Häufig ist der Arbeit ein schlechter Leumund beschieden. Daran konnte kein Workaholic etwas ändern. Denn wenn die Arbeit und mit ihr die Wirtschaftssysteme das menschliche Maß verlieren, bleibt der Mensch auf der Strecke. Am Anfang war es nicht so: Gott gab dem Menschen „seinen Wohnsitz im Garten von Eden, damit er ihn bearbeite und hüte“, heißt es im Buch Genesis. Daher lieben viele Menschen ihre Arbeit. Arbeit ist Ausdruck der Menschenwürde, ein Feld, die eigene Persönlichkeit zu entwickeln. Sie verbindet mit anderen Menschen, schafft die Mittel zum Unterhalt der eigenen Familie und erlaubt zur Verbesserung der gesellschaftlichen Bedingungen beizutragen. Sie ist zudem ein Weg zur Heiligkeit und zum Apostolat.
Bedeutung der Arbeit
Gerade um letzteres geht es einem kleinen Büchlein von knapp 100 Seiten, das im Fe-Verlag erschienen ist. Anlass zur Veröffentlichung war ein Kolloquium mit dem Prälaten des Opus Dei, Fernando Ocáriz, in dem es um den Beitrag des heiligen Josefmaria Escrivá (1902–75) zur Heiligung der Arbeit ging. Um dem Leser die thematische Einordnung zu erlauben, eröffnen ein kurzer historisch-theologischer Überblick von Javier López Díaz, dem Inhaber des Josefmaria Escrivá-Lehrstuhls an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom und eine Einführung von Maria Aparecida Ferrari das Buch, in dem es um die Wiedergewinnung einer im Schöpfungsplan angelegten Wirklichkeit zum christlichen Leben geht.
Bis zum vierten Jahrhundert hatten die Gläubigen noch ein lebendiges Bewusstsein davon, in der Taufe geheiligt und deshalb zur Heiligkeit berufen zu sein. Im Neuen Testament fanden sie die Grundelemente, um die christliche Bedeutung der Arbeit erfassen zu können. Paulus ermahnte zur Arbeit. Die Getauften verstanden sich als Kinder Gottes, Miterben Christi und Teilhaber an seiner Priesterschaft. All das ließ sich in der täglichen Arbeitstätigkeit leben und entfalten. So schrieb Tertullian Ende des zweiten Jahrhunderts: „Daher wohnen wir mit euch in dieser Welt zusammen … Wir betreiben mit euch zusammen die Schifffahrt, tun mit euch Kriegsdienst, treiben Ackerbau und bringen dann unsern Erwerb in den Handel, die Erzeugnisse unserer Kunstfertigkeit und unserer Arbeit geben wir öffentlich zu eurem Gebrauche hin.“
Heiligung im Alltag
Die Arbeit zu heiligen war der Ansatz des heiligen Josefmaria Escrivá, der von der Heiligung der Arbeit als Dreh- und Angelpunkt des geistlichen Lebens sprach. López erläutert hierzu: „Der theologische Reichtum von Escrivás Lehre rührt gerade aus dem Umstand, dass er die Heiligung der Arbeit ausdrücklich mit den Taufgaben verknüpft – insbesondere mit der Adoptivkindschaft, was ihn die Arbeit als ,die Arbeit eines Kindes Gottes‘ zu qualifizieren erlaubt, sodass jede Obliegenheit ,zu einem göttlichen Werk‘ werden kann. Sodann verknüpft er sie auch mit dem gemeinsamen Priestertum, das dem Christen ein Mitwirken an der priesterlichen Mittlerschaft Christi ermöglicht, dadurch dass er die eigene professionelle Arbeit Gottvater darbietet, nachdem er sie auf die bestmögliche Weise, engagiert und im Gehorsam gegenüber dem göttlichen Willen zu Ende gebracht hat. Und drittens verknüpft der heilige Josefmaria die Arbeit mit dem Erbe der Kinder Gottes. Denn die Christen können nach Gottes Willen dank der Arbeit an der Heiligung der Menschen und an der Gestaltung von Gesellschaft und Welt mitwirken und so bereits auf dieser Erde Besitz ergreifen von dem ihnen zustehenden Erbe, das sie in Fülle erst in der Herrlichkeit erlangen werden.“
In den Beiträgen von Ferrari und dem Gespräch mit Ocáriz spielt die praktische Seite dieser Lehre die größere Rolle. Etwa die Frage an Escrivá: „Sagen Sie uns doch etwas über die tägliche Arbeit, die manchmal so lästig ist, dass sie geradezu sinnlos scheint…“ und die Antwort des Heiligen: „Ich bin sicher, dass Du die Prosa deines Tages in Poesie verwandeln kannst, in epische Dichtung. Es ist doch gar nicht wahr, dass alle deine Tage gleich sind! Erfüllst du deine Tage mit Liebe, sieht jeder Tag anders aus“. Und: „Deine Arbeit, mit großer Freude und viel Liebe getan – froh aber auch, um gutes Geld zu verdienen, wieso nicht? –, ist zugleich Buße. Oder kommt dir an manchen Tagen dein Arbeiten nicht wie eine Strafe vor? Mir schon.“
Escrivá liebt das Konkrete: „Wir müssen uns an unserem Platz heiligen. Wenn ein Mann seine Frau sehr liebt, schenkt er ihr nichts Wertloses. Vielmehr gibt er ihr etwas, das für ihn ein Opfer war. Dasselbe sollte für den Umgang mit unserem Herrgott gelten. Wenn wir ihm unsere Arbeit darbringen wollen, müssen wir sie zunächst gut getan haben. Wir müssen mit Verlangen, mit Freude an die Arbeit gehen, weil Du mit ihr Geld verdienst und die Stellung der Deinen hebst, vor allem aber, weil Du mit deinem Arbeiten Gott Freude bereitest. Auch, weil die Arbeit ein Gebet ist und weil die Arbeit Würde verleiht“.
Ort der Begegnung mit dem Herrn
Johannes Paul II. griff diese Lehre des heiligen Josefmaria auf, als er daran erinnerte: „Für jeden Getauften, der Christus treu nachfolgen will, können die Fabrik, das Büro, die Bibliothek, das Labor, die Werkstatt, die häuslichen vier Wände zum Ort der Begegnung mit dem Herrn werden, der dreißig Jahre lang in der Verborgenheit leben wollte. Könnte man etwa daran zweifeln, dass die Zeit, die Jesus in Nazaret verbrachte, bereits wesentlicher Bestandteil seiner Heilssendung war? Auch für uns kann daher der scheinbar graue Alltag mit seiner Monotonie, seinen sich stets wiederholenden Handlungen den Wert einer übernatürlichen Dimension annehmen und auf diese Weise verwandelt werden“.
Ferrari merkt dazu an, dass der übernatürliche Aspekt dazu führe, die Arbeit im Rahmen der persönlichen Möglichkeiten weitgehend perfekt zu erledigen in dem Wissen, dass Gott mit diesen Fähigkeiten, ihrem Potenzial und ihren Grenzen rechne. Das Wesentliche geheiligter Arbeit bestehe nicht darin, sie menschlich gesehen oder in den Begriffen technischer Perfektion vollkommen getan und abgeschlossen zu haben, sondern dass sie aus Liebe zu Gott und im Dienst an den Menschen – wiederum aus Liebe – getan wurde.
Maria Aparecida Ferrari: Arbeit – ein Weg zur Heiligkeit für alle. Aus dem Spanischen von Thomas Merz. Fe-Medienverlag, Kisslegg 2023, 106 Seiten, EUR 5,–
Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.