Metropolen

Winter in Wien

Es gibt viele Gründe für eine Reise in die österreichische Hauptstadt – diese fünf überzeugen in der kalten Jahreszeit.
Fünf Gründe für eine Reise nach Wien
Foto: dpa

Während sich die Sonne hinter die Hausdächer rund um den Stephansdom duckt, beginnen die Glocken des Wahrzeichens zu läuten. Wer nahe genug am Südturm steht, dem „Steffl“, spürt ein ganz leichtes Beben im Brustkorb. In die Glockenstube des Südturms sind es über 340 Stufen. Nach dem Aufstieg pocht das Herz schneller. Beim Treppensteigen ist es richtig warm geworden. Kurz Luft holen und dann die spektakuläre Aussicht von der Türmerstube über die Innenstadt genießen und über die Dächer der umliegenden Häuser. Hier oben hängen über zehn Glocken. Die bekannteste des Doms, die Pummerin, befindet sich allerdings im Nordturm in rund 60 Meter Höhe, wohin sogar ein Aufzug fährt. Die Glocke, die auch Österreichs Stimme genannt wird, steht still, während die anderen Glocken noch läuten. Die größte und schwerste Glocke Österreichs mit 21383 Kilogramm kommt nur zu ganz bestimmten Anlässen zum Zug - an hohen Festtagen und zu besonderen Ereignissen. In der kalten Jahreszeit läutet sie beispielsweise zu Allerseelen, zu Weihnachten am Heiligen Abend und am Stephanitag. Ihren wichtigsten Auftritt hat die Pummerin zum Jahreswechsel um Punkt Mitternacht. Zuvor läutet sie noch bei der Jahresschlussandacht. Die „alte“ Pummerin stürzte 1945 beim Brand des Stephansdoms in die Tiefe. Die Nachfolgerin, die teilweise aus dem alten Material gegossen wurde, stammt aus St. Florian und wurde 1952 wieder nach Wien gebracht. Insgesamt hat der Stephansdom vier Türme, von denen nur der Süd- und Nordturm besichtigt werden können. Nach dem Lockdown bleiben die Türme allerdings noch geschlossen.

 

Der dritte Mann

Gut zwei Kilometer sind es vom Zentrum, dem 1.Bezirk, nach Weiden. Über den Naschmarkt, den größten Markt der Stadt, kommt man in die Pressgasse. An den Tagen, die im Datum mit einer drei enden, erlebt man nach dem Lockdown wieder Film- und Nachkriegsgeschichte mit Gerhard Strassgschwandtner im privaten Dritte Mann Museum. Gemeinsam mit seiner Frau Karin Höfler stemmt er das Zwei-Personen-Projekt seit 2005: „Ein bisschen verrückt muss man schon sein, um so ein Museum zu führen.“ Er ist finanziell auf sich gestellt. „Mit der Bürokratie durch Zuschüsse geht die Leidenschaft verloren“, ist der Initiator überzeugt. Ganz wichtig ist ihm auch, dass „Der dritte Mann“ quasi Türöffner zur Wiener Zeitgeschichte ist. „Die Jahre nach 1945 hat man in Österreich verdrängt“, findet der Museumsleiter. Daher sei der englische Film hier nach drei Wochen schon abgesetzt worden. Inzwischen läuft der Klassiker regelmäßig im Burg Kino. Bevor die Führung im Museum losgehen kann, muss er allerdings noch eine der drei Türen zum Museum öffnen. Direkt vom Gehsteig geht es in die Zeit des Schwarz-Weiß-Films.

Im ersten der 15 Räume, verteilt auf drei Häuser, wird anhand alter Fotos die Handlung des Films zusammengefasst. Es folgen Exponate über die Schauspieler und den weltweiten Erfolg, der bis nach Japan reichte, wo der Streifen angeblich zu den beliebtesten Filmen gehört. Hinter einer Treppe ist der Kanalraum versteckt mit einem Original-Gullydeckel von Wien. Ein Teil des Films spielt unter der Stadt im Kanalsystem, den ehemaligen Schmugglerwegen der Schwarzhändler. „Jeder der versucht ihn anzuheben, wie es im Film zu sehen ist, merkt sofort, dass er viel zu schwer ist“, erklärt der Guide, der seit Jahrzehnten auch durch Wien führt. Unter den rund 3 000 Exponaten, alles Originale wie er betont, gibt es einige Schätze. So wie das Original Drehbuch des englischen Schauspielers Trevor Howard mit handschriftlichen Ergänzungen. Zu Strassgschwandtners Lieblingsstücken gehört auch der Filmprojektor von 1936, der im zweiten Teil des Museums steht. Neben der außergewöhnlichen Kameraführung mit Licht und Schatten Effekten, war auch die Musik eine Sensation. „Es war eher ein Zufall, dass Regisseur Carol Reed und Autor Graham Greene in einem Weinlokal auf den Zitherspieler gestoßen sind“, weiß der Österreicher. Anton Karas wurde durch die Filmmusik weltberühmt und führte über mehrere Wochen die US-Charts an. Im dritten Teil des Museums dreht sich alles um die Zeit nach 1945: die Zerstörung, die Besatzungszonen, die mangelhafte Entnazifizierung und die Not der Bürger, deren Moral der Hunger prägte. “Es ist mir ein Anliegen darüber zu sprechen“, sagt der Fremdenführer, der immer wieder erlebt, wie vor allem ältere Besucher durch Erlebnisse aus dieser Zeit be- und getroffen sind. „Eine gute Ausstellung hinterlässt Spuren“. Wie Harry Lime im Film benützt der Besucher eine Eisentreppe zurück in die Gegenwart. Im Ticketoffice wartet die letzte Überraschung, eine rote Riesenrad-Gondel, ähnlich wie die aus dem Film. Sie entstand während eines Lockdowns. Mit Blick auf die Gondel beteuert Strassgschwandtner, keine weiteren Stücke mehr zu kaufen. Denn schließlich gebe es noch ein riesiges Archiv für unzählige Sonderausstellungen.

Kaffeehaus mit Tradition

Nach so viel Geschichte ist es Zeit für eine Pause. Nur einen halben Kilometer entfernt, liegt das Kaffeehaus Sperl, das Gerhard Strassgschwandtner empfiehlt und das auch wieder geöffnet hat: „Zwar erfüllt es nicht mehr alle Vorgaben eines echten Wiener Kaffeehauses, aber es hat eine lange Tradition.“ Tatsächlich gibt es im Sperl, wie im „echten Kaffeehaus“, nicht nur Ober, männliche Bedingungen, dafür aber einen freien Tisch.

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Sonntagnachmittags schweben neben den Tabletts mit kleinen und großen Braunen, große und kleine Espresso, auch die Töne bekannter Klassiker durch den Gastraum. Die Klaviermusik entführt in längst vergangene Zeiten. Damals gingen Stammgästen wie die Erzherzöge Josef Ferdinand und Karl Ferdinand hier aus und ein. Der Besucherkreis prägte das Café Sperl zum Künstler- und Militärcafé. Die Sperl Torte, deren Rezept geheim ist, schmeckt nach Milchschokolade, Vanille, Zimt und Mandeln.

Nach Kaffee und Torte tut der eineinhalb Kilometer lange Spaziergang gut, der in eine ganz andere Welt führt – und zwar aus Eis. Seit 1867 ist der Wiener Eislauf-Verein eine Institution in der Innenstadt mit der größten und ältesten Eisbahn. Die einstige Natureisbahn musste der Wiener Stadtbahn weichen und übersiedelte Anfang des 20. Jahrhunderts auf den Heumarkt. Zur Jahrhundertwende war Eislaufen eine beliebte Freizeitaktivität. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Eisbahn ebenfalls wieder aufgebaut. Nach dem Lockdown dreht man auf 6 000 Quadratmetern nun wieder Runde um Runde, eine schweißtreibende Angelegenheit. Zur Ballsaison im Winter findet der Wiener Eisball statt und auch Schulen nutzen die Einrichtung für den Sportunterricht. Eiskunstläufer, Eistänzer, Eishockeyspieler, Freestyler, Eisstock- und Curlingspieler finden hier Platz für ihren Sport.

Beste Kirchenmusik von Wien

Nachdem die Leihschlittschuhe anfangen zu drücken, geht es zurück in den 1.Bezirk. Zum Albertina-Traktes der Hofburg gehört heute die Augustinerkirche, die laut Wienführer Strassgschwandtner „die beste Kirchenmusik von Wien bietet“. Seit Jahrhunderten wird in der Augustinerkirche jeden Sonn- und Feiertag musiziert. Auf der Internetseite der gotisch römisch-katholischen Pfarr- und Ordenskirche findet man die Details zu Organisten, Sängern und Chören, die die Hochämter begleiten. Vom Josephsplatz betritt man die Kirche, die bis 1918 kaiserlich-königliche (k.k.) Hofpfarrkirche war.

Auf der rechten Seite des Kirchenschiffs fällt das monumentale Hauptwerk von Antonio Canova, das Grabdenkmal für Erzherzogin Marie Christine ins Auge. Auf Stufen steht eine Grabpyramide mit einem dunkel erscheinenden Grabtor, das ins Totenreich führt. Das Grabmal gilt als Hauptwerk der klassizistischen Grabmalkunst. Über die Georgskapelle gelangt man in die Loretokapelle, auch „Herzgrüftl" genannt, die die Urnen mit Herzen von Mitgliedern des Kaiserhauses enthält. Dann setzt die Orgel ein. Wie von Gerhard Strass-gschwandtner beschrieben, öffnet sich das Herz mit Einsetzen der Musik. Die Zeit scheint für einen kurzen Moment stillzustehen.

Mehr zu Österreich Tourismus unter www.austria.info.

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