30 Jahre nach der „Kopftuchaffäre von Creil“
L'Express erfragt die heutige Sicht der Protagonisten der „Kopftuchaffäre von Creil“ aus dem Jahr 1989. Damals starteten Alain Finkielkraut, Elisabeth de Badinter, Régis Debray und weitere Intellektuelle in „Le Nouvel Observateur“ einen an Bildungsminister Jospin gerichteten Weckruf, der sich zu einer nationalen Debatte auswuchs. Auslöser war der Ausschluss dreier Schülerinnen aus einem College, weil sie sich weigerten, im Unterricht ihr Kopftuch abzunehmen. Der Streit eskalierte, Religionsvertreter, linke Politiker, linke Presse und Anti-Rassismus-Organisationen nahmen das Verbot zum Anlass, es als „eine intolerante und ausgrenzende Entscheidung anzuprangern“. Der Aufruf an Minister Jospin warnte 1989: „Indem Sie de facto das muslimische Kopftuch – Symbol für die Unterwerfung der Frau - gestatten, stellen Sie Vätern und Brüdern einen Freibrief aus, und damit dem schlimmsten Patriarchat auf Erden.“ Heute sagt Elisabeth Badinter dem Express, sie bereue kein einziges Wort von vor 30 Jahren, denn die Lage schien den Unterzeichnern „überaus gravierend“: „Leider glaube ich, wir haben uns nicht geirrt.“ Hätte man die laizistischen Gesetze angewandt, wäre klar gewesen, dass „das Gesetz der Republik nicht mit sich handeln lässt“. Umso mehr, „als hinter diesen jungen offenbar instrumentalisierten Mädchen Leute stehen, die das forcieren und provozieren“. Einige Wochen später wurde die Affäre durch den marokkanischen König beendet. Er sagte: „,Hört auf damit‘, und alle haben akzeptiert – die jungen Mädchen und ihre Familien –, das Kopftuch im Unterricht abzunehmen. Diese kleinen in Frankreich aufgewachsenen Französinnen fügen sich zwar nicht dem Gesetz der Republik, aber den Weisungen des Königs von Marokko“, fügt Badinter hinzu. Finkielkraut zitiert Ortega y Gasset. Dieser spreche in seinem „Aufstand der Massen“ „von einem Recht auf historische Kontinuität. Frankreich muss dieses Recht unbedingt verteidigen; es ist das fundamentalste der Menschenrechte“.
Politisch korrekte Falle
„Trudeau ist mit seinem Moralismus in die eigene Falle getappt“, titelt Mathieu Bock-Côté im Figaro. Trudeau habe sich seit seinem Sieg von 2015 „weltweit als wahrer Inbegriff der diversitären Tugend zu erkennen gegeben, der die Pose des idealen Menschen, wie ihn die Theoretiker der politischen Korrektheit vorgezeichnet haben, liebt. Er war sogar stets bereit, auf Befehl dicke Tränen zu weinen, um sich für einst von der abendländischen Kultur tatsächlich begangene oder auch nur eingebildete Ungerechtigkeiten zu entschuldigen.“ Vier Jahre lang habe Premierminister Trudeau von der „Selbstgefälligkeit der globalisierten Eliten profitiert, die überzeugt sind, Kanada habe eine Vorbildfunktion für unsere Zeit“ – im Hinblick auf Diversität. Doch plötzlich: „Peng!“ Pünktlich zum Wahlkampfstart tauchte ein Foto von 2001 auf, wo er auf einem Fest zum Thema 1001 Nacht „seine Verkleidung zum Aladin so weit trieb, dass er sich braun anmalte“. Ein weiteres Foto zeige ihn als Schwarzen angemalt. Seit jeher hätten sich Menschen eben gerne verkleidet. Doch heute sehe man das anders: „Justin Trudeau wird des ,Blackfacing‘ beschuldigt“. In Anglo-Kanada nehme man die Sache sehr ernst: „Die Ehre des Premierministers ist beschädigt! Manche rufen nach seinem Rücktritt! Seien wir ehrlich: Etliche Leute, besonders von der Rechten, amüsieren sich darüber, wie der Chefmoralprediger des kanadischen Multikulturalismus seine eigene Medizin schlucken muss. Keiner zweifelt nur eine Sekunde, dass ein Kandidat einer anderen Partei sofort hinausgeworfen worden wäre“, wenn er das Gleiche getan hätte. Trudeau selbst hätte ihn beschuldigt, „die kanadischen Werte verraten zu haben“. Doch nun „geht Trudeau in die Knie und bringt in theatralischer Weise seine Entschuldigungen vor. Er sagte: ,Ich hätte das nicht tun dürfen. Ich hätte wissen müssen, dass ich es nicht hätte tun dürfen, und ich bedaure das zutiefst. Ich dachte nicht, dass es damals rassistisch war, aber jetzt weiß ich, dass es rassistisch ist‘.“ Der Premierminister habe sich „öffentlich gedemütigt, indem er sich der schlimmsten Sünden in der Hoffnung anklagte, ein neues Kapitel aufzuschlagen und die Absolution des diversitären Klerus zu bekommen. Die Revolution frisst stets ihre eigenen Kinder“. Die Frankokanadier „scheinen die einzigen zu sein, die einen kühlen Kopf bewahren. Angesichts dieses angelsächsischen Wahns rufen sie zur Ruhe auf und erinnern daran, dass es keinen Sinn habe, Trudeau im Nachhinein ein Verhalten vorzuwerfen, das 2001 nicht als moralisch falsch betrachtet wurde“. Das, „was Anglo-Kanada als Skandal betrachtet, ist für die Frankokanadier eine groteske Komödie“. Bock-Côté wird am 21. Oktober zur Wahl gehen. Es werde dabei viele ausgezeichnete Gründe für seine Stimme gegen Trudeau geben: „Seine Inkompetenz, sein rasender Multikulturalismus, seine intellektuelle Oberflächlichkeit und seine tief verwurzelte Feindseligkeit gegenüber der frankokanadischen Bevölkerung. Aber man sollte ihn dennoch nicht des Rassismus beschuldigen. Bei der Unterwerfung unter antirassistische Tugendligen gibt es Grenzen.“
Aufsätze über den Klimawandel
Ross Clark meint im Spectator über streikende Schüler: „Sie sind traumatisiert. Sie sind ein Spiegelbild der übertreibenden Berichte über den Klimawandel durch Al Gore und Hollywood – durch Aufnahmen von Bränden, Hurrikanen und schmelzenden Eisbergen, um den Eindruck eines drohenden Untergangs zu vermitteln.“ Wissen diese Kinder, „dass Hurrikane zu einem tropischen Klima natürlicherweise dazugehören und es sie seit Jahrtausenden gibt?“ Schüler sollten lieber Aufsätze schreiben, etwa zur Frage: „Wird die Aussage ,die Erde stirbt‘ durch wissenschaftliche Beweise gestützt?“ Oder zur Frage: „Was bedeutete es für die Weltwirtschaft, wenn die Regierungen bis 2025 tatsächlich alle CO2-Emissionen beseitigten?“ Daten zur Stahlindustrie könnten herangezogen werden, „die besagen, dass diese für etwa sieben Prozent der globalen Treibhausgase verantwortlich sind – für sie gibt es noch keine Verfahren zur Entkarbonisierung, und ohne sie können wir etwa keine Windparks und keine Traktoren bauen, um die Äcker zu bestellen“. Die Kinder sollten prüfen, wie wir – die ausschließlich aus, nur zeitweise nutzbaren, erneuerbaren Energien erzeugte -Energie, speichern könnten, und wie wir die globale Lebensmittelproduktion aufrechterhalten, wenn man bedenke, dass ein erheblicher Teil der Treibhausgase durch Dünger und den Reisanbau verursacht werden. Darüber hinaus sollten sie beantworten, „welche Gruppen der Weltbevölkerung am meisten litten, wenn die Lebensmittelproduktion aufgrund der Reduktion von CO2 sänke“.
DT/KS