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Wie Jugendliche ihre Berufsperspektiven sehen

Ausbildungsperspektiven nach Corona: Junge Menschen einerseits positiv gestimmt, andererseits mit großem Bedarf bei Berufsorientierung.
Bei einer Ausbildungsmesse informieren sich Jugendliche über Berufsmöglichkeiten.
Foto: Bernd Wüstneck (dpa) | Bei einer Ausbildungsmesse informieren sich Jugendliche über Berufsmöglichkeiten.

Fast drei Viertel der jungen Menschen in Deutschland (72 Prozent) sehen auf dem Ausbildungsmarkt derzeit eher gute bis sehr gute Chancen. Das geht aus einer repräsentativen Befragung von Jugendlichen im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hervor, die Denise Ullrich vom Institut iconkids & youth und Clemens Wieland, Experte der Bertelsmann Stiftung für berufliche Bildung, am Mittwoch in einer Web-Konferenz vorgestellt haben. 

Um die Jugendlichen selbst zu Wort kommen zu lassen, finde die Ausbildungsbefragung seit dem Jahr 2020 statt, erläuterte Ullrich bei der kompakten Darstellung der Ergebnisse. Im Unterschied zu den Vorjahren wurde die Altersgruppe auf 25 Jahre aufgestockt, da viele junge Menschen erst in höherem Alter eine Ausbildung oder ein Studium aufnehmen. 

Interesse an Ausbildung ist auch

Die Befragung zeigt auf, dass das generelle Interesse an einer Ausbildung hoch ist: Drei Viertel der Jugendlichen streben eine Ausbildung an oder sehen sie zumindest als eine Option. Schlechte oder eher schlechte Chancen auf einen Ausbildungsplatz rechnen sich nur 16 Prozent der Befragten aus.  Von den jungen Menschen mit niedriger Schulbildung äußert allerdings mehr als jeder Vierte (26 Prozent) den Eindruck, dass die Aussichten auf eine Ausbildung momentan schlecht oder eher schlecht seien. Die Zahl der Ausbildungsplätze hält nur etwas mehr als die Hälfte der Befragten für ausreichend. Zudem findet trotz zahlreicher unbesetzter Ausbildungsplätze mehr als ein Viertel, dass zu wenig Plätze vorhanden sind.

„Die hohe Nachfrage nach Fachkräften lässt die Mehrheit der Jugendlichen deutlich zuversichtlicher in die berufliche Zukunft blicken als noch während der Corona-Pandemie. Dass aber gleichzeitig jeder vierte Befragte den Eindruck hat, es gebe zu wenige Ausbildungsplätze und viele junge Menschen mit niedriger Schulbildung ihre Perspektiven am Ausbildungsmarkt
als gering einschätzen, ist ein Warnsignal: Es muss uns noch viel besser als bisher gelingen, junge Menschen und Betriebe zusammenzubringen“, sagte Clemens Wieland. Vor allem die jungen Menschen, die Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz haben, bräuchten eine individuelle und kontinuierliche Begleitung.

Jugendliche bemängeln fehlende Orientierung

Von der Politik wünschen sich die jungen Menschen mehr Engagement bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz. 31 Prozent der Jugendlichen räumen zwar ein, dass viel unternommen wird, betrachten dies aber als noch nicht genug, und 37 Prozent sind der Ansicht, dass die Politik eher wenig für Ausbildungsplatzsuchende tue und es viel mehr sein sollte. Die größten Defizite sehen sie bei der Bereitstellung von günstigem Wohnraum, dicht gefolgt von finanzieller Unterstützung bei den täglichen Fahrtkosten.

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Die Orientierung bei der Berufswahl bleibt ein Problemfeld. Während sich nur 21 Prozent der jungen Menschen gut zurechtfinden, beklagt jeder Fünfte, es gebe insgesamt zu wenig Informationen. Über die Hälfte der befragten Jugendlichen (55 Prozent) haben Schwierigkeiten, sich in den Informationsangeboten zurechtzufinden. Besonders Jugendliche mit hoher Schulbildung teilen diese Einschätzung. Daher rief Ullrich dazu auf, bei der Berufsorientierung während der Schulzeit die Gymnasiasten nicht zu vergessen.  Die Unterstützung von der Schule wird je nach Schulbildung unterschiedlich bewertet. Jugendliche mit niedriger Schulbildung fühlen sich mit 47 Prozent „sehr gut oder eher gut“ von der Schule über Berufe informiert, Befragte mit hoher Schulbildung dagegen nur zu 27 Prozent.

Persönliche Kontakte spielen entscheidende Rolle

Insgesamt äußern viele junge Menschen den Bedarf nach mehr Hilfestellung bei der Planung ihrer beruflichen Zukunft: Fast jeder Dritte derjenigen, die bereits Erfahrungen mit der Suche nach einem Ausbildungsplatz gemacht haben, wünscht sich mehr Unterstützung, weitere 42 Prozent zumindest teilweise. Bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz spielen persönliche Kontakte eine entscheidende Rolle. Knapp drei Viertel der befragten Jugendlichen (73 Prozent) nannten ihre Eltern als die wichtigsten Unterstützer, danach mit großem Abstand Freunde, die Berufsberatung der Arbeitsagentur, die Schule oder andere Familienmitglieder. Online-Tools oder soziale Medien rangierten mit je neun Prozent weit abgeschlagen.

Insgesamt hat das Institut iconkids & youth 1.694 Jugendliche in Deutschland im Alter zwischen 14 und 25 Jahren repräsentativ befragt. Die Befragung fand zwischen dem 2. und 30. Juni statt und erfolgte online mittels eines standardisierten Fragebogens. Ergänzend wurden persönliche Interviews mit Jugendlichen mit Hauptschulabschluss geführt.

 

 

 

 

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