anforderungen der Gesellschaft zu entsprechen? In der theologischen Tradition spricht man von der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Der Mensch ist von Gott nach seinem Bilde geschaffen, mit all seinen Fähigkeiten und Talenten, aber auch mit seinen Eigenheiten und Schwächen. Das macht ihn einzigartig. Als Gottes Ebenbild muss der Mensch nicht perfektioniert und verbessert werden. Er ist von Gott gewollt und angenommen, so wie er oder sie ist. Der Mensch als Gottes Ebenbild hat den Auftrag, mit seinen Talenten und Fähigkeiten sein Leben und die Gesellschaft zu gestalten. Er muss sich nicht künstlich verbessern und seine Leistung steigern. Er ist kreativ, leistungsfähig und einmalig, so wie er ist.
Die Autorin ist Juniorprofessorin für Christliche Gesellschaftswissenschaften und Sozialethik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV)