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Sylvester Stallone: Vom Action-Star zur oscarnominierten Kulturikone

Die Netflix-Doku „Sly“ gewinnt dem Filmstar neue Facetten ab.
Audienz beim Papst
Foto: IMAGO/Divisione Produzione Fotografica (www.imago-images.de) | Papst Franziskus empfing den amerikanischen Schauspieler und Regisseur Sylvester Stallone und seine Familie kürzlich in einer Privataudienz im Vatikan.

Der mittlerweile 77-jährige Action-Star Sylvester Stallone ist mehr als nur ein Muskelprotz, der vor allem durch seine ikonischen „Rocky“- und „Rambo“-Rollen weltberühmt wurde: Er ist auch ein oscarnominierter Schauspieler und Drehbuchautor, ein erfolgreicher Regisseur, Produzent und Synchronsprecher, ein Dichter, Künstler und Maler. All diesen mehr oder weniger bekannten Facetten von Stallones Karriere und Persönlichkeit geht die neue Netflix-Dokumentation „Sly“ auf den Grund und zeigt wie sehr seine Rollenauswahl stets sein Leben widergespiegelt und gleichzeitig massiv geprägt hat. 

Durchbruch mit Kino- und Oscarhit „Rocky“

Mit „Rocky“ kam für Sylvester Stallone im Jahr 1976 der langersehnte Durchbruch. Für seine Rolle als Underdog-Boxer, der sich von der Gosse bis ganz nach oben kämpft, erhielt der damalige Newcomer prompt eine Oscarnominierung als bester Hauptdarsteller und Drehbuchautor – drei Oscars gab es zudem für den „besten Film“, die „beste Regie“ sowie den „besten Schnitt“. Der Grundstein für eine Karriere war gelegt - eine phänomenale Karriere, die inzwischen fast 50 Jahre umspannt und die neben der Rocky- und Creed-Saga, mit Erfolgsfilmen wie der „Rambo“-Reihe, „Cliffhanger“ oder dem „The Expendables“ - Franchise gespickt ist. 

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Die neue Doku von Regisseur Thom Zimny zeichnet nun ein sehr intimes Porträt des Superstars, der dem Zuschauer persönliche Einblicke in sein Leben und seinen Werdegang gewährt und vor allem die Tiefschläge beleuchtet, die Stallone öfter in seinem Leben vor und hinter der Kamera einstecken musste, darunter auch den frühen Verlust seines Sohnes Sage Stallone, der im Alter von nur 36 Jahren 2012 an einem Herzinfarkt verstarb. „Sly“ ist teils ehrliche Retrospektive und teils pure Hollywood-Nostalgie. Interviews mit Bewunderern wie Quentin Tarantino, seinem Bruder Frank oder auch befreundeten Stars und Kollegen wie Talia Shire und Arnold Schwarzenegger runden dabei das Stallone-Doku-Paket ab. 

Seine Rivalität zu Arnold Schwarzenegger war legendär

Letzterer war viele Jahre lang sein schärfster Konkurrent an den Kinokassen. Es galt immer wieder sich gegenseitig zu übertrumpfen: Rambo gegen den Terminator, Rocky gegen Conan.  Wenn es darum ging, sich zu messen, wer von den beiden der größere Star mit den größeren Muskeln und Waffen war, haben sich beide nichts geschenkt. Arnie und Sly sind inzwischen Kollegen und Freunde geworden, die ihre früheren Rivalitäten mit Humor nehmen können, wobei ein gewisses Konkurrenz-Muster auch weiterhin bestehen bleibt: Jedes Mal wenn Stallone in den vergangenen Jahren erneut in seine Rambo-Rolle schlüpfte, zog Schwarzenegger nach und spielte wieder seine Terminator-Paraderolle.

Und als Sly letztes Jahr mit „Tulsa King“ zum ersten Mal ins Serienfach wechselte, zog es auch Arnie zum ersten Mal ins Fernsehen, in der Netflix-Serie „Fubar“. Deswegen war es, nachdem im Juni dieses Jahres die erfolgreiche Netflix-Dokuserie „Arnold“ über Arnie herauskam, natürlich nur eine Frage der Zeit, bis es auch eine Doku über Sly geben würde. Konkurrenz belebt das Geschäft. 

Seine Rambo- und Rocky-Figuren waren für Stallone stets mehr als nur erfolgreiche Goldesel, die ihm Ruhm und Anerkennung gebracht haben. Er verarbeitete in diesen beiden, voneinander sehr verschiedenen, Kultfiguren zahlreiche Erfahrungen aus seinem eigenen turbulenten Leben und sieht sie als zwei Seiten seiner Persönlichkeit an, die eine Seite in ihm, die ein einsamer Wolf ist, voller Wut, Ablehnung und Schmerz und die andere Seite, die die ganze Welt am Liebsten umarmen würde.

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Auf die Frage, ob seine eigene Familiengeschichte auch in das Vater-Sohn-Drama in „Rocky V“ eingeflossen ist, antwortet Stallone: „Leider ja! Vieles davon ist wahr. Leider stellt man im Leben Dinge über seine Familie. Und die Auswirkungen sind ziemlich radikal und verheerend.“ Heute weiß er: „Nicht meine Karriere, sondern meine Familie, ist alles, was zählt. Ohne diese Liebe hat man letztlich nur Bilder von etwas, das nie wirklich existiert hat", gesteht er in einem der emotionalsten Momente der Doku.

Erfolge und Niederlagen haben Stallone geprägt

 „Bereue ich etwas? Verdammt, ja, ich bereue so manches“, sagt er im Rückblick auf sein Leben, in dem nicht alles glatt gelaufen ist und es viele Höhen und Tiefen gab. Und so spricht er auch offen über seine Kinoflops und Misserfolge und darüber, wie Herausforderungen ihn stets motiviert und vorangetrieben haben. „Sly“ zeigt, wie hartnäckig er gearbeitet hat und welche Risiken er eingegangen ist, um vom Hollywood-Außenseiter, den man zunächst wegen seiner Gesichtsnervenlähmung und Sprachbehinderung nicht ernstgenommen hat, schließlich zur Hollywood-Legende zu werden. 

Die Doku thematisiert auch Stallones schwierige Kindheit und die zerrüttete Beziehung zu seinem Vater. Als er mit seinem Bruder Frank im New Yorker Stadtteil Hell's Kitchen aufwuchs, waren seine Eltern „ständig am Schreien und Streiten“ und haben ihren Frust an ihren beiden Söhnen ausgelassen. Den gewalttätigen Einfluss, den sein Vater auf sein Leben hatte, bringt er auf den Punkt, indem er sagt: „Mein Vater war in Wirklichkeit wie Rambo. Nichts wurde je verbal gelöst.“ Bevor er später lernte die körperliche Überlegenheit seines Vaters auf seine Filmfiguren zu übertragen, reagierte er auf die andauernde häusliche Gewalt zunächst anders: Er schwänzte die Schule und prügelte sich immerzu mit anderen Jungs.

Die Rollen selber schreiben

Und so verwundert es auch nicht, dass die einzigen Rollen, für die er immer wieder angeworben wurde, nachdem er sich entschied Schauspieler zu werden, die von Schlägern und Raufbolden waren. Nach vielen erfolglosen kleinen Rollen, wurde ihm klar: Wenn er als Schauspieler Erfolg in Hollywood haben möchte, dann muss er zuvor Drehbuchautor werden. Wenn er nicht die Rollen bekommen konnte, die er haben wollte, musste er sich diese Rollen eben selbst schaffen, indem er sie sich auf den Leib schrieb. So entstand „Rocky“ - und der Rest ist Geschichte. 

„Sly“ ist somit sowohl das bewegende Porträt eines Action-Rabauken, der durch harte Arbeit zum oscarnominierten Künstler avancierte, als auch die Darstellung einer schwierigen Heldenreise sowie ein Zeugnis für die hohen Ansprüche, die ein Superstar an sich selbst im Leben stellt und an denen er oft zu leiden hat. „Sly“ ist seit dem 3. November auf Netflix verfügbar.

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