„Coming-of-Age“-Filme – zu Deutsch „Filme über das Erwachsenwerden“ – sind ein insbesondere in den Vereinigten Staaten populäres Filmgenre. Und Regisseur James Gray („Die versunkene Stadt Z“, „Ad Astra“) bietet in seinem zwölften Spielfilm „Zeiten des Umbruchs – Armageddon Time“, der nun als DVD erscheint, genau eine solche „Coming-of-Age“-Geschichte, die im New York des Jahres 1980 angesiedelt ist.
Zahlreiche Stars mischen mit
Im Mittelpunkt steht der 12-jährige Paul Graff (Michael Banks Repeta), der jüngste von zwei Söhnen einer jüdischen Familie aus dem New Yorker Stadtteil Queens. Sein älterer Bruder Ted (Ryan Sell) geht auf eine Privatschule, Paul beginnt aber das sechste Schuljahr in einer städtischen Schule. Bereits am ersten Tag macht er Bekanntschaft mit dem einzigen schwarzen Schüler in der Klasse, dem sitzengebliebenen Johnny Davis (Jaylin Webb). Johnny ist so etwas wie der Klassenclown oder der „Unruhestifter“, wie ihn Lehrer Turkeltaub nennt.
Lebt Johnny allein mit seiner kranken, bettlägerigen Großmutter, so scheint Pauls Familie eine grundsolide Familie zu sein, wobei die Raufereien mit dem älteren Bruder natürlich dazu gehören: Mutter Esther (Anne Hathaway) engagiert sich im Eltern-Lehrer-Beirat, Vater Irving (Jeremy Strong) ist wie die meisten Väter aus der Zeit zwar streng, will aber nur das Beste für die Familie. Der besondere Anker in Pauls Leben ist aber Großvater Aaron (Anthony Hopkins), der Einzige, der Pauls Künstler-Ambitionen versteht.
Aaron bringt aber seinem Enkel auch Werte bei, indem er ihm beispielsweise von seiner eigenen Mutter erzählt, die aus der Ukraine fliehen musste: „Vergiss nie die Vergangenheit“. Die beginnenden 1980er-Jahre sind eine Zeit des Umbruchs: Als sichtbares Zeichen verwendet der Film die Wahlreden von Ronald Reagan, die Pauls Familie mit Sorge im Fernsehen verfolgt: „Wir könnten die Generation sein, die Armageddon erlebt“, heißt es zum Beispiel in einer der Reden – daher der Originaltitel des Filmes „Armageddon Time“.
Regisseur Gray besuchte eine Trump-Schule
Neben der innigen Enkel-Großvater-Beziehung spielt in „Zeiten des Umbruchs“ die Freundschaft zwischen den beiden Außenseitern eine wichtige Rolle. Sie wird auf eine harte Probe gestellt, als Paul doch noch dieselbe Privatschule wie sein Bruder besuchen soll. Die Schule wird finanziell gefördert von einem gewissen Fred Trump (John Diehl), dem Vater von Donald Trump. Der ehemalige US-Präsident kommt zwar im Film nicht vor, dafür aber seine Schwester Maryanne (Jessica Chastain), ehemalige Schülerin und jetzige Staatsanwältin, die mit einer flammenden Rede über die Eliten die privilegierten Schüler zur „Exzellenz“ anspornt.
Diese Episode am Rande betont den autobiographischen Charakter von „Zeiten des Umbruchs“: Regisseur James Gray besuchte tatsächlich eine Privatschule, die von Fred Trump gefördert wurde. Auch die Rede von dessen Tochter Maryanne über die harte Arbeit als Schlüssel zum Erfolg fand so statt.
Trotz autobiografischer Elemente tappt Drehbuchautor und Regisseur James Gray nicht in die „Nostalgie-Falle“: Ihm geht es nicht darum, die Zeit über äußerliche Merkmale wie Kleidung, Ausstattung, Autos oder auch über die typische Achtzigerjahre-Musik wieder erstehen zu lassen. Stattdessen geht es Gray vielmehr um gesellschaftliche Zustände wie der bereits erwähnte Rassismus oder auch der latente Antisemitismus, die Pauls Familie immer wieder erlebt.
Erfolg ist nicht alles
Insofern bezieht sich der „Armageddon“, die apokalyptische Zeit im Original-Filmtitel eines Filmes, der klassisch inszeniert ist und mit herausragenden Schauspielern vom jungen Michael Banks Repeta über Anne Hathaway bis zur oscarreifen Darstellung Anthony Hopkins‘ punktet, auf den Zusammenbruch einer Gesellschaft, die eigentlich Erfolg als alleinige Frucht der eigenen Anstrengung preist, in der aber Vorurteile gerade das infrage stellen.
„Zeiten des Umbruchs – Armageddon Time“. USA 2022, 100 Minuten. Regie: James Gray. Auf DVD. EAN 4009750215463, EUR 12,99 (bei „goodmovies.de“).
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