Nach sechsjährigem Aufenthalt in Italien trat Kaiser Otto I. im August 972 die Rückreise in seine Heimat an. Der vor 1111 Jahren geborene Herrscher erreichte pünktlich zum Palmsonntagsfest Magdeburg, wo er im Dom die bereits im Jahre 968 bei Papst Johannes XIII. erwirkte Gründung des Erzbistums verkündete. Er zog weiter nach Quedlinburg, um Ostern zu feiern. Zu Christi Himmelfahrt weilte der Kaiser in Merseburg. Weiter ging es in die Pfalz Memleben, wo er am 7. Mai 973 plötzlich und unerwartet starb. Die im heutigen Sachsen-Anhalt gelegenen vier Otto-Orte nehmen den 1050. Todestag des 936 zum König des ostfränkischen Reiches erhobenen und 962 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönten Ottos I. zum Anlass für zahlreiche Ausstellungen und Veranstaltungen.
Welche Taten werden Bilder?
Im Magdeburger Dom liegen die sterblichen Überreste des Kaisers in der originalen Marmortumba. Sie steht zwischen den östlichen Vierungspfeilern. Der ottonische Dom brannte 1207 ab, doch im 1520 vollendeten gotischen Neubau befinden sich antike Objekte, die Otto aus Italien mitbrachte, etwa der Taufstein sowie Säulenschäfte. Zwischen Dom und Kulturhistorischem Museum liegt das Ottonianum, in dessen Dauerschau Ottto der Große und seine erste Ehefrau, die ebenfalls im Dom bestattete englische Prinzessin Editha, Hauptrollen spielen.
Im Kulturhistorischen Museum läuft die Sonderschau „Kaiser Otto in der Erinnerung späterer Zeiten – Welche Taten werden Bilder?“. Die Exponate vom Mittelalter bis zur Gegenwart sind thematisch geordnet. Sie beziehen sich auf wichtige Ereignisse in Ottos Leben, stellen ihn als Stifter und Gründer von Bistümern, Klöstern und Kirchen vor oder feiern seine Heldentaten. Als seine wichtigste gilt der mit Kontingenten aus allen Teilen des ostfränkischen Reiches anno 955 errungene Sieg über die „heidnischen“ Ungarn auf dem bei Augsburg gelegenen Lechfeld. Tatkräftige Hilfe leistete dabei der später heiliggesprochene Bischof Ulrich von Augsburg. Daran erinnert das als Pilgerzeichen dienende „Ulrichskreuz“ (17. Jahrhundert) sowie Historienbilder wie der von Wilhelm Lindenschmit dem Älteren gemalte Einzug Ottos des Großen und des Bischofs Ulrich in Augsburg nach der Schlacht auf dem Lechfeld (entstanden vor 1846).
Besondere Aufmerksamkeit widmet die Schau den „starken Frauen“ aus Ottos Umfeld. Hier treten die 946 gestorbene Editha und die italienische Königswitwe Adelheid auf, die Otto 951 heiratete. Ein Holzschnitt (1501) aus der Werkstatt Albrecht Dürers zeigt die Kanonisse und Dichterin Roswitha von Gandersheim, die dem Kaiser ihr Epos „Die Taten Ottos“ überreicht. Eine kleinformatige Reproduktion vertritt das von Otto Marcus im Sitzungssaal des Quedlinburger Rathauses geschaffene Wandbild „Weihe Mathildes als Äbtissin von Quedlinburg“ (um 1900). Dargestellt ist ein Ereignis des Jahres 966: Der weißbärtige Kaiser überreicht seiner erst elf Jahre alten Tochter den Äbtissinnenstab des von ihm zum ewigen Gebetsandenken an seinen Vater Heinrich I. gegründeten Kanonissenstifts.
Sonderausstellung im Handschriftengewölbe des Merseburger Doms
Quedlinburg ist immer eine Reise wert. In der eindrucksvollen Krypta der Stiftskirche befinden sich die Gräber der Äbtissin Mathilde und ihrer gleichnamigen Großmutter. Diese war mit König Heinrich I. verheiratet, dessen Grab seit Jahrhunderten leer steht. Der berühmte Schatz der Stiftskirche umfasst überwiegend Geschenke des ottonischen Herrscherhauses. Otto der Große stiftete den aus Alabaster angefertigten „Kana-Krug“, der nach alter Überlieferung bei der biblischen Hochzeit zu Kana zum Einsatz gekommen sein soll.
Im Handschriftengewölbe des Merseburger Doms läuft ab 18. Mai die Sonderausstellung „Otto der Große, der heilige Laurentius und die Gründung des Bistums Merseburg“. Urkunden belegen Ottos umfangreiche Schenkungen zur Ausstattung des Bistums und dessen Domes. Handschriften verdeutlichen den besonderen Bezug Merseburgs zu Laurentius und dessen frühe Verehrung in der Bischofsstadt. Laurentius war der Tagesheilige der am 10. August 955 geschlagenen Lechfeldschlacht. Ihm hatte Otto für den Fall seines Sieges die Gründung des Bistums Merseburg gelobt. Besondere Attraktion in der Schau ist das jüngst erworbene Blatt aus jener Chronik, die Bischof Thietmar von Merseburg 1012 bis 1018 über die Ottonenzeit verfasste.
Er begehrte das Sakrament des Leibes und des Blutes
Zu Thietmars Gewährsleuten gehörte Ottos Zeitgenosse Widukind von Corvey, der in seinen „Taten der Sachsen“ über den plötzlichen Tod des Kaisers in Memleben berichtet. Mittags habe er sich heiter zu Tisch gesetzt. Später begann er aber zu fiebern und fiel in Ohnmacht. Aus dieser erwacht, „begehrte er das Sakrament des Leibes und des Blutes Gottes, nahm es und übergab ohne Seufzer mit großer Ruhe den letzten Hauch dem barmherzigen Schöpfer aller Dinge unter den Klängen der liturgischen Sterbegesänge.“ Thietmar ergänzt: „In der folgenden Nacht wurden seine Eingeweide in der St. Marien-Kirche beigesetzt; sein Körper aber ward einbalsamiert nach Magdeburg gebracht, wo er in allen Ehren und mit großer Trauer empfangen und in einen marmornen Sarkophag gelegt wurde.“
Zum Andenken an seinen Vater gründete Kaiser Otto II. in Memleben ein Benediktinerkloster. Von dessen ehemals über 80 Meter langer Monumentalkirche, die vermutlich die von Thietmar genannte Marienkirche ersetzte, sind einige Mauerreste erhalten. Die Monumentalkirche und die benachbarte Kirchenruine des 13. Jahrhunderts feiern nun dank QR-Code und Digitaltechnik auf dem Leihtablet oder dem Smartphone der Besucher ihre Auferstehung.
In den letzten Jahren untersuchten Archäologen das Klostergelände. Die Eingeweide Ottos des Großen haben sie zwar nicht entdeckt, gleichwohl aber interessante Schätze ausgegraben. Diese werden in einer Kabinettschau präsentiert. Sie trägt den leicht irreführenden, immerhin aber romantischen Titel: „Des Kaisers Herz – Archäologische Tiefenfahndung am Sterbeort Kaiser Ottos des Großen.“
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