Seit ihrer Premiere 1924 ist die Internationale Funkausstellung (IFA) das Schaufenster für Innovationen. Auch in diesem Jahr werden auf der weltgrößten Fachmesse viele Produktneuheiten präsentiert, mehr als 1 800 Aussteller tummeln sich auf dem Berliner Pressegelände. Die Entwicklung, die unsere technischen Begleiter immer kleiner, persönlicher und vor allem alltäglicher macht, geht unaufhaltsam weiter. Aktueller Boom: Haushaltsgeräte mit Sprachsteuerung. Branchenriesen wie Microsoft, Google und Amazon lizenzieren seit einigen Monaten ihre Dienste auf breiter Front. Schon in den vergangenen Jahren entwickelten sie leistungsstarke Sprach-Assistenzsysteme für ihre Produkte. Auf der IFA sind die neuen vernetzten Sprach-Assistenten zu sehen.
Egal, ob Amazon Alexa, Google Assistant oder Microsoft Cortana: „Smart home“ heißt die Devise. Auch die vernetzten Haushaltsgeräte von Bosch und Siemens folgen diesem Trend. Gezeigt werden Geräte, die unter dem Namen „Home Connect“ gleichzeitig per WLAN mit dem heimischen Smartphone bedient werden können. Die Hersteller ermöglichen immer mehr Optionen zur Haushaltsautomation über Smartphones und Tablets. Heizkörperthermostate werden ebenso mittels „Home Connect“-Smartphone-App gesteuert, wie Kaffeemaschinen oder die Hausbeleuchtung. Die App verrät, für wie viele Tassen Kaffee der Wasserstand noch reicht; wer lieber Cola trinkt, kann den Kältegrad des Kühlschranks aus der Ferne bestimmen und zugleich die Frage nach dem Kalorienverbrauch stellen. Egal ob Staubsauger-Roboter mit Kamera oder Blutdruckmessgeräte mit WLAN-Verbindung, neben Smartwatches und Fitnesstrackern gibt es eine Vielzahl weiterer Geräte, die immer deutlicher zeigen, wie die medizinische Versorgung des vernetzten Menschen in Zukunft aussehen wird. Der jahrhundertealte Slogan „Home sweet home“ kann getrost umgewandelt werden in „Home smart home“. Aktuell nutzen laut einer Erhebung des Verbandes der Internetwirtschaft „eco“ fünf Prozent der deutschen Haushalte Smart-Home-Produkte. In den USA seien es bereits etwa dreimal so viele. Laut realistischer „eco“-Prognose wird sich der deutsche Smart-Home-Markt bis 2022 auf 4,3 Milliarden Euro verdreifachen.
Da heißt es, nur nicht den Durchblick verlieren. Samsung forciert den Trend zu ultraflachen Bildschirmen: „The Frame“ verwandelt sich im Off-Modus in ein Kunstwerk, das aus über hundert Motiven ausgewählt werden kann. Auch beim Prototyp von Panasonic ändert sich per Knopfdruck das Bild in ein OLED-TV. Der vernetzte Grundig-Bildschirm ist mit knapp 2,6 Millimeter fast so dünn wie eine Tapete, zaubert jedoch ein Fernsehbild in Ultra-HD-Auflösung an die Wand. Noch sind die OLED-Schirme extrem teuer, doch in absehbarer Zeit werden die Discounter diesen Markt bestimmen. Auch eine andere Entwicklung wird in den nächsten fünf bis zehn Jahren beim Discounter enden: Microsoft präsentiert zusammen mit fünf Hardware-Partnern unter dem etwas verwirrenden Titel neue Virtual-Reality-Brillen namens „Windows Mixed Reality“, die nicht mehr ein ganzes Vermögen auffressen. Willkommen in der Welt, in der es kostbarer sein wird, einen gesunden Realitätssinn zu besitzen. Die Technik macht eben vor nichts Halt. Das vernetzte Baby kann dank „Philips Avent uGrow“ die Nahrungsaufnahme über vernetzte Fläschchen aufnehmen, die das Wachstum dokumentieren und die Luftreinigung im Kinderzimmer steuern. Ganz nebenbei dient es auch als Babyphone mit Kamera.
Immer schneller, immer weiter, immer höher. Die Deutsche Telekom will ihren Privatkunden künftig Internetanschlüsse mit einem Gigabit pro Sekunde anbieten. Der neue Hochgeschwindigkeitsanschluss mit einer Upload-Geschwindigkeit von einem halben Gigabit soll monatlich knapp 120 Euro kosten. Konkurrent Vodafone gibt sich mit solch irdischen Dingen nicht zufrieden. Der Provider plant die erste deutsche Mondmission. Wer hätte das gedacht, als 1972 mit Apollo 17 die bislang letzten menschlichen Besucher ihren Fuß auf den Mond setzten? Dabei muss niemand Neil Armstrong klonen, Vodafone beabsichtigt „nur“, eine unbemannte LTE-Basisstation auf den Mond zu schießen. Das Landemodul ALINA ist bestückt mit zwei Forschungsfahrzeugen vom Typ „lunar quattro“. Sie stammen von Automobilhersteller Audi und sind mit hochauflösenden Kameras und zahlreichen Sensoren bestückt. Die Tatsache, dass ein solches Projekt die künftige Mondforschung revolutioniert, liefert einen weiteren Beweis dafür, dass nicht mehr Nationalstaaten als Interface für menschlichen Fortschritt dienen, sondern weltumspannende Konzerne.
Das neue Interface des Dirror wurde ebenfalls auf der IFA 2017 vorgestellt. Der futuristische Spiegel teilt dem Betrachter Informationen wie Uhrzeit, Wetter, Nachrichten, Verkehr oder Termine mit. Früher gab es so etwas nicht einmal im Märchen. Sollte das Spieglein an der Wand als Antwort allerdings sagen: „Frau Königin, Ihr seid die Schönste im Land“, wäre es gut, sich zu überlegen, ob man noch im richtigen Film ist. Apropos Film, Jacques Tati karikierte bereits 1958 in der überaus sehenswerten Film-Satire „Mon oncle“ die sterile und automatisierte moderne Welt. Bon voyage.