Little things mean a lot“ hieß ein Nummer-1-Hit der 1950er Jahre: Kleinigkeiten bedeuten viel. Wenn man über den Erfolg des Jungfamilientreffens der „Initiative Christliche Familie“ (ICF) schreiben möchte, kommt man um die vielen wichtigen „Kleinigkeiten“ nicht herum, die im Lauf der Jahre weit mehr als 3000 Familien jene Wertschätzung und Hilfe gegeben haben, die sie brauchen und verdienen. Vor einigen Tagen hat das Treffen zum 20. Mal im romantischen Pöllauer Tal in der Steiermark stattgefunden.
Die „Kleinigkeiten“ beginnen schon beim Programm: Vorträge, Impulse, Zeugnisse und das gemeinsame Gebet mit den Kindern müssen stillende Mütter nicht auf der hölzernen Sitzbank ohne Lehne mitmachen. Es gibt für sie reservierte, bequeme Gartensessel. Und wenn im großen Zelt – Vortragsraum, Treffpunkt für Morgen- und Abendlob und hin und wieder Gottesdienstraum – die Temperaturen hochsommerlich steigen, tauchen junge Helfer auf, die kühles Trinkwasser an alle verteilen. Wer es zum Stillen wirklich still haben möchte, findet neben der „Buschenschank“, wo der Geselligkeit gepflogen wird, auch einen den Müttern reservierten Stillbereich mit Kühlschrank und Babynahrung.
Nicht auf geistliche Nahrung verzichten
Niemand muss um der Kinderbetreuung willen auf die geistliche Nahrung verzichten. Im Stillbereich kann man ebenso dem Programm live lauschen wie im Krabbelzelt für die Kleinsten oder bei dem gleich daneben platzierten Sandkasten. Alles ist nach den Bedürfnissen junger Familien ausgerichtet. Sogar die Tischordnung in den Essbereichen im großen Pöllauer Schlosspark ist kein Zufall. Michi Schmalzbauer, die Frau des Hauptorganisators Robert, hat sie sich gründlich überlegt: „Wie klein sind die Kinder? Gibt es einen Kinderwagen? Wie nahe muss die Essensausgabe sein? Mit wem könnten sich gute Gespräche ergeben? Wie können wir erfahrene Familien und solche, die das erste Mal da sind, nebeneinandersetzen?“
Diese besondere Aufmerksamkeit auf die familiären Bedürfnisse wird in den Messfeiern besonders spürbar. Da ist die riesige Pöllauer Stiftskirche, die wegen ihrer Form und Größe der „Petersdom der Steiermark“ genannt wird, bis auf den letzten Platz besetzt – und mindestens zwei Drittel der Mitfeiernden sind Kinder und Jugendliche. Trotzdem sind die Messen feierlich und erstaunlich ruhig. Wozu sicher beiträgt, dass die Predigt nicht länger als drei Minuten dauern soll und es eine Kinderkirche mit Großbildübertragung in der großen Sakristei gibt. Daher kommen auch fast alle zur täglichen Messe, obwohl, wie Robert Schmalzbauer allen Eltern schon zu Beginn des Treffens sagt, niemand zu irgendetwas verpflichtet ist. Die Familien dürfen und sollen in aller Freiheit entscheiden, wieviel Programm für sie gut und hilfreich ist. Natürlich ist das Programm so gestaltet, dass man auch mit einem Kleinkind an jeder Hand und einem Baby im Tragetuch ohne Stress immer rechtzeitig den nächsten Programmpunkt erreichen kann. Ein altersgerechtes Kinderprogramm schenkt den Eltern Alleinsein und damit Zeit und Ruhe für geistliche Impulse oder auch einfach nur zum gemeinsamen Austausch.
Friedliche und stärkende Woche
So haben auch dieses Jahr wieder 170 Familien mit mehr als 400 Kindern eine friedliche und stärkende Woche erlebt, auch dank der Hilfe von über 200 Freiwilligen. Freiheit und Frieden waren das „Jubiläumsmotto“, angelehnt an den Galaterbrief („Ihr seid zur Freiheit berufen“) und den Psalm 34 („Suche den Frieden und jage ihm nach!“). Aus Frankreich kam dazu als Referent der Bestsellerautor Pater Jacques Philippe von der Gemeinschaft der Seligpreisungen, dessen Bücher in 24 Sprachen übersetzt und über eine Million Mal verkauft wurden. Er sprach in drei Vorträgen über die Freiheit, die Christus anbietet und schenken will.
Den zuhörenden Eltern bot P. Philippe eine Mischung von theologisch fundierter Analyse und praktischen Hilfen. Er lud ein, Freiheit nicht als die Macht zu verstehen, alles zu können („Superman-Freiheit“), als unbegrenzte Zahl von Wahlmöglichkeiten („Supermarkt-Freiheit“), als Unabhängigkeit oder als Spontaneität („Ich folge nur meinem Herzen“). Denn ohne Gott gebe es keine echte Freiheit. Es ließe sich eben nicht alles beherrschen oder ohne Herzensbildung entscheiden, ob das Herz guten oder schlechten Impulsen folge.
Gott ist der Freund der Freiheit
Gott sei der beste Freund der Freiheit: „Er hat uns frei erschaffen und gibt uns die Freiheit wieder, wenn wir sie verloren haben. In Ihn vertrauen macht frei.“ Darum sei das Paradox wahr: „Je mehr ich von Gott abhänge, desto freier bin ich.“ Und schließlich: „Es gibt keine Liebe ohne Freiheit - aber es gibt auch keine Freiheit ohne Liebe.“ Gott stehe exemplarisch für die Liebe in Freiheit: „Jesus sagt immer: Willst Du? Der Teufel sagt: Du musst!“ Eine freie Person könnte man definieren als einen Menschen, „der in jeder Situation die Fähigkeit hat zu lieben“.
Und so wird der Franzose ganz praktisch: Um die Liebe in Freiheit zu erhalten, braucht es Glaube und Hoffnung und dafür das Gebet, die Sakramente und die Gemeinschaft. Und: „Ihr müsst nicht alle Probleme jetzt lösen. Vertraut eure Vergangenheit Gott an und die Zukunft der Vorsehung. Tut das, was heute und jetzt von euch gefordert ist.“ Eine befreiende Botschaft für viele Paare.
Eigene Schwächen annehmen
Immer wieder ermuntert P. Jacques Philippe die Eltern, ihre Grenzen und Schwächen anzunehmen und zitiert dazu Papst Franziskus: „Die meisten Pläne Gottes realisieren sich durch unsere Schwachheit und Zerbrechlichkeit.“ Zwei Tugenden könne man immer, zu jeder Zeit, ausüben: Demut und Hoffnung. „Manchmal zittern die Eltern um ihre Kinder, aber sie müssen immer die Hoffnung bewahren.“ Denn es gebe eine tiefe Beziehung zwischen allen Eltern und Gott: Auch Gott leide am Leid seiner Kinder und an ihren Schwierigkeiten. „So seid ihr mit Gott in Gemeinschaft, automatisch! Wir Geweihten müssen stundenlang beten, um in Seine Nähe zu kommen, aber ihr seid dort von Haus aus! Es ist kein Zufall, dass die Ehe ein Sakrament ist, eine Gegenwart Gottes: Wo zwei oder drei in meinem Namen beisammen sind, da bin ich mitten unter ihnen – die erste Anwendung dieses Jesusworts ist die Ehe.“
In Paargesprächen, Workshops und dem mutigen Lebenszeugnis eines erfahrenen Ehepaars wirken diese Gedanken weiter. Auch in der Predigt des Grazer Diözesanbischofs Wilhelm Krautwaschl, der am Samstag zur Wallfahrt der Teilnehmer zur Kirche Maria Pöllauberg gestoßen ist: „Christus ist in uns nur wirksam, wenn wir uns immer wieder aufmachen, ihn zu suchen, umkehren zu ihm und uns dazu auch seiner Mutter anvertrauen.“
Weihe an die Gottesmutter
Nach der Predigt können sich die Familien in einem feierlichen Gebet der Gottesmutter weihen, ein besonders berührender Moment, wie auch am Vortag die Eheerneuerung: Da waren die Paare eingeladen, ihr Herz in der eucharistischen Anbetung zu öffnen, bei einem Priester zu beichten und dann auch einander um Verzeihung zu bitten und Vergebung zu schenken. Am Abend konnten sie anschließend in einem feierlichen Gottesdienst ihr Eheversprechen erneuern.
Zu diesem Dienst an den Familien waren mehr als 25 Priester extra angereist. Ein kleiner Dienst vielleicht, aber er bedeutet viel, auch weil beim Jungfamilientreffen Kirche einmal nicht als Problem, sondern als Lösung erlebt wird.
Die Kraft der Liebe
Robert Schmalzbauer, Verantwortlicher der Initiative Christliche Familie, sieht darin die Kraft der Liebe in Freiheit: „Mich erstaunt etwa, wie 400 Erwachsene an einem Nachmittag zur Beichte bewegt werden, ohne Gruppendruck, sondern ganz in der Freiheit, sich der Gnade zu öffnen.“ Für manche sei es überhaupt die erste Beichte in ihrem Leben. Und ihre Freude danach sei besonders berührend. Freiheit sei ein ganz wichtiges Prinzip: „Zunächst einmal kommen alle ja schon freiwillig her. Und wir sagen allen, dass sie in aller Freiheit ihre Programmpunkte auswählen sollen. Diese Freiheit öffnet. Sie gibt die Möglichkeit, das Gute zu wählen. Und auch die Helfer sind da aus freien Stücken – das inspiriert wieder die Familien. Die Liebe schenkt sich immer frei, und ein Liebesdienst, der von 200 vorwiegend jungen Menschen geleistet wird, steckt an.“
In dem eingangs erwähnten Schlager über die „kleinen Dinge“ heißt eine Zeile: „Whether the day is bright or gray, give me your heart to rely on“. Ob das Wetter schön ist oder grau – gib mir Dein Herz, um darauf zu bauen. Das Jungfamilientreffen in Pöllau scheint für eine Woche im Jahr ein Ort zu sein, wo das möglich und erlebbar wird – in Beziehung auf Gott und untereinander. Auch inmitten einer verstörten Welt gibt es Gnadenorte.
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