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Leihmutterschaft ist „Reproduktions-Prostitution“

Das österreichische Bündnis „Stoppt Leihmutterschaft“ stellte in Wien die deutsche Übersetzung eines internationalen Standardwerks zur Leihmutterschaft vor.
Die Gefahren der Leihmutterschaft
Foto: "AntonioGuillem" (www.imago-images.de) | Die feministische Soziologin und Mitautorin Lisbeth N. Trallori sieht die Leihmutterschaft als Form der Gewalt an den Frauen, die allerdings unsichtbar gehalten wird.

„Leihmutterschaft ist ein Unwort und sollte als das bezeichnet werden, was es tatsächlich ist: Reproduktions-Prostitution“, bringt es der Vorsitzende des Vereins „Stoppt Leihmutterschaft“, Erwin Landrichter, auf den Punkt. Im Palais Epstein in Wien stellte das österreichische Bündnis aus Psychologen, Medizinern und weiteren Experten die deutsche Übersetzung des Sammelbands „Die neuen Gebärmaschinen? Was die globale Leihmutterschaft mit Frauen und Kindern macht“ vor. Anwesend waren Vertreter der im Nationalrat vertretenen Parteien.

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Eine Mutterschaft könne weder verliehen noch ein Kind als „Leih-Gegenstand“ zurückgegeben werden, führte Landrichter aus. Heute gebe es 5.000 Kinderwunschkliniken und Agenturen weltweit, die Leihmütter vermitteln – für Landrichter Zuhälter der Reproduktionsmedizin. Die internationalen Autoren des Buches, das 2022 zunächst in französischer, später auch in spanischer und englischer Sprache erschien, prangern das Wording rund um die Leihmutterschaft an: Dort werde nicht von der Leihmutter gesprochen, sondern von der „Austragenden“ oder „Geburtsspenderin“. Am unteren Ende der Skala des Anstands stehen Metaphern wie „Brotbackofen“ oder die Leihmutter als „Auto, das betankt wird“. Die Bestelleltern werden als Sponsoren verniedlicht, die sich ihren Wunschtraum nach einem Kind endlich erfüllen können. 

Kinder als Ware

Die feministische Soziologin und Mitautorin Lisbeth N. Trallori sieht die Leihmutterschaft als Form der Gewalt an den Frauen, die allerdings unsichtbar gehalten wird. Frauen würden zu Opfern der Ausbeutung ihrer Gebärfähigkeit, führte sie während der Buchvorstellung aus. Der Reproduktionsmarkt sei riesig und ein richtig gutes Geschäft auf Kosten von Frauen, die sich in der Regel in finanziellen Nöten befänden. Und noch mehr: „Kinder werden als Ware gesehen, die ,unversehrt‘ geliefert werden muss.“ Erschütternde Fälle, in denen etwa behinderte Säuglinge von den Bestelleltern nicht abgeholt wurden, pflastern die grausame Geschichte der Leihmutterschaft, erläutert Trallori.

Der vorgestellte Band geht auf zwei aktuelle Anlässe ein, die die Grausamkeit des Menschenhandels mit Leihmutterschaft entlarven: Nach dem schweren Erdbeben in Nepal – einer Hochburg der Leihmutterschaft – holten „Bestell“-Väter „ihre“ Babys aus dem Erdbebengebiet ab, während die Leihmütter im Elend zurückblieben. In der Ukraine ist das Schicksal von Leihmüttern und Kindern nicht erst seit dem Krieg unsicher: Schon aufgrund des Reiseverbots während der Covid-Pandemie warteten plötzlich hunderte Babys in einer Turnhalle, um von ihren „Bestelleltern“ abgeholt zu werden. Bis heute sei nicht klar, was mit diesen Kindern passiert ist. Mittlerweile ist der rege Handel mit „Bestellbabys“ in Georgien angekommen. Ab Januar 2024 wird die Leihmutterschaft aber auch dort verboten.

Gesundheitliche Risiken für die Leihmütter

Ein weiterer Aspekt der Leihmutterschaft ist die physische und psychische Gefährdung der Gesundheit von Leihmutter und Kind. Trallori spricht von einer Misshandlung des weiblichen Körpers: Die hormonelle Stimulanz und die ständigen ärztlichen Untersuchungen einerseits, die Knebelverträge mit den Bestelleltern andererseits stellen, so die Soziologin, eine Menschenrechtsverletzung ungeahnten Ausmaßes dar. Den Leihmüttern werde in der Regel ihr Tagesablauf in den neun Monaten der Schwangerschaft penibel vorgegeben, es werde bestimmt, wie sie sich zu ernähren haben, mit welchen Menschen sie Kontakt halten und in welchem Radius sie sich von zu Hause wegbegeben dürfen. Sie selbst müssten ständig den Bestelleltern über den Zustand der Schwangerschaft Bericht erstatten. Oft dürften sie nicht einmal entscheiden, ob sie eine natürliche Geburt oder einen Kaiserschnitt bevorzugen. Die Leihmütter würden auch angehalten, sich von ihrem Baby im Bauch maximal abzugrenzen. Der Sammelband zitiert dazu eine Leihmutter: „Ich habe das Kind gar nicht in meinem Körper gespürt, sondern das Kind eher neben mir als in mir erlebt.“ 

Das zweite „Opfer“ ist das Baby, das epigenetisch der Leihmutter verbunden ist und sofort einer (im besten Fall) anderen Frau, die nun die Mutter sein soll, übergeben wird – eine traumatische Erfahrung, erklärt die Journalistin und Mitautorin des Buches Eva-Maria Bachinger. Außerdem habe jedes Kind auf Basis der UN-Kinderrechtskonvention das Recht auf Kenntnis seiner Herkunft, so Bachinger. Umgekehrt gebe es kein Recht auf ein Kind. Es verstoße auch gegen die Menschenrechte, gleichsam als Ware gehandelt zu werden, führte sie aus.

Europaweiter Handlungsbedarf

In Österreich herrscht über alle Parteigrenzen hinweg Einigkeit, dass Leihmutterschaft frauen- und menschenrechtswidrig ist. Das betonten die anwesenden Vertreterinnen aller fünf im Parlament vertretenen Parteien bei der Diskussion. „Das Fortpflanzungsmedizingesetz in Österreich, das die Leihmutterschaft halbherzig verbietet, ist allerdings löchrig wie ein Emmentaler“, kontert Erwin Landrichter. Österreichische Eltern können unbehelligt mit Kindern, die von Leihmüttern in anderen Ländern ausgetragen wurden, einreisen. Einigkeit herrschte daher, dass es eines europaweiten Verbotes von Leihmutterschaft bedarf. 

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