Bei der Einordnung der in der Glaubenskongregation liegenden Akten zur Visitation des Schönstattwerks von 1951 bis 1953 durch den Jesuitenpater Sebastian Tromp vom Heiligen Offizium zeichnen sich weitere Einzelheiten ab. In der September-Ausgabe der Zeitschrift „Herder-Korrespondenz“ schreibt Joachim Schmiedl, Schönstatt-Pater und Professor für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar, dass die von der italienischen Historikerin Alexandra von Teuffenbach untersuchten Dokumente „tatsächlich bislang nicht bekannt“ waren.
Die Anklagen des klerikalen Machtmissbrauchs gegen den Gründer des Schönstatt-Bewegung und des Säkularinstituts der Schönstätter Marienschwestern, Pater Joseph Kentenich, seien zwar, wie Schmiedl angibt, „bereits in vorliegenden Briefen und Schreiben von Kentenich selbst“ genannt worden. Die entsprechenden Akten des Heiligen Offiziums aber, die heute im Archiv der Glaubenskongregation liegen, „unterlagen bislang der für vatikanische Dokumente geltenden Sperrfrist, die sich nach den Pontifikaten der Päpste richtet“, so Schmiedl. „So wurden sie von der Glaubenskongregation auch nicht für den 1975 eröffneten Seligsprechungsprozess für Kentenich zur Verfügung gestellt.“
Dokumente nicht für Seligsprechungsprozess zur Verfügung
Erst mit der Öffnung der Archive für das Pontifikat Pius' XII. am 6. März 2020 hätten diese Dokumente von der Historikerin Teuffenbach eingesehen werden können. Auch wurde der betreffende Bestand „Dev. V. 1950 n. 4“ erst während des Lockdowns im Verlauf des März 2020 inventarisiert, schreibt Schmiedl. Der Bestand ende freilich mit dem Tod von Pius XII.
Die weitere Entwicklung bis zur Übergabe der Causa Kentenich an die Religiosenkongregation und der am Ende des Konzils erfolgten Rückkehr Kentenichs nach Europa unterliege weiterhin der Sperrfrist, deren Aufhebung sich wohl noch weit über das gegenwärtige Pontifikat hinaus hinziehen werde.
„Der Forderung von Teuffenbachs“, so der Historiker Schmiedl, „sich mit diesen Dokumenten zu konfrontieren, konnte bislang aufgrund der urlaubsbedingten Schließung des Archivs bis Mitte September nicht entsprochen werden.“ Die Termine, meint Schmiedl, seien allerdings bereits ausgemacht. „Sie werden in Zusammenarbeit mit dem Bistum Trier, das eine neue Historikerkommission angekündigt hat, erfasst und ausgewertet werden. Ein medienwirksamer Schnellschuss“, so warnt Schmiedl vor überzogenen Erwartungen, „wird dabei jedoch angesichts der Fülle des bereits für den Seligsprechungsprozess gesammelten und neu hinzuzufügenden Materials nicht zu erwarten sein.“
Geistlicher und sexueller Missbrauch?
Von Teuffenbach hatte in der „Tagespost“ vom 2. Juli zum ersten Mal über die von ihr in der Glaubenskongregation durchgesehenen Akten zur Visitation der Marienschwestern durch Pater Sebastian Tromp SJ berichtet. Dabei hatte sie Anklagen gegen Pater Kentenich wiedergegeben, dieser habe seine Stellung als Gründer und geistlicher Leiter des Säkularinstituts zu einem Verhalten genutzt, das das Schamgefühl mancher Schwestern verletzte. Teuffenbach interpretierte die damals erhobenen Vorwürfe als geistlichen und in einem Fall als sexuellen Missbrauch, was dann der eigentliche Grund für das Exil von Pater Kentenich gewesen sein soll. Nach der Veröffentlichung von Teuffenbachs folgte eine Debatte, in der es um eine angebliche Rehabilitierung Kentenichs durch den Vatikan und auch um die Gestalt des nicht unumstrittenen Visitators Tromp ging. Von Teuffenbach will die von ihr bearbeiteten Akten der Glaubenskongregation in Buchform veröffentlichen. Wie der Historiker Schmiedl jetzt ankündigte, wird sich auch die Historiker-Kommission des Bistums Trier in das Archiv der Glaubenskongregation begeben, um die Aktenfunde von Teuffenbachs durchzuarbeiten.
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