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Autoland ist noch nicht abgebrannt

Impressionen von der Internationalen Automobil-Ausstellung: Die chinesische Konkurrenz macht Druck, aber die deutsche Automobilindustrie gibt sich selbstbewusst.
Automesse IAA - Besuch Wirtschaftsminister
Foto: dpa | Kuckuck, ist da die Zukunft zu sehen? Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck schaut bei der IAA bei einem ausgestellten Model durch das Fenster.

Das Land der Autobauer, der PKW-Schmieden, die jahrzehntelang in aller Welt starke Umsätze generierten, droht ins Abseits zu geraten. Gerade im E-Mobil-Sektor drängt die Konkurrenz aus China mit Macht auf den Markt. Das ist eines der Ergebnisse der IAA mobility, der Fachmesse, bei der es im September in München um die Mobilität der Zukunft ging. „Die Bilder, die in den letzten Tagen aus München in die Welt gesendet wurden, zeigen, dass wir mit Zuversicht in die Zukunft blicken können und dass die deutsche Automobilindustrie ihre Mission – mit Innovationen und Leidenschaft die Menschen für ihre Konzepte und Lösungsansätze zu begeistern – mit voller Kraft angeht“, zeigt sich die Präsidentin des Verbandes der deutschen Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, dennoch optimistisch. Deutschland sei entschlossen, auch in Zukunft Autoland im Sinne des Klimas, der Menschen und des Wohlstands zu bleiben.

Diesen Bestrebungen möchten die chinesischen Autobauer gerne ihre Innovationen auf dem E-Mobil-Sektor entgegenhalten. BYD, das steht für „build your dreams“, so heißt der führende Hersteller von Elektroautos in China. Und es scheinen keine Träume aus dem Wolkenkuckucksheim zu sein, die er dem interessierten Publikum in München verkündet. Wang Chuanfu, so heißt der CEO des Unternehmens, der echte Visionen und konkrete Pläne benennt. So will sein Unternehmen Medienberichten zufolge einen Plan für eine erste Produktionsbasis in Europa bis zum Jahresende bekannt geben. „Wir meinen es ernst mit unserer Expansion nach Europa“, zitiert die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) den Automobilchef. Ob das Engagement wie beim Mitbewerber Tesla von einem deutschen Standort aus erfolgen wird, oder ob ein Werk in Osteuropa errichtet wird, scheint noch in der Schwebe zu sein. Klar ist jedoch eins: Die Chinesen wollen die Präsenz ihrer Fahrzeuge auf europäischen Straßen in naher Zukunft massiv ausbauen. Technisch scheint der Konzern dafür gerüstet. Er baut nämlich nicht nur Autos, sondern ist auch noch einer der größten Batteriezellenhersteller der Welt. Der Hype um seine Fahrzeuge ist auf dem chinesischen Markt jedenfalls massiv. BYD erzielt Wachstumsraten, von denen europäische Hersteller derzeit nur träumen können. Gegenüber dem Vorjahr hat der Fahrzeuggigant mit 1,3 Millionen E- und Hybridfahrzeugen seinen Absatz gegenüber dem Vorjahr nahezu verdoppelt.

Car of Chinese car company BYD at the IAA Mobility car show in Munich, Germany, September 5, 2023. Chinese carmaker BYD,
Foto: IMAGO/Ales Zapotocky (www.imago-images.de) | BYD präsentierte sein Modell „Seal“ bei der IAA Mobility in München.

Geringe Präsenz auf Europas Straßen

Aktuell ist der Anteil chinesischer Fahrzeuge auf europäischen Straßen noch gering. Er liegt lediglich bei acht Prozent, hat aber im vergangenen Jahr eine Steigerung um zwei Prozentpunkte erfahren. Auch in Deutschland ist der Absatz von BYD eher unbedeutend. In den ersten acht Monaten des Jahres 2023 verkaufte der Konzern lediglich 2 600 Fahrzeuge hierhin. Das kann sich aber schnell ändern. Nach einer Umfrage des Autozulieferers Continental, die zur IAA veröffentlicht wurde, können sich 45 Prozent der Autofahrer in Deutschland vorstellen, ein Auto eines chinesischen Herstellers zu kaufen. Als globaler Zulieferer verstehe sich Continental als ein Partner, der „Gewehr bei Fuß“ stehe, wenn die Chinesen in Europa Produktionsstätten errichten würden, heißt es aus dem Unternehmen. Zu den Verkaufsschlagern könnte dann der BYD Seal gehören. Er soll ab 2024 für 45 000 Euro in Deutschland zu kaufen sein und dem Tesla Model 3 Konkurrenz machen

Deutsche Autobauer sehen das Drängen der Konkurrenz auf den europäischen Markt offenbar mit Gelassenheit. So sieht Volkswagen-Chef Oliver Blume die Ambitionen der chinesischen Unternehmen nicht als Bedrohung für die europäischen Hersteller. Zwar hätten die Chinesen in den letzten Jahrzehnten das Autobauen gelernt, erläutert Blume zu Beginn der IAA. Gegenüber den neuen Marktbewerbern habe man aber als etablierte Marke weiterhin Vorteile. „Wir haben das Fahrzeug-Know-how, wir haben das Qualitätsniveau. Und wir haben ein Markenerbe“, stellt Blume fest. Das hätten die Neuen am Markt eben nicht. Blume sieht auch keine Hinweise, dass die chinesischen Hersteller mit Billigpreisen auf dem Markt für Verdrängungsprozesse sorgen könnten. Zwar würden sie in China um 20 Prozent günstiger produzieren können. Ein solches Kostenniveau lasse sich in Europa aber nicht darstellen.

Keine Angst vor dem Mitbewerber

Auch bei Mercedes-Benz scheint die Angst vor den chinesischen Mitbewerbern nicht allzu groß zu sein. Technikchef Markus Schäfer macht im Gespräch mit der FAZ deutlich, dass die Antriebsart für die Autoverkäufe des Unternehmens momentan nicht der entscheidende Faktor sei. Mercedes-Benz sei in vielen Rankings eine der zehn wertvollsten Marken der Welt. „Und dazu brauchen wir Design, für das die Menschen auf der Straße stehenbleiben und den Kopf verdrehen.“ Schon in den 1990er Jahren habe man sich mit Angriffen aus dem japanischen Markt herausgefordert gesehen. „Wir stehen seit über 135 Jahren in einem harten Wettbewerb“, zeigt sich Schäfer überzeugt davon, dass die Kraft der Traditionsmarke aus Deutschland weiter Erfolg verspricht.

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Doch wie steht es eigentlich um die Qualität der chinesischen Fahrzeuge, ein für Kaufentscheidungen sicher nicht unbedeutender Faktor? Marcus Zacher, Chefredakteur des Magazins „Elektroautomobil“, sieht im Interview mit dem Fernsehsender 3sat deutliche Fortschritte. Er hat im Vorfeld der IAA zum wiederholten Mal E-Fahrzeuge aus dem Reich der Mitte testen dürfen. „Mein Eindruck nach den Probefahrten ist deutlich besser, als bei einem Test vor zwei Jahren“, erläutert der Experte. Die chinesischen Hersteller würden sehr schnell lernen, um dann ihre Fahrzeuge zu verbessern. Die schnelle Integration neuer Technologien in ihre Autos sei ein Vorteil der chinesischen Entwickler. Das betreffe sowohl die Entwicklung neuer Batterien, aber auch das Infotainment in der Autosoftware. „Dies Potenzial wird auf dem europäischen Markt von ihnen aber noch nicht ganz ausgeschöpft“, ergänzt der Journalist. Durch die Expansionsbemühungen der Chinesen werde der Druck auf die deutsche Automobilindustrie wachsen. Sie drohe Marktanteile zu verlieren. Dennoch sieht Zacher die deutschen Hersteller nach Anfangsschwierigkeiten inzwischen auf dem E-Mobil-Markt gut aufgestellt. Arbeite man in diesem Bereich weiter mit dem aktuellen Innovationsstreben, könne die deutsche Autoindustrie zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Sorge um den Wirtschaftsstandort

VDA-Chefin Hildegard Müller sorgt sich derweil weniger um die deutschen Automobilhersteller als um den Wirtschaftsstandort Deutschland. Die deutschen Hersteller würden den Wettlauf um die Zukunft nicht verlieren, „der deutsche Standort ohne massive Reformen schon“, sagt sie der Nachrichtenagentur dpa. Müller beklagt eine Überregulierung und unzureichende rechtliche Rahmensetzung bei Zukunftsthemen wie der Künstlichen Intelligenz. Durch die hohen Energiekosten halte die Branche einen zeitlich befristeten Industriestrompreis für nötig. Mittelständische Zulieferer bezeichneten, so Müller, das Thema Energiepreise als toxisch. Es bestehe die Gefahr, dass Investitionen künftig im europäischen Ausland oder in den USA getätigt würden. So hat der Autozulieferer Schaeffler bereits im Frühjahr angekündigt, dass er seine Investitionen in Europa reduzieren und mehr in den USA und China investieren wolle. Schaeffler-Chef Rosenfeld will „weg von Überregulierung und Verbotskultur“.

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Heinrich Wullhorst Deutsche Presseagentur Elektroautos

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