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Ich bleibe „Corona Christi positiv“

Jede Wirklichkeit kann aus der Lehre und aus dem Evangelium heraus beurteilt werden. Auch sexuelle Neigungen lassen sich so einordnen.
Toleranz, keine Voruteile
Foto: imago stock&people | Um zur Toleranz zu gelangen, sollte man die Vorurteile zurücklassen. Dennoch sind auch Vorurteile Ausgangspunkte einer fundierten Beurteilung einer Situation oder auch eines Verhaltens.

In seinen „Minima Moralia“ bekannte sich der Frankfurter Kulturphilosoph Theodor W. Adorno zum „Alexandrinismus“. Nur in dieser Denkform könne man heute als Intellektueller überleben, ohne sich lächerlich zu machen. Wahrscheinlich dachte er: Wer Position bezieht, macht sich angreifbar und verfällt der Kritik. Intellektuell fein heraus ist man, wenn man sich jeder positiven Stellungnahme entzieht und Kommentare zu Kommentaren von Kommentaren gibt, wie es die „Alexandriner“ in der Renaissance machten, die nichts Eigenes mehr entwickelten, sondern ihre Philosophie in immer differenzierteren Kommentaren erschöpften.

Dieser neomarxistischen Verdammung der Position bei gleichzeitiger Heiligsprechung der Negation begegnete man in den Niederungen deutschen Schulalltages dann in der geistigen Belästigung von Schülern, die sich nach dem Willen ihrer zeitgeistaffinen Lehre über Jahrgangsstufen hinweg bis zum Überdruss mit dem „Vorurteil“ oder seiner Steigerung, dem „Tabu“ befassen mussten.

„Wer immer es zu wagen behauptet,
die vielfältigen sexuellen Selbstverwirklichungen (...)
seien wertethisch und von der Heiligen Schrift her zu sichten,
wird geköpft“

Nun neigt der wache Pennäler zum Widerspruch – und so machten wir uns eine Freude daraus, unsere Lehrer mit der Behauptung zu ärgern,wir seien unbedingt für Vorurteile, ohne sie komme man schließlich nicht zu Urteilen. Das Denken, das sei ja nicht verboten. Dass auch Tabus cool sind, wussten wir damals noch nicht so gescheit zu begründen; heute weiß die moderne Kulturanthropologie sie als vormoralische Instanzen zu schätzen.

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Der Alexandrinismus ist durchaus nicht tot; zumindest hängen weite Teile moderner Theologie noch diesem Käse von gestern an. Wer immer es zu wagen behauptet, die vielfältigen sexuellen Selbstverwirklichungen im Gefolge der sexuellen Revolution, auch die bunte Diversität der Identitäten und der Sozialformen, die sich daraus ergeben haben, seien wertethisch und von der Heiligen Schrift her zu sichten, wird geköpft. „Wir müssen wirklich aufpassen, dass wir diese Texte (der Bibel) nicht dazu missbrauchen, Traditionen zu zementieren, die in einer freiheitlichen, aufgeklärten Gesellschaft nicht mehr zu vertreten sind“, meinte jüngst der Münsteraner Alttestamentler Ulrich Berges. Natürlich hat er Recht, wenn er damit meint, dass kein vernünftiger Mensch heute den barbarischen Zucht- und Strafmaßnahmen des Alten Testaments mehr zustimmen kann.

Was man nicht kennt, kann man nicht beurteilen

Aber hinter der Schutzwand dieser Feststellung ist längst die Sonne einer ethikfreien Zone aufgegangen. Von der Lebenswirklichkeit des homosexuell liebenden Menschen von heute könne ein biblischer Verfasser wie Paulus nichts gewusst haben. Ergo habe uns Paulus – wie im Übrigen die ganze Heilige Schrift – dazu auch nichts zu sagen. Interessant! Wäre aus dem heiligen Paulus noch einmal 1 Kor 13 herausgeflossen, hätte Gott ihm die Gnade geschenkt, dergleichen zu sehen? Oder hätte er einen Knüttel in die Hand genommen, um die Liebenden aus der Gemeinde zu jagen? Wir wissen es nicht. Ich bleibe jedenfalls „Corona Christi positiv“ und sage: Es gibt keine Wirklichkeit – schon gar keine sexuelle – die nicht von der Heiligen Schrift und der konstanten Lehre der Kirche her zu beurteilen wäre.

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