Logo Johann Wilhelm Naumann Stiftung Osnabrücker Sonderschau

Dem Frieden ein Gesicht geben

Anlässlich des 375-jährigen Jubiläums des Westfälischen Friedens präsentiert die Stadt Osnabrück eine Sonderausstellung.
Die Türklinke im Rathaus von Osnabrück
Foto: Thiede | Die Türklinke im Rathaus von Osnabrück zum Gedächtnis an den Westfälischen Frieden.

Der Westfälische Frieden hat viele Köpfe. Das verdeutlicht allein schon der Besuch der Friedenssäle in den historischen Rathäusern von Münster und Osnabrück, an deren Wänden die gemalten Porträts von Herrschern und zahlreichen Friedensgesandten hängen. Die dem Westfälischen Frieden gewidmete Abteilung der Dauerausstellung des Stadtmuseums Münster wartet mit Gemälden und Kupferstichen auf, die die Akteure der Friedensverhandlungen präsentieren. Und die dem Jubiläum in Osnabrück gewidmete Sonderausstellung heißt: „Dem Frieden ein Gesicht geben.“

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Der Untertitel der Osnabrücker Sonderschau lautet: „Leben und Verhandeln beim Westfälischen Friedenskongress 1643 bis 1648“. Der sollte endlich den Dreißigjährigen Krieg beenden, der 1618 mit dem Prager Fenstersturz begann. Der Krieg wütete auf dem Boden des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Das protestantische Königreich Schweden trat 1630 in die Kämpfe ein, als dessen Verbündeter beteiligte sich ab 1635 das katholische Königreich Frankreich an den Auseinandersetzungen. Den Kriegsgräueln, Hungersnöten und Seuchen fielen etwa sieben Millionen Menschen zum Opfer. Auch während die Friedensgesandten in Münster und Osnabrück verhandelten, ging der Krieg weiter. Erst mit der Unterzeichnung der Friedensverträge am 24. Oktober 1648 in Münster ruhten endlich die Waffen.

Auch weitere Standorte in Osnabrück

Wie es dazu kam, erzählt die Sonderschau in Osnabrücks Diözesanmuseum. Sie stützt sich auf die Auswertung von Briefen und Tagebüchern der Gesandten, präsentiert Porträts der Akteure, Dokumente, Objekte und ausführliche Texttafeln. Den Kamm aus Elfenbein, der traditionell Karl dem Großen zugeschrieben wird, begutachteten und kommentierten schon die an Sehenswürdigkeiten interessierten Kongressteilnehmer. Edle Stoffe und Tafelsilber weisen uns darauf hin, dass seinerzeit standesgemäße Repräsentation eine unabweisbare Verpflichtung war. Die von einem Gesandten am 6. August 1648 gezeichnete Sitzordnung beim Osnabrücker Friedensschluss dokumentiert ein äußerst differenziertes Rangdenken.

Erhöht auf einem Podest saßen die Gesandten Kaiser Ferdinands III. und Königin Christinas von Schweden an einem Tisch.  Die Vertreter der Kurfürsten hatten einen eigenen Tisch. Ebenso die Gesandten der Fürsten. Am „Katzentisch“ saßen die Gesandten der Reichsstädte. Es war genau geregelt, wem ein Polstersessel mit Rücken- und Armlehne zustand, wer einen Hocker oder Klappstuhl bekam, wer auf einer Holzbank Platz nehmen musste, wer den Hut aufbehalten durfte und wer ihn absetzen musste. Da die Schweden den Vertrag erst unterzeichne wollten, wenn auch der Frieden zwischen Kaiser und Frankreich unterschriftsreif war, behalfen sich die ranghöchsten Teilnehmer des Friedensschlusses damit, den Osnabrücker Vertrag vorläufig mit einem Handschlag zu „besiegeln“. Prunkstück der Ausstellung ist als Leihgabe aus dem Österreichischen Staatsarchiv das kaiserliche Exemplar des in Münster unterzeichneten Friedensvertrags. Es trägt den Titel: „Friede zwischen Kaiser Ferdinand III. und den deutschen Reichsständen einerseits und Königin Christina von Schweden andererseits, 24. Oktober 1648.“

Die Sonderschau dehnt sich auf weitere Standorte in Osnabrück aus.  Sie führt in die Kirchen, in denen die Gesandten dem Gottesdienst beiwohnten und sich zu den Sehenswürdigkeiten führen ließen. Die Katholiken feierten Gottesdienst im Dom und der Johanniskirche. Die Protestanten gingen in die Katharinenkirche und in die Marienkirche, in der der vom schwedischen Hauptgesandten Johan Axelsson Oxenstierna und seiner Gemahlin gestiftete Abendmahlskelch ausgestellt ist. Obwohl gemischtkonfessionell, betrachtete sich Osnabrück als lutherische Stadt und wurde deshalb von den Schweden als Verhandlungsort ausgewählt. Der Westfälische Friede trug dem Fürstbistum eine in Deutschland einzigartige Sonderregelung ein: Abwechselnd war der Landesherr ein katholischer Fürstbischof oder ein Mitglied des  protestantischen Herrscherhauses der Welfen.

Die Friedensengel werden bitterlich weinen

Im Friedenssaal des Osnabrücker Rathauses begegnen wir dem als trinkfreudig in Erinnerung gebliebenen Oxenstierna, Königin Christina, König Ludwig XIV. von Frankreich, Kaiser Ferdinand III., seinem Sondergesandten Trauttmansdorff sowie über 30 Kongressteilnehmern.  Ihre Brustbildnisse beschaffte sich der Stadtrat auf sparsame Weise. Er stellte die Leinwand und bat die Kongressteilnehmer, ihr Porträt von Anselm van Hulle oder einem seiner Mitarbeiter anfertigen zu lassen, selbst zu bezahlen und der Stadt Osnabrück zu schenken. Seine florierende Werkstatt betrieb Anselm van Hulle im katholischen Münster, dem Verhandlungsort der Franzosen mit den Vertretern des Kaisers. Im Gegensatz zu den in Osnabrück direkt zwischen den Gesandten geführten Verhandlungen gab es in Münster Vermittler zwischen den Parteien. Einer von ihnen war der von Papst Innozenz X. zum Kongress geschickte Fabio Chigi, der spätere Papst Alexander VII. Sein von Anselm van Hulle geschaffenes Bildnis hängt im LWL-Museum für Kunst und Kultur.

Mehr als 30 weitere Bildnisse von Gesandten und Herrschern findet man im Friedenssaal des Rathauses. Gemalt hat sie Jan Baptist Floris nach Vorlagen van Hulles 1648/49 auf Bestellung des Stadtrates. Die Wahl fiel vermutlich auf Floris, weil seine Bilder nur halb so teuer wie die des van Hulle waren. Weite Verbreitung fanden übrigens die in der Osnabrücker Sonderschau und in der Dauerschau des Stadtmuseums Münster präsentierten  Kupferstiche nach Bildvorlagen Anselm van Hulles. Jeder Kupferstich ist mit dem Wahlspruch des Dargestellten ausgestattet. Der des Priors Adam Adami, der sich vergebens um die Rückgabe der in Württemberg säkularisierten Klöster bemühte, lautet: „Die Friedensengel werden bitterlich weinen.“

Nun lob mein Seel den Herrn

Am 24. Oktober 1648 war es endlich so weit. Der letzte Akt zog sich ab 13 Uhr mehrere Stunden hin, bis endlich die Vertreter des Kaisers, Frankreichs, Schwedens sowie 15 ausgesuchter Reichsfürsten und -städte Name und Siegel unter die beiden Friedensverträge gesetzt hatten. Um 21 Uhr läuteten die Glocken und 70 Kanonen feuerten dreimal Salut, um in Münster das Ende des Dreißigjährigen Krieges zu verkünden. Am folgenden Tag gab es in allen Kirchen der Stadt einen Dankgottesdienst. Chigi aber hatte die Vertragsunterzeichnung verweigert, weil er die katholischen Interessen nicht ausreichend berücksichtigt sah. Und obendrein trat nun noch zu den Katholiken und Protestanten der Calvinismus als gleichberechtigte Konfession.

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Zwar waren die beiden Friedensverträge auf Wunsch des katholischen Kaisers in Münster unterschrieben worden, ausgehandelt wurden sie jedoch im protestantischen Osnabrück. Dort wurde der Westfälische Friede am 25. Oktober in der Mittagszeit von der damals noch hölzernen Rathaustreppe aus verkündet. Danach erklang vom Turm der benachbarten Marienkirche vielstimmig der Chorgesang: „Nun lob mein Seel den Herrn.“

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