Trotz Protesten hat der Rowohlt-Verlag entschieden, Woody Allens Autobiographie „Ganz nebenbei“ wie zunächst angekündigt am 7. April zu veröffentlichen. Die Autobiographie des 84-jährigen Filmregisseurs und -schauspielers, der in den letzten fünfzig Jahren je nach Zählung 49 oder 50 Spielfilme gedreht hat, nachdem er in den 1960er Jahren im US-amerikanischen Fernsehen Karriere gemacht hatte, sollte zu demselben Zeitpunkt ebenfalls in den Vereinigten Staaten erscheinen. Dann stornierte aber der Hachette-Verlag, der in seinem Heimatland Allens Autobiographie veröffentlichen wollte, die Veröffentlichung. „Die Entscheidung, von Mr. Allens Buch Abstand zu nehmen, war schwierig“, sagte eine Sprecherin des Herausgebers in einer Erklärung. Schon zuvor hatte sich Amazon geweigert, Allens letzten Film „A Rainy Day in New York“ (DT vom 5.12.2019) auf dem US-amerikanischen Markt zu vertreiben.
Hintergrund der Weigerung des Hachette-Verlags, „Ganz nebenbei“ zu drucken, sind einerseits die Proteste seiner Mitarbeiter, andererseits aber auch die Drohungen von Ronan Farrow, dem Sohn von Allens früherer Lebensgefährtin Mia Farrow. Pulitzer-Preisträger Ronan Farrow baute seine Karriere auf der „MeToo“-Bewegung auf. Er war es, der mit einem Artikel den Fall von Filmproduzent Harvey Weinstein ins Rollen brachte. Ronan Farrow beschuldigt Woody Allen, seine Schwester Dylan Farrow 1992 sexuell missbraucht zu haben, als diese sieben Jahre alt war. Der heute 32-Jährige Ronan warf dem Hachette-Verlag „mangelndes Mitgefühl für die Opfer sexuellen Missbrauchs“ vor. Allerdings wurde der Vorwurf gegen Woody Allen, der mehrere Gerichte beschäftigte, nie belegt.
Unbelegte Vorwürfe und enttäuschte Rowohlt-Autoren
Eine andere Version liefert ein weiteres Adoptivkind Mia Farrows: Der damals 16-jährige Moses Farrow war an dem fraglichen Tag im Jahre 1992 zusammen mit Dylan und Ronan sowie mit drei Kindermädchen in Mia Farrows Landhaus. Moses sagt nun, es sei völlig ausgeschlossen, dass Allen seine Tochter unbeaufsichtigt auf den Dachboden geführt und missbraucht haben könnte. In seinem Blog schreibt Moses außerdem, nach ihrer Trennung von Woody Allen habe Mia Farrow ihren Kindern eingeschärft, was für ein „schrecklicher Vater“ Woody sei. Dabei habe vielmehr Mia ihre Adoptivkinder ständig angeschrien, geschlagen, eingesperrt, oder Gehirnwäschen unterzogen, damit sie kleine Vergehen gestehen.
Auf dem Höhepunkt der „MeToo“-Kampagne distanzierten sich auch Schauspielerinnen, die in Woody-Allen-Filmen aufgetreten waren, etwa Natalie Portman und Mira Sorvino, vom Regisseur. Nur: Keine von ihnen konnte angeben, von ihm belästigt worden zu sein. Gegen die deutsche Veröffentlichung im Rowohlt-Verlag protestierten namhafte Autoren des Verlages: „Wir sind enttäuscht über die Entscheidung des Rowohlt-Verlags, die Autobiografie von Woody Allen zu veröffentlichen“, teilten 15 Schriftsteller in einem offenen Brief mit. „Das Buch eines Mannes, der sich nie überzeugend mit den Vorwürfen seiner Tochter auseinandergesetzt hat, und der öffentliche Auseinandersetzungen über sexuelle Gewalt als Hexenjagd heruntergespielt hat, sollte keinen Platz in einem Verlag haben, für den wir gerne und mit großem Engagement schreiben“, heißt es in dem Schreiben weiter. Es gehe den Autoren nicht darum, das Buch grundsätzlich zu verhindern. „Allen mangelt es nicht an Möglichkeiten, sich mitzuteilen. Aber der Rowohlt Verlag muss ihn darin nicht unterstützen.“
Der Versuch, aufgrund von unbewiesenen Tatsachen eine Veröffentlichung, und damit auch die Möglichkeit verhindern zu wollen, die Sicht des Autors darzulegen, wäre schon einer Zensur gleichgekommen. Rowohlt hat sich dem Druck jedoch nicht gebeugt, und druckt nun doch Allens Autobiographie. Besonders ansprechend: Auf dem schwarzen Cover erscheint Name des Autos und Buchtitel in genau derselben weißen Schriftart, die Woody Allen für den Vorspann seiner Filme seit 1977 verwendet.
Woody Allen. „Ganz nebenbei. Autobiographie“. Erscheint am 7. April, Hardcover EUR 25,–
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