Journalistenpreise gibt es viele und nicht immer beinhaltet ihr Gewinn auch die Garantie, dass der Preisträger als Journalist vorbildlich gearbeitet hat; bevor Claas-Hendrik Relotius aufflog, heimste er die Preise dutzendfach ein. Doch auch wenn ihr Gewinn weder notwendig noch hinreichend dafür ist, als guter Journalist zu gelten, haben Preise eine große Bedeutung für die Reputation. Der Medienpreis des Deutschen Bundestags gehört dabei zu den renommierteren Auszeichnungen. 1993 vom Deutschen Bundestag gestiftet, prämiert er herausragende Arbeiten zum Parlamentarismus. Es werden jährlich zwei Preise vergeben, einer für den Bereich Zeitung, und einer für Radio und Fernsehen. Der Preis ist mit 10 000 Euro dotiert. Bisherige Preisträger waren unter anderen Elmar Theveßen, Jan Grossarth, Martina Meißner, Robin Lautenbach und Robin Alexander.
Die Jury, die über die jeweiligen Preisempfänger entscheidet, setzt sich aus Hauptstadtjournalisten zusammen, die selbst mit der Berichterstattung über den Bundestag befasst sind oder waren. In diesem Jahr neu dabei: Rainer Meyer alias „Don Alphonso“. Der Blogger, der sich auf seinem Twitter-Profil den rund 27 000 Followern als „Mann, vor dem Euch Eure grünen Bundestagsvizepräsidentinnen immer gewarnt haben“ vorstellt, ist wegen einiger Beiträge zum Thema Migration in die Kritik geraten. Tatsächlich ist es die Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth, die Don Alphonso für seine Positionierung attackiert: „Für mich hat die Meinungsfreiheit dann Grenzen, wenn sie zur Verhetzung führt, wenn Hass gepredigt wird, und wenn soziale Gruppen ausgegrenzt und verhetzt werden. Das passiert regelmäßig, wenn er Geflüchtete pauschal abwerten will, wenn er – Zitat – von der ,Gaudi-Migration‘ spricht.“ Das „Neue Deutschland“ charakterisiert ihn in diesem Kontext als „AfD-affin“. Die „Junge Freiheit“ meint zum Druck von links, Don Alphonso habe „die grüne Grenze der Meinungsfreiheit überschritten“. Der Blogger selbst sieht sich zwischen den Stühlen: Für die AfD sei er ein „linker Alpenlümmel“, für Grüne wie Linke ein „rechter Provokateur“.
Rainer Meyer hat neun Jahre lang als Don Alphonso für die FAZ gebloggt – in der schnelllebigen Netzkultur eine halbe Ewigkeit –, ehe sich die Zeitung im März 2018 von Meyer distanzierte. Blogger-Kollege Stefan Niggemeier („Über Medien“) zufolge stolperte Don Alphonso dabei über „die Geister, die er rief“; der Blogger Hadmut Danisch sprach davon, die FAZ habe Meyer „kaltgestellt“. Leser, für die der FAZ-Blogger „das letzte Bollwerk gegen den totalen Sieg des Linksfaschismus in der Systempresse war“ sprachen von „Meinungsdiktatur“ und „ideologischer Säuberung“.
Der Hintergrund der Kündigung – so vermutet Niggemeier – könnte weniger mit diesen Zuschreibungen zusammenhängen als vielmehr damit, dass Don Alphonso einige Wochen zuvor ein Foto auf Twitter gepostet hatte, das drei dunkelhäutige Männer und eine junge Frau im Görlitzer Park zeigt und dazu schrieb: „Wenn sie Dich anschaun und Du weisst warum. Sag Dir, jetzt sind sie halt da, darum.“ Niggemeier hört in den Worten einen gewissen Nachhall: „Sie sind jetzt da, die Fremden, die Schwarzen, die hier nicht hingehören, und unsere Frauen anschauen und dann, wenn sie die Gelegenheit bekommen, mit ihnen tun, was diese Fremden mit unseren Frauen tun. Das steht nicht explizit da. Aber das steht auch nicht nicht da.“
Don Alphonso, der nun für „Die Welt“ weiterbloggt („Stützen der Gesellschaft“), steht aber nicht nur wegen politischer Positionen oder eindeutig zweideutiger Fotos in der Kritik, sondern auch, weil er den Medienbetrieb selbst oft polemisch aufs Korn nimmt. Der Berliner Publizist Michael Seemann meint: „Don Alphonso ist definitiv einer, der, vielleicht nicht wörtlich ,Lügenpresse‘ ruft, aber trotzdem ständig dieses Narrativ bedient, dass die Presse eben lügen würde. Und zwar dann, wenn sie nicht seinen Vorstellungen entspricht.“ Auch vor persönlichen Angriffen schreckt Don Alphonso dabei nicht zurück. Ein Beispiel sind wiederholte Angriffe gegen die Journalistin Juliane Leopold. Solange sie, Leopold, das Portal „Tagesschau.de“ leite, sehe er, Don Alphonso, keinen Anlass, dafür Gebühren zu zahlen. Lieber kaufe er für das Geld „einen Bananenrock und schwarze Körperfarbe“. Auch wegen solcher Einlassungen sehen ehemalige Jury-Mitglieder die Berufung Meyers kritisch. Die sieben aktuellen Mitglieder der Jury des Medienpreises des Deutschen Bundestags zeichnen sich dadurch aus, so die Jury-Vorsitzende Claudia Nothelle, „dass sie alle sich intensivst mit politischen Fragen beschäftigen und es wirklich verfolgen, egal in welcher Position sie tätig sind, egal in welchem Medium sie unterwegs sind“. Und das kann man Rainer Meyer respective Don Alphonso ohne jeden Zweifel zubilligen: „sich intensivst mit politischen Fragen zu beschäftigen“. Claudia Nothelle, die ehemalige Chefredakteurin und Programmdirektorin beim RBB, derzeit Professorin für Fernsehjournalismus an der Hochschule Magdeburg-Stendal und im September 2018 eine der „Tagespost“-Medienmenschen, sieht das Renommee des Preises nicht gefährdet. Die Entscheidung über die Gewinner des Preises werde demokratisch herbeigeführt: „Und da werden natürlich auch immer, wenn auch nur zweitrangig, politische Fragen auch mitdiskutiert. Das spielt eine Rolle und das macht's auch so interessant.“