Würzburg

Der Dicke Hund: Warum nur, warum?

Dass Mädchen sich in den Sozialen Netzwerken weiblich präsentieren und Jungen männlich, ist fraglos ein Skandal. Doch wer hat Schuld daran? Die "taz" hat sich der Sache zum Glück angenommen.
Schminktipps sind auf YouTube - noch immer - eine weibliche Domäne.
Foto: Artem Varnitsin/stock.adobe.com | Schminktipps sind auf YouTube - noch immer - eine weibliche Domäne.

Sozialingenieure aufgepasst: Es geht ums Ganze. Oder, wie die TAZ schreibt: um die „Gesamtgesellschaft“. Denn: Neue Studien zeigen, dass Frauen weiblich und Männer männlich sind. Und dass sie so jeweils auch voneinander denken. Die TAZ macht daraus: „Nutzer*innen von sozialen Medien denken in stereotypen Rollenbildern. Schuld sind aber nicht nur die Influencer*innen.“ Merke: Wenn Dir der Sachverhalt nicht passt, stelle die Schuldfrage.

Die Autorin des TAZ-Beitrags mit dem Titel „Sexismus im Netz: Umfragen von vorgestern“ regt sich darüber auf, dass eine Umfrage zeigt, was jeder Mensch, der nicht völlig verblendet ist, auch ohne Umfrage weiß: dass Mädchen sich eher für Schminktipps interessieren, während Jungen lieber Videos über Computerspiele schauen. Immer noch.

Wer trägt die Schuld?

Das ist fraglos ein Skandal, nachdem man jahrzehntelang Milliarden in Gleichstellungsinitiativen gepumpt hat. Ob es vielleicht auch etwas mit geschlechtsspezifischen Veranlagungen zu tun haben könnte, an die kein Gender-Mainstreaming rankommt? Unsinn! Schließlich klappt das ja in anderen Bereichen mit der Umerziehung auch. Seitdem es „Girl's Days“ gibt, ist der Frauenanteil in den MINT-Fächern explodiert. Auch, wenn die Statistiken etwas anderes sagen. Wer hat da eigentlich die Schuld?

Die TAZ schreibt „Sexismus“, meint aber ganz normale Interessen von Usern. Aber was heißt schon normal?! Normal ist, was man daraus macht. Und da haben wir alle versagt. Schuld sind erst mal die „Influencer*innen“, die partout nur das anbieten, was nachgefragt wird. Verflixt und zugenäht: diese Marktgesetze (Schuld: Adam Smith)! „Das Ergebnis: entmutigend“, resümiert die TAZ. Warum nur, warum?

Die Verzweiflung der Autorin („erschütternd“) kennt jedoch ein Ventil: Die „Gesamtgesellschaft“ muss ran. Sie hat dafür zu sorgen, dass der junge Mann, der auf Youtube Schminktipps gibt, so gehyped wird (verantwortlich: die „Gesamtgesellschaft“), dass eben diese „Gesamtgesellschaft“ wiederum den Eindruck hat, es sei für einen Jungen völlig normal, Schminktipps zu geben. Man müsse, so die TAZ, die Ausnahmeerscheinungen, die man so gern als Normalität ausweisen würde, „aus ihrer Nische rausholen“. Verzerrung der Wirklichkeit? Sozialingeniöse Kreativität!

Naiv und autoritär

Besonders schlimm: die weibliche „Selbstinszenierung“. Es kann doch nicht sein, dass Frauen und Mädchen tun und lassen, was sie wollen! Also: Was sie „selbst“ wollen. Wo kämen wir da hin! Die Lösung: gesamtgesellschaftliche Intervention. Und hierbei müssen wir alle helfen: „Das zu schaffen, ist jedoch nicht einzig und allein die Aufgabe von jungen Menschen, sondern eine, die die Gesamtgesellschaft schaffen muss.“ Ergo: Ändern die jungen Menschen ihre Interessen nicht von selbst, guckt Petra also weiter den Beauty-Kanal und Peter das Tutorial für Ballerspiele, kommt die Gesamtgesellschaft vorbei. Es gilt die alte 68er Maxime: Wer nicht hören will, muss fühlen.

Dass in dem TAZ-Artikel der Eindruck erweckt wird, es sei nicht nur falsch (vulgo: „vorgestern“), sich als Mädchen oder Frau weiblich und als Junge oder Mann männlich zu zeigen, sondern es sei entsprechend auch die Aufgabe der „Gesamtgesellschaft“, ein solches Verhalten zu unterbinden, ist mehr als naiv. Es ist – konsequent zu Ende gedacht – totalitär. Und das unter dem Konzept der Gleichberechtigung verhandelt zu sehen und mit – wer wollte dann noch widersprechen? – Anti-Sexismus zu bemänteln, ist – ja: ein dicker Hund.

Themen & Autoren
Josef Bordat Adam Smith Gleichstellungspolitik Social Media

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