Seit Montag ist sie turnusgemäß für zehn Tage zu Wartungszwecken abgeschaltet: Die Gaspipeline Nord Stream 1, über die Deutschland von Russland aus mit Erdgas aus Wladimir Putins Reich beliefert wird. Doch was in normalen Zeiten als reine Routineangelegenheit betrachtet werden würde, die ansonsten kaum der Erwähnung wert wäre, treibt nunmehr hierzulande sowohl den Entscheidern in Politik und Wirtschaft als auch zahlreichen Normalbürgern und Verbrauchern den Angstschweiß auf die Stirn: Denn falls Russland als Retourkutsche zu Deutschlands Positionierung auf Seiten der Ukraine bezüglich des von Putin angezettelten völkerrechtswidrigen Angriffskriegs sich dazu entschließen sollte, der Bundesrepublik auch nach dem 21. Juli, an dem eigentlich wieder russisches Gas durch die Pipeline gen Westen fließen soll, eben dieses vorzuenthalten, dann haben der Wirtschaftsstandort Deutschland und Millionen von Menschen ein sehr großes Problem.
Ungewisses energiepolitisches Schicksal
Doch egal, ob es am 21. Juli nun tatsächlich zum befürchteten Gas-Stopp vonseiten Russlands kommt oder die Belieferung wie geplant wieder anspringen wird: Im Kreml freut man sich nicht nur heimlich darüber, das in Energiefragen zutiefst von Russland abhängige Deutschland im Ungewissen über sein energiepolitisches Schicksal zu lassen. „Strategische Ambiguität“ nennt man dieses Vorgehen – eine Verhaltensweise, die normalerweise Bundeskanzler Olaf Scholz für sich in Anspruch nimmt.
Klar ist: Falls der „Worst Case“ des Lieferstopps eintreten sollte, dann würde kaum eine wirtschaftspolitische Gewissheit mehr Bestand haben. Denn über viele energieabhängige Unternehmen müsste dann ein Rettungsschirm gespannt werden, sowohl die Kohle- als auch die Atomkraftwerke länger am Netz bleiben und auch einheimisches Fracking dürfte dann kein Tabu mehr sein. Alles, was hilft, zählt.
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