Die spanische, zur Sozialistischen Partei gehörende Bildungsministerin Isabel Celaá lässt in ihrem Bemühen nicht nach, ein neues Schulgesetz durchzusetzen. Das soll einerseits den Religionsunterricht dadurch herabstufen, dass dessen Benotung nicht in die Schulnoten einfließt. Andererseits soll zuungunsten der mehrheitlich von katholischen Institutionen geleiteten, staatlich anerkannten Ersatzschulen die staatliche Schule gefördert werden.
Weil die Ankündigung eines solchen Gesetzentwurfs im Sommer/Herbst 2018, als Isabel Celáa gerade das Ministerium übernommen hatte, den Widerspruch der betroffenen Verbände weckte, erklärte sie, die Schulauswahl der Eltern bleibe unangetastet. Ihr neuerlicher Vorstoß straft ihren Beschwichtigungsversuch jedoch Lügen.
Kinderrechte als Leitprinzip
Nun beruft sich die Bildungsministerin auf die UN-Kinderrechtskonvention von 1989, um ihren Schulgesetzentwurf zu untermauern: „Erstmals erkennt ein Schulgesetz den Ansatz der Kinderrechte als Leitprinzip des Bildungssystems an.“ Das Kindeswohl solle das oberste Prinzip sein. Was Isabel Celáa darunter versteht, ließ sie im Januar 2020 deutlich erkennen: „Kinder sind in keiner Weise Eigentum der Eltern.“ Der Umkehrschluss liegt auf der Hand: Über die zu vermittelnden Werte bestimme der Staat, nicht die Eltern.
Eltern und Kirche leisten Widerstand
Dagegen protestierten Eltern, die nicht damit einverstanden sind, dass etwa Gender -ideologie zum „Kindeswohl“ gehören soll. So sagte der Erzbischof von Valencia, Kardinal Canizares: „Was Ministerin Celáa geäußert hat, ist ein Skandal. Mit der Gabe der Kinder hat Gott den Eltern die Pflicht und Verantwortung gegeben, sie zu erziehen. Der Staat soll dafür sorgen, dass die Familie ihrer Erziehungspflicht nachkommt.“
Die „Vereinigung christlicher Juristen“ geht noch einen Schritt weiter: Sie reichte bei der Strafkammer des Obersten Gerichtshofs Klage gegen Isabel Celáa ein, weil der Gesetzentwurf gegen Artikel 27.3 der spanischen Verfassung verstoße: „Die öffentlichen Gewalten gewährleisten den Eltern das Recht auf die religiöse und moralische Erziehung ihrer Kinder, die mit ihren eigenen Überzeugungen übereinstimmt.“
Freie Schulwahl in Gefahr
Weder Protest noch Klage haben allerdings die spanische Regierung daran gehindert, Anfang März den Gesetzentwurf anzunehmen, der nun im Parlament verabschiedet werden soll. Danach soll die sogenannte „soziale Nachfrage“ – das Recht der Eltern, für ihre Kinder frei eine Schule zu wählen – abgeschafft werden. Darüber hinaus sollen die „Autonomen Gemeinschaften“ (Landesregierungen) unter den staatlich anerkannten Ersatzschulen die koedukativen Schulen bevorzugen. Und: Wer keinen Religionsunterricht besuchen möchte, dessen Benotung ohnehin nicht zählt, braucht kein Alternativfach zu wählen.
Als erste spanische Autonome Gemeinschaft reagierte Katalonien: Die Landesregierung erklärte am 22. Mai, dass die staatliche Anerkennung beziehungsweise Finanzierung für elf monoedukative Schulen, die zumeist katholischer Prägung sind, nicht verlängert werden soll. Grund: Die Schulen hätten nicht nachgewiesen, dass die Monoedukation kein „Hindernis für die Gleichstellung“ darstelle.
Besorgte Bischöfe
Die katalanische Bischofskonferenz sprach am 28. Mai ihre Sorge über die Entscheidung der Landesregierung aus: Sie solle die Entscheidung überdenken, denn laut dem geltenden Schulgesetz von 2009 gehören die staatlich anerkannten Ersatzschulen zum Bildungsangebot. Die Bischöfe sprachen sich dafür aus, dass der Wunsch der Eltern, für ihre Kinder frei die Schule zu wählen, Anerkennung findet.
Eine solche Entscheidung steht außerdem im Gegensatz zur Rechtsprechung sowohl des spanischen Obersten Gerichtshofs als auch des spanischen Verfassungsgerichts. Im Jahr 2018 verhandelte der Oberste Gerichtshof einen ähnlichen Fall. Damals hatte eine Landesregierung (Andalusien) mehreren Ersatzschulen die Verlängerung der Anerkennung verweigert, weil sie monoedukative Schulen sind. Bereits das Oberlandesgericht Andalusiens hatte den Schulen Recht gegeben. Als die andalusische Landesregierung gegen dessen Urteil Berufung einlegte, wurde das Verfahren an den spanischen Obersten Gerichtshof verwiesen. Dieser stellte die Rechtmäßigkeit der Monoedukation, ihren nichtdiskriminierenden Charakter sowie die Zulässigkeit, öffentliche Fördermittel zu erhalten, fest.
Gerichtsurteil aus 2018
Im April 2018 fällte das spanische Verfassungsgericht ein deutliches Urteil zugunsten der monoedukativen Schulen. Das Urteil bestätigte, dass dieses Bildungsmodell pädagogischen, nicht philosophischen oder religiösen Prinzipien folge. Es sei mit dem Prinzip der Nichtdiskriminierung vereinbar, das von der Verfassung und weiteren zwingenden internationalen Gesetzen gefordert werde. Im Juli 2018 bekräftigte das Verfassungsgericht diesen Standpunkt, als es in einem Urteil die Entscheidung einer weiteren Landesregierung (Cantabria) aufhob, die einer monoedukativen Schule die Fördermittel gestrichen hatte. Die Chancen, dass die jetzige Entscheidung der katalanischen Landesregierung vor dem spanischen Verfassungsgericht besteht, scheinen demnach eher gering.
Protest-Kampagnen haben wenig Aussicht auf Erfolg
Die Bearbeitung des sogenannten „Celáa-Gesetzes“ im spanischen Parlament wurde zunächst wegen der Coronakrise gestoppt. Nachdem das Parlament seine Arbeit wieder aufnahm, wurde der 20. Mai als Termin für die Einreichung von Gesetzesänderungsvorschlägen festgelegt. Da wegen des Lockdowns keine Demonstration stattfinden durfte, riefen am 4. Mai Lehrerverbände und Elternvertretungen eine Protestaktion in Twitter (#StopLeyCelaa) aus, die mehr als 104 000 Retweets generierte. Am 20. Mai erfolgte ein von mehr als fünfzig Bildungsdelegierten der spanischen Diözesen aufgerufener zweiter virtueller Protest gegen die Abschaffung des Faches Religion auf Twitter. Der Hashtag #ReliEsMas vereinte wiederum mehr als 100 000 Personen, die gegen das Eilverfahren der Ministerin Celáa protestierten: Es sei unfair, ein Gesetz, das eigentlich einen großen Konsens erreichen sollte, in einem beschleunigten Tempo während der COVID-19-Pandemie zu bearbeiten.
Nach der gewaltigen Demonstration in den sozialen Netzwerken hofft #ReliEsmas, dass Ministerin Celaá einen Konsens der an der Bildung Beteiligten und nicht bloß die Mehrheit im Parlament anstrebt. Der Unerbittlichkeit von Ministerin Isabel Celáa nach zu urteilen, könnte dies jedoch lediglich ein frommer Wunsch bleiben.
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