Synodal
Warum die in Vorbereitung begriffene deutsche Synode nicht so genannt wird, sondern umständlich als „synodaler Weg“ bezeichnet wird, hat Kardinal Marx mit seinem Antwortschreiben auf die Einsprüche der Bischofskongregation und des Rates für die Gesetzestexte offengelegt: Ein bloßer „synodaler Weg“ erlaube es, sich den Rechtsnormen, die für eine Synode gelten würden, zu entziehen. Wie von Kardinal Marx in seinem Schreiben exemplarisch vorgeführt, kann man mit dieser Strategie die kirchenrechtlichen Vorgaben und die gesamtkirchlichen Wächterdienste und dadurch die verbindliche Glaubenslehre vollkommen ins Leere laufen lassen.
Ebenso strategisch wurde Frankfurt als Tagungsort bestimmt, ohne dass darüber von den deutschen Bischöfen befunden worden wäre: In Frankfurt haben die Synodalen das selbsternannte militante Reformzentrum der Kirche direkt nebenan und mit der Jesuitenhochschule Sankt Georgen dessen Thinktank vor Ort. Inwieweit die Jesuiten in diese Planungen einbezogen sind, zeigt ein Blick in die letzten drei Nummern der ordenseigenen Zeitschrift Stimmen der Zeit (Verlag Herder Freiburg). Zugleich werden darin zentrale inhaltliche Zielvorstellungen und Argumentationsmuster oder besser Anklagestrategien offengelegt. Im Juliheft (7/2019) wird man inne, dass der „Betroffenheitsgestus“ die theologische Argumentation ersetzen soll. Dies wird aus dem Beitrag „Macht in der Kirche – für einen postklerikalen synodalen Aufbruch“ des Innsbrucker Pastoraltheologen Christian Bauer ersichtlich: „Kirche und Macht hängen auf das Engste zusammen. Und somit leider auch Kirche und Missbrauch von Macht im Kontext von sexueller Gewalt …“.
Kirche in ihrer bisherigen sakramentalen Struktur wird als Ausdruck des Willens zur Macht entlarvt und mit dem Schlagwort „Klerikalismus ist strukturelle Sünde“ generell unter Anklage gestellt. Mittels einer einzigen tendenziösen Anekdote wird die gesamte theologische Prinzipienlehre ausgehebelt: „Während einer ekklesiologischen Vorlesung von Professor Ratzinger meldete sich ein Student und fragte, wie es angesichts all dessen mit der Macht in der Kirche stehe. Stimmen der Zeit (Verlag Herder Freiburg)Die Antwort des Professors sei gewesen: In der Kirche gebe es keine Macht, sondern nur eine Vollmacht.“ Tendenziöses Fazit des Verfassers: „Diese spiritualisierende Aussage steht in der Gefahr, die konstitutive, also zu ihrer irdisch-menschlichen Existenz gehörende Machtverstrickung der Kirche zu verschleiern.“ Ist erst einmal die Pastoralvollmacht der Bischöfe als Herrschaftswissen (Wissen ist Macht) aufgedeckt, erübrigt sich jede theologische Diskussion mit den alten Machthabern. Für sie ist nur ein Weg vorgezeichnet, der synodale: „Wenn die pastorale Amtsgewalt im übrigen Volk Gottes je wieder Autorität gewinnen will, dann bedarf es einer entschlossenen Selbstdepotenzierung durch freiwillige Einbindung in die Checks and Balances von demokratisch verfassten Synodalstrukturen.“
Damit hätte das Kirchenmodell von Hans Küng doch noch gesiegt und die Mehrheitsmeinung und der jeweilige Theologieprofessor hätte das Lehramt der Bischöfe und des Papstes abgelöst. Statt klerikaler Pastoralmacht wünscht der Verfasser „Wege der Selbstführung“: „Menschen nehmen ihre Seelenführung selbst in die eigene Hand. Denn jede (!) menschliche Unterwerfung unter den Willen von Anderen bringt auch die dunkle Seite pastoraler Macht ans Licht.“ Die Ausführungen von Bauer verstehen sich als Anleitung zum „Aufbruch in die synodale Nachfolgepraxis einer postklerikalen Kirche, die identitäres, totalitäres und autoritäres Denken in den eigenen Reihen überwindet“, beziehungsweise die Reihen von solchem säubert.
Abschließend benennt Bauer als Wunschkandidatin für die Synode Christiane Florin („Wir Geduldigen sind Komplizen“) und bestätigt damit, dass die Synodenstrategie mit dem emotionalen „Schmerz-Apriori“ (Sloterdijk) der Kritischen Theorie (Frankfurter Schule) operieren wird: Da die gemeinsame Grundlage im Bekenntnisglauben der Kirche und der sie tragenden sakramentalen Kirchenstruktur preisgegeben wurde, ist an die Stelle das emotional Betroffenmachende als einzige Wahrheitsquelle getreten. Von hier aus werden alle Überlieferungen, Aussagen von alten männlichen Machthabern, Glaubens- und Vernunftargumente unter Generalverdacht gestellt.
Ebenfalls ohne jeden ernstzunehmenden Bezug zur Prinzipienlehre reicht für den Jesuiten Klaus Mertens im Augustheft (8/2019) ein einziges Superargument, um den Entscheidungsspielraum der Kirche für dogmatische Entscheidungen ins Unabsehbare zu öffnen: „Niemand kann ausschließen, dass noch Entscheidungen über trennende Unterschiede ausstehen, die ,der Heilige Geist und wir‘ beschließen werden – und auch können. Die Kirche hat nicht die Freiheit dazu, sich für unfrei zu erklären. Sie hat vielmehr sowohl rechtlich als auch geistlich die Freiheit, Entscheidungen zu treffen. Denn in ihr ist die vorösterliche Legitimation der Zwölf durch Jesus mit der pneumatischen Freiheit der nachösterlichen zwölf Apostel verbunden.“
Dies liest sich wie die (pseudo-)theologische Legitimation des Artikels „Ruf nach Frauenordination“ von Gerhard Gäde im Septemberheft (9/2019). Bereits der redaktionelle Vorspann gibt wieder den hermeneutischen Rahmen der moralisierenden emotionalen Betroffenheitsperspektive vor: „Im Zuge der Aufarbeitung des Missbrauchs wird der Ruf nach grundlegenden Reformen und Strukturveränderungen in der Kirche immer lauter. Die Zeit drängt wegen des eingetretenen Vertrauensverlustes der Kirche.“ Gäde bezeichnet unverfroren die Lehrentscheidung von Papst Johannes Paul II. von 1994, dass die Praxis der Kirche, Frauen vom Empfang des Weihesakramentes auszuschließen, nicht revidierbar sei, als reine Privatmeinung, „deren Definition gerade ist, dass sie sich öffentlicher Prüfung und Befragung entzieht“. Bei den Gläubigen gäbe es auch „Denk- und Gefühlsbarrieren“, die es zu überwinden gelte, etwa bedingt durch die „fragwürdige Haltung der kirchlichen Morallehre zur menschlichen Sexualität“ und ein „überliefertes Frauenbild“. Als vorläufigen Ausweg schlägt er das Diakonenamt für Frauen vor: „Die Kirche wird wohl einen Spielraum haben, unter veränderten Bedingungen ihre Ämter neu zu definieren.“ Über die Diakonenweihe für Frauen sei dann eine „Teilhabe am Ordo des Bischofs“ erreichbar. Schließlich könne dann eine Frau als Diakonin „vom Papst in den Kardinalsstand berufen“ werden, dies bedürfe nur rein „kirchenrechtlicher Veränderungen“. Worin das Ziel besteht, wird auch hier nicht verschwiegen: „Auf diese Weise könnten nach und nach Frauen auch in den wichtigsten kirchlichen Leitungsfunktionen vertreten sein. Dies würde vermutlich im Laufe der Zeit weitere Schritte nach sich ziehen.“
Päpstliche Replik
Mit einer kurzen Replik hat der emeritierte Papst Benedikt XVI. in der Herderkorrespondenz (9/2019 Verlag Herder Freiburg) auf einen Artikel der Historikerin Birgit Aschmann, Mitglied im ZdK- Hauptausschuss, in der Julinummer der Zeitschrift (7/2019) reagiert. Aschmann hatte darin die Ansicht Benedikts zurückgewiesen, dass durch die Revolution von 1968 ein „sozial-moralischer Verfallsprozess” eingesetzt habe, der in ursächlichem Zusammenhang mit dem sexuellen Missbrauch Schutzbefohlener durch Kleriker in Zusammenhang stehe. Die Verfasserin sieht die Ursache weniger in einer „zu libertären Einstellung gegenüber Sexualität, sondern im Gegenteil in einer lehramtlich extrem weltfremden, restriktiven Haltung …“. Damit bringt die Verfasserin wiederum die künftige synodale Argumentation des Zentralkomitees auf den Punkt: Ursächlich sei „das innerkirchliche Unvermögen, mit den sexuellen Bedürfnissen derjenigen Priester adäquat umzugehen, die mit der zölibatären Lebensform haderten“. Auf die positivistische und rein soziologische Denkweise der Verfasserin hat Papst Benedikt geantwortet, dass in ihrem Beitrag „das Wort Gott nicht vorkommt, das ich zum Zentralpunkt der Frage gemacht habe“. Dies zeige die „Ernsthaftigkeit einer Situation auf, in der das Wort Gott in der Theologie sogar vielfach am Rand zu stehen scheint“.