Heute wäre er ein Medienstar: der Heilige Franz von Sales (1567-1622). Mit dreitausend Predigten und über 20 000 Briefen war der Ordensgründer, Mystiker und Kirchenlehrer so etwas wie ein moderner „Medienbischof“. In seinem Schrifttum ging es ihm um geistliche Begleitung und zugleich um das Werben, dass ein Leben in der Gegenwart Gottes pure Freude impliziert. Diese frohe Gottesliebe zeige sich in der Bejahung der Lebenswirklichkeit und in der von Gott mitgeschenkten Fülle – selbst über den Tod hinaus. Laut Genesis 1, 11 soll ein jeder in Demut, Sanftmut, Geduld und Optimismus die Früchte seiner Arbeit buchstäblich in Gottes Dienst stellen, denn alle Früchte will Gott. Jede nach seiner Art.
Doch die einstigen Tugenden, die dem „Gentlemen“ unter den Heiligen für den journalistischen Diskurs vorschwebten, scheinen aus der Mode gekommen zu sein. Statt kommunikativem Miteinander regieren heutzutage oft Cancel Culture und eine Schwerhörigkeit, ja Gehörlosigkeit gegenüber Andersdenkenden. Der Meinungspluralismus scheint eingedampft. An die Stelle von Diskurskultur, offener Meinungsbildung und Toleranz sind Vorurteile getreten, wo nicht mehr das bessere Argument gilt, sondern buchstäblich mit dem Hammer kommuniziert wird.
„Wer das Herz eines Menschen gewonnen hat,
hat den ganzen Menschen gewonnen“
Von Sales‘ Maxime „Deutlich in der Sache – aber freundlich in der Art“ ist der heutige Kampagnenjournalismus Lichtjahre entfernt. Diesem Klick- und Geschwindigkeitsjournalismus geht es weder um die Wahrheit, sondern um eine blinde Aufmerksamkeitshascherei, die Informationen nur als bloße Mittel zum Zweck einer überquellenden Turbomaschinerie instrumentalisiert. Was auf der Strecke bleibt, ist die Ausgewogenheit der Argumente.
Johannes von Guttenberg hatte mit der Erfindung des Buchdruckes und der Druckerpresse die Welt revolutioniert, von Sales mithilfe des Flugblattes ein Instrumentarium mit Breitenwirkung vergleichbar der modernen Sozialen Medien geschaffen. Doch ganz im Unterschied zur modernen Kommunikation, die dann den Turbo erst richtig zündet, wenn es um Anfeindungen und Hetze geht, setzte Sales in seiner Kommunikationsstrategie auf die Liebe zum Nächsten, die ganz konkret in der grundsätzlichen Annahme des anderen Menschen als Person besteht. Auch hier bleibt sein Menschenbild grundbildend für die Anerkennung und Toleranz der anderen Wesen als von Gott geliebten Personen.
Denken, Reden und Handeln mit Gottesbezug
Es ist dieser Gottesbezug, der nicht nur dazu führt, den Anderen in seiner Meinung zu achten und an seine guten Qualitäten zu glauben, sondern durch die gelebte Haltung der Liebe wird auch beim anderen Menschen der Wert der Liebe entdeckt und entzündet. Für den „Medienbischof“ wurde so das Herz zum Zentrum von Spiritualität und menschlicher Seele. „Wer das Herz eines Menschen gewonnen hat, hat den ganzen Menschen gewonnen.“ Wie einst König Salomo wünscht sich Sales ein „hörendes Herz“ – und dies gleichermaßen mit Blick auf die Medien und diejenigen, die tatsächlich taub sind.
Zuhören mit dem Herzen – diese liebende Anweisung ist es, die uns von Sales in unsere Zeiten hinein sendet.
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