Musik

Dimitri Arnauts: „In honorem Benedictum XVI.“

Der belgische Komponist Dimitri Arnauts legt eine musikalische Hommage an den verstorbenen Papst vor.
Dimitri Arnauts
Foto: Reiter | Bach und Benedikt XVI. als Inspiration: Dimitri Arnauts.

Der belgische Komponist Dimitri Arnauts hat die Orchestermeditation „In honorem Benedictum XVI“ vorgelegt, die auf die Notenbuchstaben des Namens Joseph Ratzinger komponiert wurde. Er habe sie „mit kindlicher Liebe, Ehrfurcht und Respekt“ verfasst, betont Dimitri Arnauts-Kolokolov gegenüber der „Tagespost“. Er fühle sich mit dem verstorbenen Papst „in Glaube, Hoffnung und brüderlicher Zuneigung“ vereint. „Möge Gott sein Gebet erhören und ihn in sein Licht und seine Barmherzigkeit eintreten lassen.“

In seiner Meditation erkennt man Fragmente aus vier bekannten Hymnen, darunter ausgerechnet zwei davon aus der Feder Martin Luthers. So hat dessen Adventslied „Nun kommt der Heiden Heiland“ Pate gestanden, das auf den altkirchlichen Hymnus „Veni redemptor gentium“ des Ambrosius von Mailand (339–397) zurückgeht. Anklänge aus dem Kirchenlied „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“ sind ebenfalls herauszuhören. Aber auch die Kirchenkantate „Ach wie flüchtig, ach wie nichtig“ von Johann Sebastian Bach (BWV 26) schimmert durch. Der ökumenische Aspekt im Bemühen Benedikts XVI. in dessen Dialog mit der Weltkirche spiegelt sich aber nicht nur wegen Luther wider, sondern sogar mit Anklängen an die israelische Nationalhymne „Hatikwa“ (Hoffnung).

Johann Sebastian Bach als wichtigster Lehrer

In Belgien ist Dimitri Arnauts-Kolokolov bereits mit einer Komposition auf den 1993 verstorbenen und im Volk noch immer sehr verehrten König Baudouin in Erscheinung getreten. Der Komponist wurde 1973 in Brüssel geboren. Hauptberuflich arbeitet er dort in einem Architekturbüro, doch in seiner Freizeit widmet er sich der Musik. Tatsächlich ist der Komponist des Werks über Benedikt XVI. ein Autodidakt. Johann Sebastian Bach benennt er als seinen wichtigsten Lehrer, sowohl in der Musik als auch im Glauben. Inzwischen verfügt er bereits über ein kleines, aber beeindruckendes Oeuvre. Als Kind erhielt Arnauts Geigenunterricht an der städtischen Akademie. An der Sekundarschule im Brüsseler Stadtteil Woluwe lernte er darüber hinaus die Chormusik kennen. „Zuhause habe ich gerne mit meinen Brüdern zusammen gesungen, eher eine Art verspieltes Vokalgekritzel zwischendurch.“ Mitten im Techno-Trend der 1990er Jahre, der auch ihn ansprach, entdeckte Dimitri Arnauts die himmlische Musik der großen Meister des Barock, vor allem von Georg Friedrich Händel und Antonio Vivaldi. Dennoch war es seine bewusste Entscheidung, die Musik nicht zum Hauptberuf zu machen. Die erste Begegnung mit der Musik von Johann Sebastian Bach war die Johannespassion und wurde für den Hobbykomponisten ein Erweckungserlebnis der göttlichen Barmherzigkeit. „Erst dadurch habe ich Christus wirklich als Leidensbruder geliebt.“ Ein wenig fühlt sich Dimitri Arnauts als imaginärer Schüler des deutschen Komponisten.

Choralmelodien aus der deutschen Kultur und Glaubenstradition

Der Tod von König Baudouin 1993 war für ihn ein künstlerischer Wendepunkt. Der gläubige Katholik aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha war als regierender Monarch mit nur 62 Jahren einem Herzinfarkt erlegen. Arnauts komponierte einen langsamen Trauermarsch im Stil von Bachs Trauermotetten, der die tiefe Tragik und Schwere des Verlustes dieses beliebten belgischen Staatsoberhauptes wiedergeben sollte. Für Arnauts hat noch mehr als das rein biblische Wort die religiöse Musik eine Kraft, über das Leben nachdenken zu lassen: „Ich hatte das Glück, in einer Gesellschaft der 1980er und 1990er Jahre aufzuwachsen, in der das kirchliche Leben und der katholische Beitrag noch einigermaßen spürbar waren.“ Man solle nicht die Macht der Kunst und die Anmut der Musik unterschätzen, rät Arnauts. Zutiefst emotional tragende Musik könne Gläubige beleben, sie motivieren und sie auf den christlichen Pfad bewegen. „Ich wollte, dass die Musik wirklich bedeutungsvoll in der Seele dieses geliebten Papstes mitschwingt“, erklärt der Künstler gegenüber dieser Zeitung. „Daher meine Wahl für wohlbekannte Choralmelodien aus der deutschen Kultur und Glaubenstradition mit einem sofort erkennbaren Muster und einer spirituellen Bedeutung, die jetzt weit über die lutherische Gemeinschaft hinaus verstanden und gefühlt wird, vor allem dank Bach.“ Auch diese Melodien und hymnischen Bedeutungen haben laut Arnauts viel tiefere Wurzeln als gewöhnlich bekannt. Die lutherischen Verse und Melodien seien geschickte und schöne kreative Übersetzungen alter katholischer oder hebräischer Hymnen, Gebete, Psalmen ins Deutsche und in eine zugänglichere musikalische Form für Gottesdienste. Diese ewig gültigen Worte und Notizen sieht er als sichere Spur und Zeugnis, dass alle kleinen oder großen Zweige des Christentums aus einer gemeinsamen Wurzel stammen: der Wurzel von Jesse, David und Jesus Christus.

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Verbundenheit zu Papst Benedikt XVI.

Hier beginnt die Verbundenheit zu Papst Benedikt XVI., der mit seinem Bruder Georg Ratzinger einen ähnlichen Zugang zur Musik hatte. „Meine Kindheit war geprägt von der Ära Johannes Paul II. mit ihren vielen apostolischen Höhepunkten und historischen Umbrüchen“, erklärt Arnauts. „Ich war eigentlich kein besonderer Papst-Fan, hatte aber viel Respekt für diese prophetischen Gestalten mit ihren heroischen Lebenswegen.“ Doch dann kam Benedikt. „Als ich anfing, Oratorien und Passionsgeschichten zu komponieren, waren seine Reden und Zitate immer ein echter Schub, eine Art Rat oder höhere Einsicht, die genau zur richtigen Zeit meinen Lebensweg und Schaffensprozess kreuzte. Seine Worte nährten mich und kristallisierten mein intuitiveres Denken heraus.“ Sein bayerischer Akzent hatte für den Komponisten etwas von einer prophetischen Proklamation: „Bei jedem Wetter, gegen den Strom der Welt und trotz der damals sehr aggressiven Medien.“ Vor allem aber gab Benedikt XVI. eine Vorstellung vom Wahren als vertretbarem Wert, als Schatz, dem es nachzugehen gilt. „Das klang in seinen Worten sehr mutig. Und ich dachte auch, dass er ein Bild von Kleinheit abgibt, die dank Ehrwürdigkeit, Mode und Weisheit groß wird.“

Zuneigung und kindliche Liebe

Als Dimitri Arnauts die Nachricht erreicht, dass der emeritierte Papst schwer krank sei, überfiel es ihn: „Jetzt muss ich wirklich etwas für ihn schreiben!“ Damit wollte er ihm in dessen schwierigem Abschnitt des Leidens seine Zuneigung und kindliche Liebe als Gläubiger zum Ausdruck bringen. In einem Tag und einer Nacht schrieb er ein Orchestergebet und die symphonische Promenade – auf den Noten der Buchstaben, die den bürgerlichen Namen des Papstes bilden: Joseph Ratzinger. Wohl nicht ganz zufällig ähnelt die Basslinie unter den Noten des Namens „Joseph Ratzinger“ ein wenig einer Zeile aus Mozarts Zauberflöte, wo eine geheimnisvolle Choralmelodie die traurige Apotheose der Oper beschreibt.

Wir wissen, dass der Heilige Vater ein großer Verehrer von Mozarts Kompositionen war. „Ich wünschte ihm einfach, dass er seinem Schicksal heiter und freudig begegnet. Als eine Reise vom Menschen zu Gott, wie Gott zum Menschen eilt: wie ein Vater seinen Sohn wiedersieht.“ Daher die gleichzeitige Verwendung von zwei Choralmelodien aus der Tradition: „Veni Redemptor Gentium/Nun komm der Heiden Heiland“ und „Mit Fried und Freud ich fahr dahin“: Die beiden melodischen Bahnen kreuzen sich in einer ungewollt schönen Harmonie. Außerdem eine heitere, aber bescheidene Fuge aus „Ach wie flüchtig, Ach wie nichtig“, wie ein bayerischer Dorftanz. Dann unterbricht er den Musikschritt, um die Dies-Irae-Melodie erklingen zu lassen. „Die Tür zum Paradies ist vielleicht wie die der Geburtskirche im Heiligen Land“, mutmaßt Arnauts: sehr klein und niedrig. Jeder kann durchgehen, aber nur einer nach dem anderen, in demütigem Gebet um Gottes Gnade. Schließlich erklingt auch die israelische Hatikwa-Melodie als Vorgeschmack auf das himmlische Jerusalem. „Ein Endziel, das wir einander von ganzem Herzen wünschen müssen, einschließlich des verstorbenen Papstes Benedikt.“ Ein kurzer Dialog von Flöte und Oboe zeigt, wie er jetzt vielleicht auf seinen Bruder, seine Schwester und seine Eltern zugeht und sie umarmt.

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