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Schöne Vielfalt

Das 30. Internationale Musikfestival in Colmar ehrt Evgeny Kissin. Von Joachim Werz
Evgeny Kissin am Flügel, Vladimir Spivakov an der Violine und Mikhail Milman am Cello
Foto: Foto: | Evgeny Kissin am Flügel, Vladimir Spivakov an der Violine und Mikhail Milman am Cello.Bernard Fruhinsholz

Die elsässische Stadt Colmar mit ihrem pittoresken Charme lud dieses Jahr zum 30. Mal zum Internationalen Musikfestival (4.–14. Juli) ein. Anlässlich des Jubiläumsjahres ehrten die Veranstalter den Weltklasse-Pianisten Evgeny Kissin (*1971), dem diese zehn Tage gewidmet waren. Bereits im Jahr 1992 durfte der damals 20-jährige gebürtige Moskauer Kissin erstmals in Colmar beim Musikfestival auftreten, was verdeutlicht, dass er und das Festival eine langjährige Verbindung zueinander haben, die der Festivalchef und weltberühmte Violinist Vladimir Spivakov (*1944) 2018 ins Zentrum der gesamten Veranstaltung stellte, indem nicht nur Evgeny Kissin den umfangreichen Konzertreigen am 4. Juli mit Werken von Frédéric Chopin, Robert Schumann, Alexander Skrijabin und Claude Debussy eröffnete, sondern auch Kompositionen von ihm wie auch geliebte Werke im Zentrum des Musikfestivals standen. Während des gesamten Festivals wurde den Besucherinnen und Besuchern ein umfangreiches und vielfältiges Konzertprogramm geboten und brachte die geschichtsträchtige Stadt zum Klingen.

Neben den beliebten Abendkonzerten um 21 Uhr fanden über den Tag verteilt mehrere konzertante Veranstaltungen statt, die nicht nur an wunderbare Orte der Stadt führten, sondern auch Einblick in das breite Spektrum der klassischen Musik gaben.

Ein Höhepunkt des Festivals, der unmittelbar mit dem zu Ehrenden zu tun hatte, war das Kammerkonzert, bei dem Kissin auch einige seiner eigenen Werke aufführte (9. Juli) und damit zeigen konnte, dass seine zeitgenössischen Kompositionen zwischen kräftigem und filigranem Ausdruck changieren und er nicht nur als Interpret, sondern auch als Komponist gehört werden muss.

Ein zweiter Höhepunkt war der Abend, an dem Kissin den Konzertflügel nicht beachtete, sondern Zeugnis für seine jüdischen Wurzeln ablegte und Gedichte auf Jiddisch rezitierte (11. Juli). Sowohl mit seinen eigenen Kompositionen als auch mit den Gedichten demonstrierte der in Prag lebende Pianist seine Vielfalt. Eines der bemerkenswertesten zeitgenössischen Werke, das vom Russischen Nationalorchester und dem Starviolinisten Vladimir Spivakov am 8. Juli aufgeführt wurde, war das Silent Prayer von Guia Kantecheli (*1935): Die Vertonung eines russischen Gebetes, welches immer wieder von einer Sopranistin gesungen, von der Violine weitergebetet und vom gesamten Orchester rezitierend aufgenommen wurde. Dieses Konzert wurde weitergeführt mit Mozarts Klavierkonzert (KV 466), das der südkoreanische und mehrfach ausgezeichnete Pianist Seong-Jin Cho (*1994) spielte und mit dem Orchester in beeindruckender Weise harmonierte. Danach folgte die Polonaise aus Tchaikovskis Oper Eugen Onegin, die mit mitreißender Dynamik und einem faszinierenden Presto dargeboten wurde.

Den Abschluss bildete das Klavierkonzert op. 11 von Frédéric Chopin, welches Seong-Jin Cho präzise und in ausgezeichneter Abstimmung mit dem Nationalorchester spielte – alles unter dem Dirigat Vladimir Spivakovs. Das 30. Internationale Musikfestival in Colmar präsentierte Weltklasse-Musiker und gab bekannten und weniger bekannten Werken Klang-Raum. Wenngleich die sakrale und geistliche Musik in diesem Jahr sehr unterrepräsentiert war, so wird – letztlich auch wegen der beeindruckenden Sakralräume, wie beispielsweise die lange Zeit bikonfessionell genutzte Kirche Saint-Matthieu oder die Chapelle Saint-Pierre, in denen die meisten Konzerte stattfanden – den Hörenden bewusst, dass die Schönheit und Vielfalt der aufgeführten Werke etwas von dem spürbar werden ließen, was kein Komponist und Musiker von sich aus schaffen kann, sondern auf Höheres verweist.

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