Wie geht man damit um, wenn das eigene Kind das Gefühl hat, im falschen Körper zu stecken? Die Experten auf dem Podium sich einig: „Zeit gewinnen, denn auch schon die soziale Transition ist ein Schritt zur Operation.“ Studien zeigten hingegen, dass bis zu 80 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit Transitionswunsch sich im Erwachsenenalter mit ihrem Geschlecht aussöhnten, wenn sie keine Hormone nähmen.
Am Dienstagabend hat die französische Zeitschrift „Famille chrétienne“ ein Forum zum Thema „Verwirrung der Geschlechtsidentität – welche Antwort?“ organisiert. Die einstündige Onlineveranstaltung richtete sich besonders an Eltern und Erzieher und nahm den Befund zum Ausgangspunkt, dass Familien sich dem Transgender-Hype kaum noch entziehen können. Neben dem französischen Philosophen Michel Boyancé nahm Pascale Morinière, die Präsidentin de der „Associations familiales catholiques », des katholischen Familienbundes in Frankreich, an der Diskussion teil. 25.000 Familien sind in dem Verband organisiert.
Transgender ist überall
„Die Rückmeldungen unserer Familien zeigen uns, dass es quasi keine Schule mehr gibt, die nicht durch mindestens einen Schüler von der Transgender-Frage betroffen ist“, erklärte die Ärztin und Kinderbuchautorin. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung seien die Anträge auf Kostenübernahme bei Geschlechtsdysphorie innerhalb von sieben Jahren um das Zehnfache gestiegen. „Die Familien fürchten sich vor diesem Thema“, bestätigte Morinière auf die Frage der Moderatorin hin. „Sie haben oft Angst, es bei ihren Teenagern anzusprechen. Ich meine aber, dass man mit seinen Kindern unbedingt darüber sprechen sollte, anstatt den Mantel des Schweigens darüber zu legen. Denn durch ihre Mitschüler, soziale Netzwerke und die Kultur, die sie umgibt, kommen unsere Kinder auf jeden Fall damit in Berührung.“
Der Philosoph und Buchautor Michel Boyancé erinnerte daran, dass Gender in der akademischen Welt schon seit Jahrzehnten präsent sei. „Zwar hat der Begriff Gender eine neue Bedeutung bekommen. Diese beruht aber auf Überlegungen, die nicht neu sind: Wir Menschen sind nicht einfach Tiere mit physikalisch-chemischen Prozessen, die uns als Mann oder Frau festlegen. Wir haben die Freiheit, uns selbst zu verstehen und anzunehmen. In der Genderideologie wird diese Freiheit dem Körper und der ihm innewohnenden Bedeutung gegenübergestellt. Diese Freiheit hat etwas Berauschendes, führt sie hier doch zu der Annahme, man könne aus dem Körper ausbrechen, der uns gefangen hält, um das zu sein, was wir sein wollen“, so lautet seine Erklärung des Phänomens.
Lebenslange Folgen einer Transition
Pascale Morinière wies darauf hin, dass die Freiheit, sein Geschlecht zu wählen, paradoxerweise zu einer lebenslangen Abhängigkeit von Hormonen und operativen Eingriffen führe. „Es scheint mir sehr wichtig, dieses Paradox unseren Kindern gegenüber zu verdeutlichen und eindrücklich auf die schwerwiegenden und lebenslangen Folgen einer Transition hinzuweisen“, so die Ärztin.
Die Bedeutung der Zweigeschlechtlichkeit des Menschen sieht Michel Boyancé in ihrer Beziehungsfähigkeit. „Woher wissen wir, dass wir Mann oder Frau sind? Nicht nur aufgrund der biologischen Tatsache der Zweigeschlechtlichkeit, sondern auch durch die Erfahrungen, die wir miteinander machen, die Art und Weise, wie wir miteinander in Beziehung treten. Wenn Geschlecht eine bloße Konstruktion und beliebig ist, dann treten wir nicht mehr miteinander in Beziehung, versuchen nicht mehr, einander zu verstehen, weil es dann nichts mehr zu entdecken gibt“, warnte der Philosoph, der auch Mitglied der katholischen Akademie Frankreichs ist.
Intelligenz und Wille nicht vernachlässigen
Während es heute in der Erziehung meist um Gefühle gehe, dürften Intelligenz und Wille nicht vernachlässigt werden, so die Präsidentin des Familienbundes. Die Intelligenz helfe dabei, zu entscheiden, wie man mit den eigenen Gefühlen und Emotionen umgehe. Die Erziehung des Willens erfolge über tägliche kleine Anstrengungen, durch die schon die Kinder erkennen, dass sie die meiste Freude dann empfinden, wenn sie anderen eine Freude machen: „Der Mensch entdeckt sich selbst nur im selbstlosen Geben“, zitierte sie Johannes Paul II. „Dadurch lernen Kinder, mehr als ein Spielball der eigenen Gefühle zu sein.“ Auch müssten Eltern heute selbst für eine gelungene Medien- und Sexualerziehung sorgen. Gerade bei Letzterer sei es notwendig, das Eltern sprachfähig werden, denn: „Wenn wir sie nicht aufklären, dann tun es andere.“
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