Organbestellung

„United Therapeutics Corporation“: Organe auf Bestellung

Organe auf Bestellung – in genetisch veränderten Schweinen gezüchtet oder von 3D-Druckern hergestellt und mit menschlichen Zellen besiedelt, die mit Flugdrohnen in jeden Teil der Welt versandt werden können. So stellt sich die US-amerikanische Transhumanistin Martine Rothblatt die Zukunft der Transplantationsmedizin vor. Mit der börsennotierten „United Therapeutics Corporation“ hat sie eine Unternehmensgruppe geschaffen, die ihre Vision Wirklichkeit werden lassen soll.
Transplantation von menschlichen Organen
Foto: imago stock&people | Menschliche Organe sind lebensnotwendig für Menschen, die Transplantationen benötigen. Werden sie künftig durch geneitsch veränderte Schweineherzen oder Organe aus dem Derucker ersetzt?

Menschen, die in ihrem Leben mehr Geld verdient haben als sie selbst trotz aller Anstrengung in den noch vor ihnen liegenden Jahren ausgeben können, haben es schwer. Sie stehen vor Entscheidungen, die alle anderen allenfalls vom Hörensagen kennen. Ist die Familie stabil genug oder bricht sie auseinander, wenn der Reichtum vererbt wird? Will man als Wohltäter in die Geschichte eingehen, der öffentliche Anliegen oder private Initiativen großzügig förderte? Investiert man in Start-up-Firmen, die Risiko-Kapital benötigen, um ihre Ideen und Visionen in die Tat umzusetzen; mit dem Risiko, dass die Frage „Was tun mit dem vielen Geld?“ im Erfolgsfalle noch drängender auf einem lastet? Oder lässt sich die Frage nicht vertagen oder sogar eliminieren, indem man Technologien fördert, die versprechen, das Leben zu verlängern oder gar Unsterblichkeit verheißen?

Die Rede ist von Menschen, deren Vermögen fünf oder zehn Mal so groß ist, wie die Mittel, die die Freie Hansestadt Hamburg binnen eines Jahres auszugeben gedenkt. Mitte Dezember beschloss die Hamburger Bürgerschaft einen Doppelhaushalt. Für die Jahre 2023 und 2024 weist er einen Gesamtetat von jeweils 18,3 Milliarden Euro aus. Selbst die Nr. 87 der laut „Forbes“ 100 reichsten Menschen der Welt, der russische Stahlproduzent Vladimir Lisin, besitzt ein größeres Vermögen als das, welches der rund 1,85 Millionen Einwohner zählende Stadtstaat binnen eines Jahres verbraucht. Das „entweder-oder-Denken“ ist vielen der Superreichen fremd. Statt in Alternativen denken sie in „sowohl-als-auch“-Optionen. Und jene, die es sich leisten können, ziehen gerne gleich alle. Sie sind Wohltäter und Investoren zugleich. Sie fördern öffentliche Anliegen und private Initiativen, wo sie ihnen sinnvoll erscheinen und investieren gleichzeitig in neue Unternehmen. Einige bevorzugt auch in solche, die das Leben verlängern wollen oder gar Unsterblichkeit versprechen.

Menschliches Leben verlängern

Eines dieser Unternehmen hört auf den Namen „United Therapeutics Corporation“. Das 1994 gegründete Biotech-Unternehmen mit Firmensitz in Silver Spring im US-Bundestaat Maryland sowie mehrere seiner inzwischen hinzugekauften Tochtergesellschaften gilt Einigen als große Hoffnung bei dem Versuch, das menschliche Leben zu verlängern. Auf seiner Internetpräsenz beschreibt sich United Therapeutics, das eigenen Angaben zufolge als erstes börsennotiertes Biotech-Unternehmen die Form einer gemeinnützigen Körperschaft annahm, als Unternehmensgruppe, die sich auf die „Entwicklung und Vermarktung einzigartiger Produkte konzentriert, um die unbefriedigten Bedürfnisse von Patienten mit chronischen und lebensbedrohlichen Erkrankungen zu stillen“. Derzeit vertreibt das Unternehmen fünf zugelassene Produkte. Langfristig strebt die Unternehmensgruppe danach, „eine unbegrenzte Versorgung mit transplantierbaren Organen für jene bereitzustellen, die sie benötigen“.

Gegründet wurde United Therapeutics von Martine Alina Rothblatt, die 1954 als Martin Rothblatt in Chicgao im US-Bundesstaat Illinois geboren wurde. Im Alter von 40 Jahren unterzog sich Rothblatt einer Operation, die seine Geschlechtsorgane seinem Wunschgeschlecht anglichen. Als Student der Astrophysik an der University of California in Los Angeles hatte Rothblatt sich für den „High Frontier“-Plan des Physikers Gerard Kitchen O’Neill (1927–1992) von der Princeton University begeistert. In dem Konzept schlug O‘Neill vor, Menschen sollten an drei Stellen zwischen Erde und Mond den Weltraum besiedeln. Vorarbeiten dafür leisten heute die Unternehmen „Space X“ und „Blue Origin“ der Transhumanisten Elon Musk und Jeff Bezos. Anfänglich protegiert von O’Neill wurde Rothblatt zu einem bedeutenden Unternehmer auf dem Feld der Satellitenkommunikation. Mit „Geostar“, „PanAmSat“, „WorldSpace“ und „Sirius Satellite Radio“ gründete Rothblatt mehrere erfolgreiche Unternehmen.

Das Herz vom Spenderschwein

Doch als Rothblatts Tochter Jenesis die Diagnose „pulmonale Hypertonie“ erhielt, einer lebensbedrohlichen Krankheit, bei welcher der Blutdruck im Lungenkreislauf chronisch erhöht ist und die unbehandelt meist binnen weniger Jahren tödlich verläuft, wechselte Rothblatt die Branche und gründete „United Therapeutics“, das sie seitdem leitet. Als sie von einem Medikament erfuhr, das den arteriellen Druck zu senken versprach, aber von dem Pharmariesen GlaxoSmithKline unter Verschluss gehalten wurde, verhandelte sie mit dem Konzern so lange, bis der ihr das Patent für 25 000 US-Dollar und die Zusage einer Lizenzgebühr von zehn Prozent überließ. 2002 erhielt das Medikament mit dem Wirkstoff Treprostrinil-Natrium die Zulassung durch die Arzneimittelbehörde FDA. Auf dem Markt schlug das Präparat wie eine Bombe ein. Heute erwirtschaftet United Therapeutics mit ihm und weiteren verwandten Medikamenten einen jährlichen Umsatz von 1,5 Billiarden US-Dollar.

Doch damit will sich Rothblatt, Autorin des Buches „From Transgender to Transhuman: a Manifesto on the Freedom of Form“, nicht zufriedengeben. 2011 kaufte United Therapeutics für 7,6 Millionen US-Dollar das am Boden liegende Biotech-Unternehmen „Revivicor“. „Revivicor“ ist vielen besser bekannt unter seinen früheren Namen „PPL Therapeutics“. 1996 ermöglichte es zusammen mit dem schottischen „Roslin-Institut“ die Erschaffung des Klonschafs „Dolly“. Heute züchtet das in Blacksburg, im US-Bundesstaat Virginia, ansässige Unternehmen genetisch veränderte Schweine, deren Organe sich für die Xenotransplantation eignen sollen. Weltweit für Schlagzeilen sorgte Revivicor Anfang vergangenen Jahres, als Ärzte des Medicial Centers der University of Maryland (UMMC) dem US-Amerikaner David Bennett das Herz eines genetisch modifizierten Schweins transplantierten. Der 57-Jährige, der zwei Monate später, am 8. März 2022, verstarb, litt an einer Herzinsuffizienz im Endstadium und war aufgrund seines Gesundheitszustandes für die Transplantation eines menschlichen Spenderherzens nicht mehr in Betracht gekommen.

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Schweinegenom verändert

Gegenüber normalen Schweinen besaß das Spenderschwein, von dem das Herz stammte, zehn genetische Veränderungen. Vier davon betrafen die Deaktivierung von Genen im Schweinegenom, unter anderem von solchen, die normalerweise zur sofortigen Abstoßung des Organs beim Menschen führen. Deaktiviert wurde ferner ein Rezeptor, an dem Wachstumshormone binden. Dies soll verhindern, dass die Organe im menschlichen Organismus ähnlich groß werden, wie in den deutlich größeren Schweinen. Die sechs anderen genetischen Veränderungen betrafen menschliche Gene, die in das Schweinegenom eingefügt wurden. Sie sollen die tierischen Organe für das menschliche Immunsystem „verträglicher“ machen, indem sie die Unterschiede maskieren, die menschliche Organe von tierischen unterscheiden. Die erfolgreiche Transplantation, die von der Fachwelt sogleich als „Meilenstein“ und „Durchbruch“ gefeiert wurde, der auch den künftig einzuschlagenden Weg vorgebe, hat jedoch einen empfindlichen „Schönheitsfehler“. Denn Forscher, die Bennetts Blut untersuchten, fanden heraus, dass das Transplantat mit einem tödlichen Schweinevirus infiziert war.

Ein Problem, das ähnlich hartnäckig und schwer in den Griff zu bekommen ist, wie das embryonaler Stammzellen, die außerhalb ihrer angestammten Umgebung zuverlässig entarten und Tumore ausbilden. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, als setze sich die Natur gegen ihre Zweckentfremdung mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr. Für dieses Jahr hat United Therapeutics den Bau einer neuen keimfreien Schweinefarm angekündigt. 2024 sollen die erzielten Ergebnisse in einer klinischen Studie überprüft werden.

Doch damit ist das Ende der transhumanistischen Agenda von United Therapeutics noch keinesfalls erreicht. Bei der Entwicklung von transplantierbaren Lungen setzt Rothblatt, deren Tochter trotz der von ihr entwickelten Medikamente einmal auf ein solches Transplantat angewiesen sein könnte, auf eine andere Technologie. In einer ehemaligen Textilfabrik in Manchester im US-Bundestaat New Hampshire lässt Rothblatt Lungen aus Biopolymeren von 3D-Druckern herstellen. Anschließend sollen diese mit menschlichen Zellen besiedelt werden, in Idealfall mit solchen, die dem Gewebe des Empfängers entstammen, und von Drohnen an ihren Bestimmungsort geflogen werden.

Vehemenz und Rücksichtslosigkeit

Man braucht kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass leblose Strukturen wie 3D-gedruckte Lungengerüste, egal wie detailgetreu sie ihren Vorbildern auch gleichen mögen, in einem menschlichen Organismus niemals die Funktion einer Lunge übernehmen werden. Wenn der Ansatz etwas zu zeigen vermag, dann wie leistungsfähig 3-Drucker inzwischen sind und wie reduziert das Verständnis von Transhumanisten von dem ist, was gemeinhin „Leben“ genannt wird.

Was den Transhumanismus und seine Protagonisten so gefährlich macht, sind weniger die vielen utopischen Konzepte, zu denen die Besiedlung des Weltraums genauso zählt wie die genetische Verbesserung von Menschen oder die Verschmelzung von Mensch und Maschine, als vielmehr die Vehemenz und Rücksichtslosigkeit, mit der ihre Anhänger sie in die Tat umzusetzen suchen. Ihre führenden Köpfe besitzen nicht nur Zugang zu den dafür benötigten Technologien. Als Superreiche verfügen viele von ihnen auch über die finanziellen Mittel, um sie voranzutreiben. Was im Ergebnis dazu führt, dass viele Forscher die Einsprüche des gesunden Menschenverstands beiseiteschieben und stattdessen der Spur des Geldes folgen.

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