
Im Unterschied zu seinem „Berufskollegen“ Superman verfügte Batman, mit bürgerlichem Namen Bruce Wayne, nie über übernatürliche Kräfte. Dank dieser durch und durch „menschlichen“ Konstitution des Superhelden sollte es den Zuschauer kaum überraschen, ihn im dritten Teil der von Christopher Nolan inszenierten Reihe sichtlich gealtert zu sehen. Denn „The Dark Knight Rises“ spielt gute acht Jahre nach seinem Vorgänger, während derer sich der erneut von Christian Bale verkörperte Heroe völlig aus dem Leben zurückgezogen hat.
Doch als Wayne von der im Auftrag von Bane (Tom Hardy), dem Oberschurken des Films, arbeitenden Diebin Selina Kyle alias Catwoman (Anne Hathaway) bestohlen wird, ihn kurz darauf der junge Polizist John Blake (Joseph Gordon-Levitt) darüber informiert, dass just jener Bane eine Großoffensive plane und dann auch noch Kommissar Gordan (Gary Oldman) die Rückkehr des Fledermausmannes herbeisehnt, beschließt der Millionär, erneut als Batman seiner Heimatstadt Gotham City beizustehen. Dies haben die Stadt und er selbst auch bitter nötig: Denn Bane will, nachdem er Wayne finanziell durch eine Börsenmanipulation ruiniert hat, einen von diesem in Entwicklung gegebenen Fusionsreaktor zu einer Atombombe umbauen, mit der er Gotham City nach einer Phase der Anarchie, die auf seine Machtübernahme folgt, zu vernichten beabsichtigt.
The „Dark Knight Rises“ ist zweifelsohne ein spannender, unterhaltsamer und gut inszenierter Actionfilm, in dem, wie bei Batman-Verfilmungen üblich, insbesondere das aufwendige Produktionsdesign herausragt. Dabei sind, und auch hierin wird die Tradition der Reihe fortgesetzt, die Charaktere alles andere als eindimensional gestaltet. Ihre Verhaltensweisen werden psychologisch motiviert und von der Inszenierung auf durchaus intelligente Weise genutzt, um der Geschichte eine zusätzliche Tiefendimension zu verleihen, so etwa wenn Wayne als einziger unmaskierter Tänzer auf einem Maskenball erscheint und dabei natürlich dennoch mehr als jeder andere um die Wahrung seiner Identität bedacht bleibt.
Und auch der Plot selbst des Films thematisiert wiederum ernsthafte Konflikte, was sich nicht allein auf die Diskussion der Ursachen moralischer Verderbnis beschränkt, sondern ebenfalls aktuelle politische Problematiken tangiert.
Die Bürger Gothams setzen Hoffnung auf die Technik
Auch diesbezüglich beweist „The Dark Knight Rises“ Reflexionsvermögen: So werden einerseits, wenn zwei aalglatte Jungbörsianer eine Münze darüber entscheiden lassen, ob Waynes Rückkehr die Märkte nun positiv oder negativ beeinflusse, die ungezügelte Spekulationswut und der an Glücksspieler erinnernde rücksichtslose Umgang mit Vermögenswerten moderner Finanzmärkte entschieden verurteilt. Andererseits entlarvt der Film aber auch den Populismus der Rhetorik der Occupy-Bewegung und bestimmter linker Politiker, wenn er den Filmbösewicht in genau den diesen zu eigenem Duktus („Übernehmt die Kontrolle – die Kontrolle über eure Stadt!“; „Morgen nehmt ihr euch zurück, was euch rechtmäßig gehört!“) zu einer von ihm bedrohten Menschenmenge brüllen lässt und dies den Beginn der von Bane initiierten Exzesse der Gewalt, Zerstörungen, Gefangenenbefreiungen und Enteignungen markiert. Die Reminiszenz an stalinistische Schauprozesse, die Bane anschließend „auf Befehl der Bürger von Gotham“ für die „wahre Gerechtigkeit“ durchführen lässt, fügt sich ebenso treffend in diesen Zusammenhang ein.
Dass sich der teilweise etwas hölzerne Dialog („Was es auch ist, es ist nuklear!“) mit diesen ernsthaften Hintergründen manchmal zu beißen scheint, stört nur wenig. Denn schließlich verhindern gerade die an die Comic-Ursprünge des Films gemahnenden Elemente, dass der Eindruck entsteht, „The Dark Knight Rises“ nähme sich zu wichtig: Am meisten Spaß macht ein Batmanfilm letztlich immer noch, sobald der maskierte Rächer selbst in pompöser Inszenierung die Szene betritt.
Vielmehr beeinträchtigt das Sehvergnügen des Films hingegen der etwas überfrachtet wirkende Handlungsaufbau. Versucht der Zuschauer, wirklich jedes Plotdetail der finsteren Pläne Banes und der Gegenstrategie des Helden nachzuvollziehen, muss er sich beinahe unweigerlich verlieren. Weniger wäre hier mehr gewesen – worauf auch die Laufzeit des Films hinweist: 164 Minuten sind dann doch zuviel, sodass „The Dark Knight Rises“ ausgerechnet zum Ende hin leichte Probleme bekommt, einen Spannungsabfall zu vermeiden, eben auch, weil die Übersichtlichkeit hinsichtlich des Plots spätestens dann nicht mehr unbedingt gewährleistet ist.
Natürlich stellt sich nach den tragischen Ereignissen von Colorado die Frage, inwiefern der Film Gewalt verherrlicht oder gar zu ihr motiviert. Gewiss ist „The Dark Knight Rises“ – obschon dabei kaum die Grenzen des guten Geschmacks überschreitend – aufgrund seiner zahlreichen Gewaltdarstellungen und seiner genussvollen Inszenierung brutaler Schurken kein Film, den man als Familienunterhaltung bezeichnen würde. Aber wie man sich von einem fiktionalen Charakter wie Bane, einer Mischung aus größenwahnsinnigem Bond-Schurken, Fußballhooligan und mexikanischem Wrestler, inspirieren lassen kann, ist wohl für keinen Menschen klaren Verstandes nachvollziehbar. Da auch diese Figur zudem alles andere als eindimensional und unverwundbar dargestellt wird, ist zumindest ein direkter „Einfluss“ wohl zurückzuweisen.
Und dennoch macht man es sich vielleicht etwas zu einfach, jedweden Zusammenhang zwischen filmischer und realer Gewalt kategorisch auszuschließen. Ironischerweise ist es dabei der Filmschurke, der, wenn er die „Mythen von Möglichkeiten“ der kontemporären okzidentalen Zivilisation anprangert, einen vermutlich unfreiwilligen Hinweis auf das Funktionsprinzip der Batman-Saga selbst liefert und somit andeutet, inwiefern diese zwar nicht als Erzeugerin aber doch als Symbol gesellschaftlicher Brutalitäten zu verstehen sein könnte. Denn nicht nur ihr Held verfügt über keinerlei übernatürlichen Kräfte – jegliche Metaphysik ist hier a priori ausgeschlossen. Gothams Bürger kennen selbst in größter Todesgefahr keine Gebete; all ihre Hoffnungen beruhen stets auf technischen Errungenschaften und dem Menschen selbst: „Sie vertauschten die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes mit Bildern, die einen vergänglichen Menschen und fliegende, vierfüßige und kriechende Tiere darstellen“ (Röm 1, 23). In dem Moment aber, in dem der Mensch sich selbst absolut setzt, das eigene Wohlbefinden zum allein maßgeblichen Gut erklärt wird und alles als „machbar“ gilt, wird immer auch der Gedanke geboren, der Mensch dürfe den Menschen richten und über das Leben anderer entsprechend verfügen.
Und in dieser Hinsicht reflektiert das Batman-Universum vielleicht schon die allgemeine Geisteshaltung einer Gesellschaft, in der Attentate entstehen – aber es generiert diese nicht: „Darum bist du unentschuldbar – wer du auch bist, Mensch –, wenn du richtest“ (Röm 2, 1).