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„The Equalizer 3“: Das Heilige und die Gewalt

Denzel Washington schlüpft wohl zum letzten Mal in die ambivalente Rolle des Racheengels Robert McCall.
Denzel Washington
Foto: IMAGO (www.imago-images.de) | McCall tötet seine Kontrahenten nicht nur in gewohnt blitzschneller Manier, sondern weidet sich geradezu am Tod seiner kriminellen Gegner, indem er sie oft unnötig lange leiden lässt.

Die lose auf einer gleichnamigen Fernsehserie aus den 1980er-Jahren beruhende Actionfilmreihe „The Equalizer“, die im Jahr 2014 begann und 2018 fortgesetzt wurde, findet momentan auf der Kinoleinwand ihren anscheinenden Abschluss. Die Figur des Robert McCall, eines ehemaligen Militär-Agenten, der bereit ist, Menschen in Not mit der Waffe zu verteidigen, muss Hauptdarsteller und Hollywood-Superstar Denzel Washington wohl sehr am Herzen liegen, da der zweifache Oscarpreisträger und bekennende Christ in seiner rund 40-jährigen Kinokarriere zu keinem anderen seiner Filme jemals Fortsetzungen gedreht hat. 

Der neue Film, der aktuell in unseren Kinos läuft und erneut von Washingtons Regiekumpel Antoine Fuqua („Training Day“, „The Terminal List“) inszeniert worden ist, hat bereits am ersten Startwochenende seine Produktionskosten von 70 Millionen US-Dollar eingespielt und könnte damit der erfolgreichste Teil der Reihe werden. Da er nur lose mit seinen Vorgängern zusammenhängt, kann man sich den Film auch problemlos anschauen, wenn man die ersten beiden Teile nicht gesehen hat. 

Hinter der Idylle schlummert die Gewalt

Nachdem McCall sich in den Vorgängerfilmen mit der russischen Mafia und Verrätern aus den eigenen Geheimdienstreihen angelegt hat, kann der nunmehr 68-Jährige im dritten Teil seinen starken Hang zur Gerechtigkeit immer noch nicht hinter sich lassen: Nach einer spektakulären Schießerei auf einem sizilianischen Weingut, bei der er schwer verwundet wird, flieht er vom Ort des Geschehens, wird ohnmächtig von dem Carabinieri Gio (Eugenio Mastrandrea) geborgen und findet sich schließlich in der fiktiven süditalienischen Stadt Altomonte an der Amalfiküste wieder, wo er mit Hilfe des örtlichen Arztes Enzo (Remo Girone), der sich buchstäblich wie der „barmherzige Samariter“ um ihn kümmert, langsam wieder zu sich kommt und zunehmend Gefallen an seinem neuen idyllischen Zuhause findet. 

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McCall ist fasziniert von der herzlichen und gottesfürchtigen Lebensweise der Menschen an diesem Ort und kann sich vorstellen, seinen Lebensabend hier im Frieden zu verbringen. Während der Zeit seiner Genesung stellt er jedoch fest, dass die Bürger von Altomonte Schutzgeld an die Camorra zahlen müssen sowie von dieser Mafia-Organisation drangsaliert und in Angst und Schrecken versetzt werden. Da die korrupte Polizei sich aus allem heraushält, beschließt er, seine speziellen Kampffähigkeiten zu nutzen, um selbst für Gerechtigkeit zu sorgen und gegen die grausamen Erpressungsmethoden der Mafia vorzugehen. Somit greift er ein weiteres Mal zu jeder sich ihm bietenden Waffe, um die ihm am Herzen liegenden Menschen zu beschützen. 

Auch im Rentenalter behält der „Equalizer“ nicht nur den Überblick, sondern auch die Oberhand. Unterdessen verfolgt die CIA McCalls Spuren und ebenso die einer vermeintlichen Terrorgruppierung, nachdem die CIA-Agentin Emma Collins (Dakota Fanning) durch einen anonymen Hinweis McCalls auf den Fall angesetzt wurde. Action-Fans werden sich freuen, Fanning und Washington erneut in einem Film vereint zusehen, nachdem sie das letzte Mal 2004 in dem Action-Feuerwerk „Man on Fire“ zusammengespielt haben, wo sie aber damals erst zehn Jahre alt war. Doch der Film lebt, wie schon seine Vorgänger, weniger von seinem inszenatorischen oder inhaltlichen Erfindungsreichtum, als vielmehr von seinem Star Denzel Washington, der die Figur des Racheengels Robert McCall, ähnlich wie Keanu Reeves in seiner „John Wick“-Reihe, gewohnt souverän, charismatisch und mit einer enormen Leinwandpräsenz spielt. Seine intensive Darstellung eines explosiven Menschen hinter stoischer Fassade hebt die „Equalizer“-Filme vom Rest der dutzendfach produzierten Rache- und Selbstjustiz-Filme deutlich ab. 

„The Equalizer“ ist und bleibt ein extrem brutales Action-Franchise

Allein wenn er in einem Restaurant einen Tee bestellt, Löffel und Servietten akkurat auslegt oder einfach nur jemanden anstarrt, dann schaut man als Zuschauer gebannt hin. In Sachen Action schaltet „The Equalizer 3“ zwar im direkten Vergleich zu seinen Vorgängerfilmen einen Gang zurück und kommt mit vielen ruhigen Einstellungen und schönen Bildern von der Amalfiküste, Neapel und Rom daher, aber in Sachen Brutalität und Gewalt legt Teil 3 wiederum noch eine Schippe drauf, frei nach dem Motto: Rache ist ein Gericht, das man am besten eiskalt serviert.

McCall tötet seine Kontrahenten nicht nur in gewohnt blitzschneller Manier, sondern weidet sich wie der Killer Michael Meyers in „Halloween“ geradezu am Tod seiner kriminellen Gegner, indem er sie oft unnötig lange leiden lässt, sich mit einem sadistischen Blick an deren qualvollem und langsamen Ableben ergötzt und ihnen in die Augen blickt, während sie vor ihm sterben. Dabei hält die Kamera immer drauf und lässt für den Zuschauer nichts aus: Gleich zu Beginn des Films, wenn McCall eine Gruppe von Gangstern einen nach dem andern mit sadistischen Tötungen erledigt, kommt es zur wohl fiesesten Gewaltspitze der gesamten Filmreihe: McCall rammt einem seiner Endgegner den Pistolenlauf geradewegs ins Auge, nur um dann durch dessen Hinterkopf in Richtung seines nächsten Gegners zu schießen! Wer sich da nicht angewidert umdreht, der wird es dann spätestens im ethisch fragwürdigen Finale tun, wo es in einer Mafia-Festung zu einem großen Blutbad kommt. 

Es bleibt absolut nicht nachvollziehbar, wie der Film aufgrund seiner expliziten Tötungsszenerien aus rein effekthascherischen Gründen und unnötigen menschenverachtenden Gewaltspitzen eine Altersfreigabe von 16 Jahren bekommen konnte. Die Brutalität mit der McCall vorgeht, erschreckt angesichts seiner sonst so korrekten, ruhigen und höflichen Art. Wären seine Opfer nicht allesamt eindimensionale, böse Mafiaverbrecher, wäre er selbst wohl eher ein Psychokiller als ein Beschützer der Unterdrückten. 

McCall ist vom Katholizismus fasziniert

Der Film hat aber nicht nur zahlreiche geladene Waffen zu bieten, sondern ist auch an vielen Stellen religiös aufgeladen, indem er den katholischen Glauben der Menschen in Süditalien aufzeigt und wie wichtig ihnen Kirchen, Heiligen-Prozessionen, Gebete, Gottesdienste sowie Kreuze, Heiligenbilder-und Marienstatuen sind, die oft in Großaufnahme gezeigt werden und den ganzen Film über präsent sind. Das alles gehört bei den Bewohnern von Altomonte wie selbstverständlich zu ihrem alltäglichen Leben. 

McCall ist fasziniert davon und fragt in einer Szene die CIA-Agentin Collins vor dem Eingang zu einer Kirche, ob sie an Wunder glaubt. Sie verneint es, erlebt aber später tatsächlich eines. Er ist fasziniert von der Frömmigkeit des Ortes, vielleicht auch weil „das Heilige und die Gewalt“ von Urzeiten an eine unheilvolle Allianz gebildet haben und dem alttestamentlichen „Auge um Auge“-Prinzip die neutestamentliche „Feindesliebe“ und das Prinzip des „die andere Wange hinhalten“ gegenüberstehen. Wobei die Bibel in dem Film mehrmals groß zu sehen ist, aber unangetastet in einer Schublade in McCalls Zimmer liegen bleibt. 

McCall versucht am Anfang noch im Frieden zu bleiben, mit einem Blick auf ein Kreuz, die andere Wange hinzuhalten und nicht sofort zurückzuschlagen als er Unrecht zum ersten Mal wahrnimmt. Aber seine Vorsätze schwinden zunehmend mit dem Anwachsen der Bedrohung durch die Mafia. Am Ende des Films steht nicht mehr das Kreuz als Zeichen der Ohnmacht und Erlösung im Mittelpunkt, sondern die Figur des Erzengels Michael, der Satan mit seinem Schwert niederringt. 

„The Equalizer 3“ ist ein ambivalenter Film

Dient dieses religiöse Motiv dem Vigilanten als göttliche Legitimation seines Kampfs gegen das Böse in Form der Camorra? Kann man für sich den Frieden finden, indem man in den Krieg zieht? Kreuzzugsmentalität und christliche Friedensethik sind eigentlich nicht miteinander vereinbar und dennoch gab und gibt es immer wieder Versuche, Gewalt religiös zu legitimieren. Kann der Frieden nur durch Waffengewalt und Abschreckung gesichert werden? Vermehrt sich das Böse in der Welt, wenn man pazifistisch denkt und es nicht entschieden bekämpft oder vermehrt es sich in einem Teufelskreislauf, eben weil man es aktiv bekämpft? Soll es für jeden Menschen eine Hoffnung auf die Umkehr vom Bösen geben oder muss das Böse um jeden Preis vernichtet werden, ohne eine Chance auf Umkehr und Vergebung? Sind die Grenzen zwischen Gut und Böse in unserer Welt wirklich so klar gezogen wie in der Welt des „Equalizers“ oder durchzieht nicht die Fähigkeit zu beidem jedes menschliche Herz? Ambivalente Fragen in einem ambivalenten Film.

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