Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Tagesposting

Revolution der Hoffnung

Die Angst vor der Zukunft lähmt. Besonders in Klimafragen. In diesem apokalyptischen Zustand der Hoffnungslosigkeit müssen wir lernen Licht zu bringen.
Der Augsburger Theologe Johannes Hartl
Foto: Noomi Krause | Wir sollten uns weigern, in den Chor der Negativität einzustimmen und einen geradezu revolutionären Akt wagen.

Vor wenigen Tagen feierte mein Abiturjahrgang das 25. Jubiläum (ja, da merkt man tatsächlich, dass man alt wird). Dabei sahen wir auch einen Film von unserer Abschlussfahrt nach Griechenland. Ein Wettlauf auf der Rennstrecke in Olympia: alle Jungs mit selbstbewusst entblößten Oberkörpern. Feuchtfröhliches Feiern in der Taverne, Herumalbern im Museum. „Wie unbeschwert wir waren“, meinte da auf einmal eine ehemalige Mitschülerin, „als läge uns die Welt zu Füßen.“

Lesen Sie auch:

In meiner Erinnerung waren die späten 90er Jahre tatsächlich eine Epoche, in der wir als Jugendliche sehr optimistisch in die Zukunft blickten. Die Mauer war gefallen, die Wirtschaft boomte. Anna wollte erstmal nach Sri Lanka, Tobias hatte schon ein kleines Unternehmen gegründet. Nun ja, die Türme des World Trade Centers standen auch noch und hätte uns jemand von etwas wie Corona erzählt, hätten wir es nicht geglaubt. Jeder Mensch neigt dazu, die Vergangenheit zu verklären. Dennoch werde ich das Gefühl nicht los, dass wir die lähmende Zukunftsangst weniger kannten.

Ein Klima der Hoffnungslosigkeit

 Die Stadt Augsburg bringt jedes Jahr ein Buch mit Texten von Schülern heraus. Dieses Jahr steht es unter dem Thema „laut“. Blättert man durch die Beiträge, gewinnt man den Eindruck, Deutschland sei ein schrecklich rassistisches Land, in dem ständig Menschen mit Migrationshintergrund von bösen Skinheads gejagt werden. Außerdem steht der klimabedingte Weltuntergang bevor, schreibt Lenya, 6. Klasse und die gepeinigten Tiere ächzen unter den schlimmen Bedingungen der Milchwirtschaft. Meine Teenager derweil beklagen sich. Es gebe praktisch kein Schulfach mehr, in dem es nicht ständig um die Klimakatastrophe gehe. Da übertreiben sie bestimmt.

Doch eigenartig ist es schon: es ist gar nicht einfach, den Wetterbericht im Fernsehen oder auch nur die Wettervorhersage auf der Wetter-App zu lesen, ohne die Portion Apokalypse mitgeliefert zu bekommen. Der Gardasee führt zu wenig Wasser und in Kalifornien brennt es. Die Wetterkarte zeigt Süditalien mit 37 Grad in tiefstes Dunkelpurpur eingefärbt. (Welche Farbe kommt eigentlich bei noch heißeren Temperaturen?) Der obligatorische Disclaimer kommt natürlich spätestens jetzt: nein, die tatsächlichen ökologischen Probleme sollen keineswegs geleugnet werden, und ja, auch Schüler dürfen und sollen darüber etwas lernen.

Lesen Sie auch:

Was mich umtreibt ist das Klima der Hoffnungslosigkeit, das uns allgemein zunehmend umgibt. Bei Licht betrachtet leben wir in einer Epoche unvorstellbaren Reichtums. Welcher antike Kaiser hätte sich eine Auswahl an Speisen und Getränken vorstellen können, die einem deutschen Durchschnittsverdiener zur Verfügung stehen? Wieviel Prozent der Menschen, die je auf Erden gelebt haben, konnten warmes Wasser per Knopfdruck aus der Wand lassen und den Winter über bei angenehmen 20 Grad in einer hellen Wohnung verbringen? Wieviel Prozent der gesamten Menschheit hatte je so wenig Erfahrung mit Hunger wie unsere Epoche? Wir sollten uns weigern, in den Chor der Negativität einzustimmen und einen geradezu revolutionären Akt wagen: Hoffnung verbreiten.

 

Der Autor ist Leiter des Gebetshauses Augsburg.

Die Printausgabe der Tagespost vervollständigt aktuelle Nachrichten auf die-tagespost.de mit Hintergründen und Analysen.

Themen & Autoren
Johannes Hartl Johannes Hartl Rassismus Zukunftsangst

Weitere Artikel

Kirche

Wer auch immer in der jüngeren Vergangenheit an der Seite eines Papstes stand: Die Privatsekretäre hatten einen nicht unbeträchtlichen Einfluss, allerdings nur auf Zeit – Ein Überblick ...
26.09.2023, 19 Uhr
Ulrich Nersinger