Man könnte es für eine der düstersten Phantasien halten, die wirklich werden könnten. Zugleich ist es ein Angriff auf die Religion. Der Film „The Handmaid's Tale – Der Report der Magd“, der auf eine Romanvorlage der kanadischen Schriftstellerin Magaret Atwood von 1985 zurückgeht, versucht die Einheit von Überwachungsstaat und Religion mit Bibelzitaten zu untermauern. Einer der perfidesten Angriffe auf das Christentum im Film. In Gilead (Amerika als neues biblisches Land) werden kaum noch Kinder geboren, und so versucht man mit „traditionellen Werten“ wieder für mehr Kinder zu sorgen. Besonders gebärfähige Frauen werden kinderlosen Familien zugeteilt, um Kinder in die Welt zu bringen. Die Mägde sollen den Familien dienen wie die Magd Bilha Rahel gedient habe. In der Bibel sagt Rahel zu Jakob: „Da ist meine Magd Bilha. Geh zu ihr! Sie soll auf meine Knie gebären, dann komme auch ich durch sie zu Kindern“ (Ge 1,30); diese Stelle aus dem Alten Testament wird auch vor den „Ritual“ vorgelesen. So auf dem Schoß der Ehefrau müssen die Mägde liegend allerdings empfangen – doch wird der biblische Einzelfall hier zur Staatsräson erhoben. Die Schulungen sind im Rahel- und Leah-Zentrum. Sind die Mägde nicht oder nicht mehr in der Lage zu gebären, droht ihnen das Arbeitslager, aus dem sie kaum lebendig wieder herauskommen. Die Grenzen sind dicht, das freie Kanada dient als Traumziel der gefährlichen Flucht.
Im Rahel- und Leah-Zentrum erfahren die Mägde, dass die Gesellschaft vor dem neuen Unrechtsstaat Gilead die Luft verpestet und für die Plage der Unfruchtbarkeit gesorgt habe. Empfängnisverhütung, Abtreibungspillen und ermordete Babys hätten den Menschen geholfen, ihre Orgien zu feiern. „Fruchtbarkeit ist ein Geschenk, das von Gott kommt“, erklärt die Aufseherin den Mägden, „er ließ Euch unversehrt für eine biblische Bestimmung“. Einer Magd, die Widerstand leistet, wird ein Auge entfernt nach dem Satz, „Wenn Euch mein rechtes Auge erzürnt, so reißt es aus“ (Mt 5, 29). Homosexuelle werden aufgehängt. In der Ethik nennt man so etwas Rigorismus, ein Begriff, den Schiller gegen Kant verwandt hat, um kalte Gesetzestreue zu kritisieren ohne Rücksicht auf die Umstände. Rigoristisch geht auch diese filmische Staatsvision mit der Bibel um, Christen selbst handeln nicht so. Nichts von dem, was die Mägde tun, ist freiwillig wie bei Bilha im Alten Testament. Auch wenn sie so erzogen werden, dass alles zur Gewohnheit wird und wie freiwillig empfunden werden soll. Als Mägde werden sie zu allem gezwungen. Auch zur Vollstreckung von Todesurteilen, die sie in ihrem District durch Lynchen oder Steinigen gemeinsam vollziehen müssen, etwa an einem Vergewaltiger. Die Mägde werden so zu Mitschuldigen am System.
Die Mägde sind in roten Umhängen gekleidet mit weißen Hauben, um sie sofort zu erkennen. Frauen aus anderen Ständen haben wieder andere Einheitskleidung; eine ähnliche Idee hatte auch Boualem Sansal mit seinem Roman „2084: Das Ende der Welt“ über einen islamischen Terrorstaat.
Die Autorin, Margaret Atwood, gibt sich erstaunt über das damalige Echo, als das Buch 1985 erschien. In England nannte man es eine blühende Phantasie, in Kanada fragte man sich, ob das hier auch passieren könne und in Amerika war man besorgt, wie lange es noch dauert. Zum Umgang mit den religiösen Momenten schweigt sie jedoch, sie werden im Bonusmaterial der 1. DVD-Staffel gar nicht thematisiert.
Ein weiteres Anliegen des Films ist es, die Stärke der Frauen zu zeigen. Die Männer wirken häufig farblos, ja sind impotent – darum die Mägde. Die Mägde dagegen sind stark wie Tiger, die man im Haus hat, kommentiert einer der Produzenten. So wird ein bestimmtes Geschlechterbild in den Vordergrund gerückt, nach dem es am besten die Frauen sind, die Staat und Religion schwächen können. Sind die Mägde am Anfang hoffnungslos, so bilden sich doch bald Widerstandsgruppen und einer gelingt sogar die Flucht nach Kanada. Die ganze Geschichte dreht sich um eine bestimmte Magd, die schon in der Vorgeschichte des Films verheiratet war und einen Sohn hat. Doch wurde die Familie getrennt. Diese Vorgeschichte wird immer parallel erzählt, so dass das recht plötzliche Entstehen des neuen Staates Gilead wie durch einen gewaltsamen Staatsstreich erkennbar wird. Der pseudoreligiöse Anstrich des Ganzen soll die Schrecken der Bibel zeigen, es ist das Alte Testament, aber jedem Kundigen wird der Missbrauch sofort klar. Die Masse der Unkundigen ist Opfer dieses antireligiösen Propagandafeldzugs. Die erste Staffel ist Anfang des Jahres auf DVD erschienen, die zweite wird Anfang des kommenden Jahres herauskommen, wobei es um die Schwangerschaft und eventuelle Flucht der Hauptperson gehen wird. Beide Teile sind als Serien bei Hulu im Netz kürzlich abgelaufen.
„The Handmaid's Tale – Der Report der Magd“, 1. Staffel, 4 DVD, Twentieth Century Fox, 600 Minuten, EUR 22,99
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