Es ist ein beeindruckender Blick, der sich vom Vierungsturm des Kölner Doms eröffnet. Bei gutem Wetter lassen sich im Süden die Bundesstadt Bonn und das Siebengebirge klar erkennen. Im Norden geht der Blick über Leverkusen bis zur nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt Düsseldorf. Gen Osten erheben sich am Horizont die Hügel des Bergischen Landes, und Richtung Westen ragen wie eine Wand die Türme der Kathedrale in den Himmel. Wer zwischen den Säulen des Vierungsturms, die den hoch aufragenden Helm mit dem goldenen Stern auf dessen Spitze tragen, den Blick nach unten richtet, kann nicht nur das innerstädtische Treiben der Rheinmetropole beobachten. Vielmehr erschließen sich atemberaubende Aus- und Einblicke in die gotischen Schluchten des Gotteshauses.
„Jambo“ stürzt sich furchtlos in diese hinab. Auf bis zu 200 Kilometer pro Stunde kann er mit seiner Flügelspannweite von 100 Zentimetern beschleunigen. Majestätisch umkreist er die unterschiedlichen Bereiche der Kathedrale. Zwischen den Türmen und Fialen sowie über den Dächern nimmt er sein Revier in Augenschein und lässt sich auch nicht vom Rummel der Großstadt aus der Ruhe bringen. Aus seiner afrikanischen Heimat kennt er offenes Gelände wie Stein- oder Halbwüsten. Daher ist die gewaltige steinerne Landschaft des Kölner Wahrzeichens für ihn auch nach einigen Besuchen mit seinem Ziehvater Marco Wahl längst vertrautes Terrain. „Jambo hat die Aufgabe, Tauben zu vergrämen“, sagt Wahl über seinen gefiederten Schützling. ,Vergrämen‘ heißt in der Sprache der Falkner ,vertreiben‘. Denn Jambo ist ein afrikanischer Lannerfalke. „Allein durch die Gegenwart eines Greifvogels wie Jambo fühlen sich Tauben und andere Wildvögel bedroht“, erklärt der Falkner aus dem Tierpark Niederfischbach im Westerwald.
Warum aber sollen ausgerechnet Tauben – ein christliches Symbol für den Heiligen Geist – aus dem Umfeld des Kölner Doms vertrieben werden? „Die realen Tauben stellen für Gotteshäuser wie den Dom ein Problem dar, weil sie potenzielle Hygiene- und Bautenschädlinge sind“, stellt Dombaumeister Peter Füssenich fest und konkretisiert: „Der Kölner Dom wird durch Taubenkot verunreinigt. Dessen Säuregehalt beschleunigt die Verwitterung der Bausubstanz, und: Taubenfäkalien sind auch eine ideale Brutstätte für Parasiten.“
Zwar gibt es am Dom verschiedene Maßnahmen, um die Hinterlassenschaften der Tauben zu minimieren, etwa mit Spikes und Schutznetzen gesicherte Bereiche oder das bewusste Angebot von gepflegten Nistplätzen für drei Taubenpaare. Auch die Expertise und die Tätigkeit von Falknern hat eine Jahrzehnte lange Geschichte. Dennoch gilt es immer wieder, die um den Dom kreisenden und nistenden Tauben zu verjagen, damit sie nicht noch weitere Schäden an der Bausubstanz verursachen. Darum kümmert sich nun Marco Wahl, der neben dem Lannerfalken auch einen seiner Wüstenbussarde einsetzt.
Wie erfolgreich das ist, hat der Berufsfalkner mit seinen Greifvögeln mehrfach gezeigt. So beispielsweise am Flughafen Köln/Bonn, wo er im Zuge der sogenannten ,Bird Control‘ seine Greifvögel präventiv gegen Vogelschlag aufsteigen lässt. Marco Wahl kommt nun etwa alle vier Wochen zum Kölner Dom, denn: „Die Taubenvergrämung mit Greifvögeln ist eine schonende und natürliche Methode, Tauben nachhaltig abzuwehren.“