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Wenn Eltern zu Lehrern werden

Das Grundgesetz hält in Artikel 6 Abs. 2 fest: „Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht.“ Ein Grundrecht, das zur gleichen Zeit beängstigend und befreiend ist. Es ist die Aufgabe der Eltern, die Erziehung ihrer Kinder anzugehen. Warten wir also nicht auf den Staat oder die Kirche, sondern legen los.
Gebet und Katechese
Foto: IMAGO/Zoonar.com/Yuri Arcurs peopleimages.com (www.imago-images.de) | Gebet und Unterweisung: Eltern werden bei der Taufe verpflichtet, ihre Kinder im Glauben zu erziehen.

Vor wenigen Tagen führte mich eine Dienstreise für die YOUCAT Foundation nach Indonesien und Indien. So habe ich in beiden Ländern Katholiken befragt, wie aktiv katholische Eltern bei ihnen vor Ort die religiöse Erziehung ihrer Kinder mitgestalten. Die Antworten sind überraschend, denn dort beklagt man, ähnlich wie bei uns, dass Eltern höchst selten die religiöse Ausbildung ihrer Kinder zu Hause fördern.

Aufgabe delegiert

Der Grund ist, dass die Eltern diese Aufgabe an die Kirchengemeinde oder katholische Schule abgeben. „Bei uns in Indonesien gehen die Kinder zur Sonntagsschule“, erklärte mir Father Benny Suwito aus Surabaya, Indonesien, „leider denken die Eltern, dass dies reicht, damit ihre Kinder verstehen und lieben lernen, was die Kirche und der Glauben ihnen bieten können.“ Ähnlich sieht die Situation in Indien aus. Die katechetische Ausbildung der Kinder wird auch dort in die Verantwortung der Priester und ehrenamtlicher Katecheten gelegt. Zu Hause passiert eher wenig: ein Tisch- oder Abendgebet, manchmal das Rosenkranzgebet.

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Bildung- und Erziehung, sei es weltlich oder religiös, sind nicht nur nach dem deutschen Grundgesetz Pflicht und Aufgabe von Eltern. Auch der katholische Ritus der Kindstaufe enthält einen Passus, in dem sich die Eltern eines Täuflings bereit erklären, das getaufte Kind im Glauben zu erziehen. Doch offensichtlich scheint dieser Bildungsauftrag nicht tief genug in die Herzen der Eltern eingeschrieben zu sein. Oder vielleicht doch? Fehlt den Eltern schlicht der Mut, die Kraft, das Wissen, die Zeit und die Geduld, sich neben dem körperlichen Wohlbefinden ihrer Kinder und ihrer weltlichen Bildung auch noch um diesen geistlichen Auftrag zu kümmern?

Defizit in religiöser Bildung

Die Situation der Kirche auf der ganzen Welt zeigt eines deutlich: Es braucht mehr denn je gläubige Christen, die wissen, was sie glauben. Menschen, die zuhause und in der Gemeinde befähigt werden, als Missionare und Zeugen für das Reich Gottes in der Welt zu wirken. Während des Weltjugendtags in Lissabon hatte ich die Chance, mit vielen Bischöfen und Priestern aus der ganzen Welt zu sprechen. In den Gesprächen wurde deutlich: Egal wo man hinschaut, Jugendliche, aber auch Erwachsene, haben ein eklatantes Defizit hinsichtlich religiöser Bildung. Der Glaube ist da, aber wurzelt oft nicht tief, weil der intellektuelle Zugang zu Glaubensthemen nicht bedient wird. Die Kirche braucht mehr Katechese für alle Altersklassen, von den jüngsten bis zu den ältesten Gemeindemitgliedern. Es muss wieder mehr Wissensvermittlung geben, damit der persönliche Glaube wachsen und reifen kann.

Zurück zu den Eltern und ihrem Auftrag. Es hilft wenig, bei der Tatsachenbeschreibung stehen zu bleiben. Im Gegenteil, alle katholischen Eltern müssen aktiv werden. Dazu brauchen sie Ermutigung und Unterstützung. Ein bisschen von beidem möchte ich im Folgenden geben. Als die Tagespost mich bat, über Glaubensweitergabe im familiären Kontext zu schreiben, musste ich schlucken. Auch wenn es nach außen nicht so aussieht, aber mein Lehramtsstudium der Theologie, die Begleitung von fünf heranwachsenden Kindern, die Veröffentlichung eines katholischen Buches und mein Job als Direktorin der internationalen YOUCAT Foundation machen mich noch lange nicht zur optimalen Katechetin für unsere eigenen Kinder. Ganz im Gegenteil, an dieser Stelle empfinde ich ein großes Defizit, das ich immer wieder neu angehen muss.

Niemand lehrt es

Ich schreibe das nicht grundlos so offen und ehrlich. Aus Gesprächen weiß ich, dass ich mit diesem Empfinden unter katholischen Eltern nicht alleine dastehe. Im Gegenteil, es gibt zu viele junge Eltern, die den Wunsch, ihr katholisches Wissen, ihre Traditionen, ihren Glauben und den Schatz der katholischen Kirche an die eigenen Kinder zu vermitteln, nicht in die Tat umsetzen können. Sie wissen einfach nicht, wie sie das am besten anstellen sollen. Es hat ihnen niemand beigebracht.

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Ich kann an dieser Stelle kein Patentrezept, vielleicht aber einige Tipps teilen. Bevor Eltern aber mit der „Beschulung“ der eigenen Kinder beginnen, steht an erster Stelle eine kritische Selbstbetrachtung. Was habe ich selbst von meinem Glauben verstanden? Kenne ich meinen Glauben so gut, dass ich ihn den Kindern weitergeben könnte? Bin ich überhaupt in der Lage, unseren Kindern mehr anzubieten als das Kreuzzeichen und das „Vater unser“? Eine kontinuierliche Schulung im Glaubenswissen ist Voraussetzung und sogar für denjenigen nötig, der schon viel weiß. Der Katechismus und die Bibel sollten regelmäßig in die Hand genommen werden, Themen intellektuell und mit dem Herzen durchdrungen und Antworten vor dem Hintergrund neuer Lebenswirklichkeiten gesucht werden.

Je älter die eigenen Kinder werden, desto wichtiger ist die eigene Weiterbildung, denn ihre komplexer werdenden Fragen erfordern umfangreichere Antworten. Oberflächliche Erklärungen sind für jüngere Kinder ausreichend, aber in einen reifen Glauben führen sie sicherlich nicht. Nun ist es so, dass Eltern nicht gerade Zeit im Überfluss haben, um regelmäßig zu studieren. Doch auch da gibt es verschiedene, nicht zu zeitintensive Möglichkeiten, wie der Podcast „Catechism in a Year“ des US-amerikanischen Priesters Father Michael Schmitz oder die Lektüre des YOUCAT. Jeden Tag ein bisschen mehr.

Vorbild der Eltern

Parallel dazu wird ein regelmäßiges Gebetsleben von Eltern und Kindern dazu beitragen, dass der Glaube in der ganzen Familie gefestigt wird. Das beginnt mit Tischgebeten, geht weiter mit Morgen- und Abendgebeten und umfasst auch weitere Gebetszeiten. Mit der Zeit können Eltern das Rosenkranzgebet einführen, gemeinsam die Rosenkranzgeheimnisse betrachten oder Gebete aus dem Stundenbuch entnehmen. Auch das Glaubensbekenntnis ist eine gute Schule des Gebets und gleichzeitig eine gute Brücke, um einzelne Themen des Glaubens zu vertiefen. Nicht alles auf einmal, aber gut portioniert wirkt das Gebet Wunder.

Nun bleibt noch die Frage, wie man mit Kindern im familiären Kontext Glaubenswissen teilt. Leider mangelt es dafür an Materialien, die sich für den familiären Kontext eignen. Eltern wollen ihren Kindern das Wissen ja nicht mit einem Trichter einflößen und einpauken. Ihren Kindern wünschen sie eine Herzensbeziehung zu Jesus Christus. Diese Beziehung kann aufgebaut werden, wenn Kinder mit möglichst viel Freude und Begeisterung lernen und Familienzeit in christliche Themen investiert wird. Eltern sind, ob sie es wollen oder nicht, zunächst einmal die wichtigsten Vorbilder, wie das mit der Christusbeziehung so geht.

Leben wir als Eltern voll Freude unseren Glauben oder ist er für uns eine lästige Pflicht? Reden wir mit den Kindern über unsere Christusbeziehung, über unsere Hoffnungen, Zweifel und auch unsere Liebe? Kinder leben zumindest in Teilen intuitiv das nach, was ihnen vorgelebt wird. Das ist eine große Verantwortung, aber auch gleichzeitig eine sehr gute Nachricht für Eltern, denn dazu braucht es keine spezielle theologische Ausbildung. Es braucht jedoch den Mut, sich zu öffnen und die Kinder an einer intimen Beziehung teilhaben zu lassen.

Gute Bücher helfen

Daneben helfen gute Bücher, Filme und Hörspiele dabei, den Glauben mit den Kindern zu vertiefen. Zum Beispiel Geschichten über Heilige, „Die Bibel erzählt für Kinder“, den „YOUCAT for Kids“ oder Kindergebetbücher. Es gibt im deutschsprachigen Raum nicht viel Material, aber genug, um anzufangen. Vorlesen ist in vielerlei Hinsicht gut und fördert außerdem die Bindung zwischen den Kindern und Eltern. Die Kinder spüren durch das Geschenk der Zuwendung, das die Eltern ihnen in diesem Moment machen, Gottes Liebe.

Als Mutter von fünf Kindern bin auch ich auf der Suche nach gutem Material. Ich suche nach guten Büchern und Filmen für die heranwachsenden Kindern und nach Möglichkeiten, um mit ihnen über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Manchmal bin ich zu müde und ich habe keine Lust darauf. In diesen Momenten muss ich mich ermahnen, dass es nicht um mein eigenes Befinden geht, sondern darum, Verantwortung zu übernehmen.

Die Verantwortung ist groß, manchmal möchte ich aufgeben, aber dann, im richtigen Moment, treffen die Kinder andere Menschen, die ihnen vom Glauben und Jesus Christus erzählen. Dann bringen sie Geschichten und Erfahrungen nach Hause und teilen sie. Plötzlich werden sie zu Lehrern und Zeugen und bereichern unser Glaubensleben.
Um Kinder im Glauben zu erziehen braucht es viel mehr Menschen als Mama und Papa und das ist gut so. Dennoch: Eltern sind die ersten Lehrer ihrer Kinder; die Saat, die sie sähen kann später blühen. Also, worauf warten wir noch?


Weiteres Material für die Kinderkatechese gibt es auf www.youcat.org/de/zusatzmaterial

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