Exzellenz, wie kam es zu dem neuen Firmkonzept in Ihrer Diözese Bozen-Brixen?
Dem Ganzen geht ein längerer Prozess voraus. Wir hatten von 2013 bis 2015 eine Diözesansynode, die sich mit Sakramentenpastoral beschäftigt hat, speziell mit der Firmung. Der Hintergrund der ganzen Auseinandersetzungen ist, ehrlich hinzuschauen und den radikalen gesellschaftlichen und kirchlichen Veränderungen Rechnung zu tragen.
Die Vorbereitung soll mindestens ein Jahr dauern und methodisch sowie inhaltlich intensiviert werden. So kamen wir auf das Richtalter 16+, wobei entscheidend ist: weniger Event, mehr Substanz. Sakramente sind Zeichen des Glaubens. Glaube ist Geschenk, aber das Geschenk muss angenommen und wertgeschätzt werden. Natürlich setzen wir auf eine bewusstere Entscheidung für das Sakrament. Es ist der Versuch, auf heutige Herausforderungen einzugehen und darauf zu antworten. Alles verbunden mit einer großen Hoffnung.

Was ist das Neue am neuen Firmweg?
Bis jetzt wurden Kinder im Alter von zwölf bis 13 Jahren gefirmt. Jetzt heißt das 16+. Dann vor allem eine Intensivierung der Vorbereitungszeit: Zuvor hatten wir unterschiedliche Modelle, da wir ja eine dreisprachige Diözese sind. Im italienischen Bereich waren es bereits bis zu zwölf Monate, im deutsch-ladinischen Bereich waren es acht bis zwölf Treffen.
Wenn die Firmkandidaten älter sind, muss inhaltlich und methodisch umgestaltet werden. Vorher war alles konzipiert für kleinere Gruppen, die von den sogenannten "Tischmüttern" oder ehrenamtlichen Männern und Frauen getragen wurden. Das Ganze lebt von der Qualität der Begleitung, dass junge Menschen glaubwürdige Christinnen und Christen erleben, die sie einführen in den Glaubensweg, die ihnen vermitteln können: "Das, was du tust, ist sinnvoll, das hat Perspektive und hat zu tun mit Freude am Glauben und an der Kirche."
"Vorher nichts, ein riesiges Fest, nachher nichts."
Welche Herausforderungen bringt der neue Firmweg mit sich?
Die größte Herausforderung, von der ich höre, ist: Wer begleitet diese jungen Menschen? Eine andere Herausforderung: Die Jugendlichen sind viel mobiler. Wie bringen wir sie zusammen? Wie können sie sich als Gruppe treffen, wenn es nicht mehr klassenweise organisiert wird? Das ist keine soziologisch gesehen homogene Gruppe mehr. Es handelt sich auch immer weniger um die klassische Pfarrgemeinde, sondern um Seelsorgeräume. Darauf muss das Konzept angepasst werden.
Es bringt logistische Herausforderungen mit sich, aber der Akzent wird darauf gelegt, dass die Jugendlichen sich frei für diesen Schritt entscheiden. Ich möchte keine Menschen verlieren, aber wir sind auch keine Zählsorger, sondern Seelsorger. Nur wenn die Zahlen stimmen, sagt das noch nicht alles aus. Das, was Menschen heute oft als Glauben empfinden, ist sehr subjektiv geprägt, aber das ist ja nicht unser Konzept. Es geht immer um einen persönlichen Glaubensweg in der Gemeinschaft der Kirche. Wir erleben es immer wieder, dass Eltern für ihre Kinder die Sakramente möchten, aber mit der Kirche nichts mehr am Hut haben. Was heißt das? Das ist eine große theologische, pastorale und menschliche Herausforderung.
Die Kirche ist im Letzten nicht die Herrin der Sakramente, aber sie hat die Verantwortung, dass sie so verstanden und angenommen werden, dass sie wirklich in eine Beziehung hineinführen. Ein Pfarrer hat es einmal so ausgedrückt: "Vorher nichts, ein riesiges Fest, nachher nichts." Dabei kann man natürlich nicht stehenbleiben. Sakramente sind nach unserem theologischen Glaubensverständnis nicht punktuelle Ereignisse, sondern Gnadenmomente von Gott im Gehen eines Weges. Gott zwingt dabei nicht. Das Ganze lebt von Wort und Antwort. Sakramentales Leben ist insgesamt ein dialogisches Geschehen zwischen Gott und Mensch. Die Herausforderung ist, wie wir dieses Geschehen gestalten.
Der neue Firmweg ist das erste Mal im Herbst 2022 umgesetzt worden. Gibt es erste Eindrücke?
Wir wollten das Konzept auf den Weg bringen. Dann kam die Pandemiezeit mit all den Kontaktschwierigkeiten. Und so richtig starten wird dieses Modell überhaupt erst im Herbst 2023 und dann 2024. Das hat damit zu tun, dass es ja einige Jahre benötigt, bis die nächste Generation 16 Jahre alt ist. Aber schon jetzt sind junge Menschen auf dem Weg. Da höre ich unterschiedliche Zahlen. Von 50 Prozent der möglichen Kandidaten bis zu 70 oder 80 Prozent. Echte Erfahrungswerte haben wir aber noch nicht.
Wie waren die Reaktionen darauf, als das neue Firmkonzept vorgestellt wurde?
Es gab positive und negative Reaktionen. Ich habe allerdings den Eindruck, dass die Akzeptanz wächst. Das sage ich mit großer Vorsicht, weil uns die Erfahrungswerte fehlen. Eine kleine ermutigende Erfahrung für mich: Die erste Gruppe, die diesen Weg jetzt zurückgelegt hat, habe ich vor etwa einem Monat gefirmt. Es war eine ausgesprochen kleine Gruppe, acht Personen. Doch interessant und das hat mich gefreut: Diese acht Personen haben jetzt weitere 20 aus dieser Gemeinde ermutigt, sich auf den Weg zu machen. Wenn so etwas Schule machen würde, dann ist das nur erfreulich. Das ist ein Einzelbeispiel, aber genauso ist es gemeint. Und vielleicht werden dann junge Menschen für junge Menschen zu Verkündern. Das sind die besten Botschafter.
Welche negativen Reaktionen gab es?
Das waren die klassischen: Es ist zu aufwendig, wir haben die Leute nicht, viel zu lang. Ein weit verbreitetes Argument ist: "Ihr ladet junge Menschen aus." Ich höre dann: "Herr Bischof, haben Sie nicht Angst, die jungen Menschen zu verlieren?" Und ich habe oft pointiert zurückgefragt: "Haben wir sie jetzt?" Natürlich möchte ich niemanden verlieren. Es geht nicht um ein Durchsieben, dass eine Elite übrigbleibt. Das ist nicht unser Kirchenbild. Alle sind herzlich willkommen, aber das kann doch nicht heißen, dass jegliche Identität und Qualität auf der Strecke bleiben müssen.
Das ist das eigentliche Ringen. Ein bisschen ist natürlich die Angst der Eltern: "Ja, kommen die denn noch? Lassen die sich noch firmen? Mit zwölf, 13 Jahren haben wir noch die Hand drauf." Die Grundentscheidung ist ja schon gefallen. Das ist die Taufe. Trotzdem ist es legitim, über einen Weg nachzudenken, dass junge Menschen auch darüber reflektieren: Wie sieht es aus mit meiner Beziehung zu Christus und zur Kirche? Möchte ich das? Wenn nicht, dann sollte ich mich eigentlich auch nicht firmen lassen.

Wie ist der neue Firmweg weltkirchlich einzuordnen auch mit Blick auf die Neuevangelisierung?
Die große Herausforderung, vor der wir als Weltkirche stehen, ist die Mission, und zwar Mission als Sendung. Als Getaufte sind wir Gesandte, das Evangelium zu verkünden. Alles, was uns hilft, diese Schritte zu gehen, ist legitim. Worüber wir jetzt im Kontext der Firmung nachdenken, darüber müssen wir auch nachdenken bei der Erstkommunion und der Taufe, ohne jetzt zu sagen, dass die Kindertaufe nicht legitim sei. Es nehmen ja die Erwachsenentaufen zu, weshalb die bewusste Entscheidung immer wichtiger wird, gerade im Kontext der fehlenden Verwurzelung von Kindheit auf.
"Wir trauen allen einen bewussteren Weg zu."
Was möchten Sie den deutschen Diözesen als Botschaft mitgeben?
Wir alle spüren heute, dass wir vor Herausforderungen stehen, die niemand von uns mehr aussitzen kann. Das ist für mich die Motivation, etwas zu tun nicht damit etwas getan ist, auch nicht, damit die Zahlen stimmen. Wenn wir jetzt diesen Weg gehen, sollen wir auch nicht ganz schnell enttäuscht sein. Nicht alle entscheiden sich, aber wir denken an alle und laden alle ein.
Wir trauen allen einen bewussteren Weg zu. Die junge Generation wird oft alleingelassen. Woher soll sie denn den Glauben lernen? Wer führt sie in den Glauben ein? Erlebt sie genügend Erwachsene, die ihr vom Glauben erzählen? Doch das ist Kirche. Das ist ihre Mission. Dass wir als Kirche mit dem uns Anvertrauten Menschen in diese Christusbeziehung hineinführen, darum geht es. Das ist entscheidend. Wir haben einen Auftrag und eine Hoffnung. Romano Guardini sagte schon im 20. Jahrhundert: "Es mag bessere Zeiten gegeben haben als die unsere, aber das ist unsere."
Das neue Firmkonzept der Diözese Bozen-Brixen wurde im Zuge der Diözesansynode 2013 bis 2015 angestoßen. Aufgrund der veränderten gesellschaftlichen Lage und damit einhergehenden Seelsorge wurden neue Richtlinien erarbeitet, das Firmalter ab 16 Jahren festgelegt, die Vorbereitung auf mindestens ein Kalenderjahr ausgeweitet und neue, mehrsprachige Firmunterlagen erarbeitet. Eine erste Gruppe ist im Herbst 2022 gefirmt worden, flächendeckende Firmungen nach neuem Konzept werden
ab Herbst 2023 stattfinden.
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